Verteidigungsminister Pistorius verkündet weitere Waffenlieferungen an Kiew und rechtfertigt Angriffe auf Russland

14 Monate nach dem reaktionären Einmarsch des Putin-Regimes in die Ukraine treiben die Nato-Mächte die Kriegsoffensive gegen Russland immer aggressiver voran. Auf einem Treffen am Freitag beschlossen sie die massive Ausweitung der Waffenlieferungen an Kiew, um die geplante Frühjahrsoffensive der ukrainischen Armee zu unterstützen. Zudem verkündete Nato-Chef Jens Stoltenberg, die Ukraine werde Mitglied der Nato. Die Gefahr eines direkten Nato-Russland-Kriegs wird damit immer akuter.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gibt eine Erklärung nach dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf der Air Base Ramstein am 21. April 2023 ab [AP Photo/Matthias Schrader]

Der deutsche Imperialismus, der bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg versucht hat, sich die Ukraine einzuverleiben und Russland zu unterjochen, spielt bei der Kriegseskalation eine immer zentralere Rolle. Nach dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein erklärte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, „wie wichtig die Durchhaltefähigkeit und die Einsatzbereitschaft“ jetzt seien. Dann betonte er die zentrale Rolle Berlins und verkündete weitere militärische Unterstützungsleistungen.

Deutschland sei „nach den USA zusammen mit Großbritannien der mit Abstand größte Unterstützer“ der Ukraine und mit „Luftverteidigung, Panzern, Artillerie, Pionierfähigkeiten und Munition an allem maßgeblich beteiligt“. Man habe erst im März „18 ‚state of the art‘ moderne Kampfpanzer Leopard 2 A6 und 40 Marder an die Ukraine geliefert“. Zusätzlich werde „sie ausgestattet mit großen Paketen von Material und Ersatzteilen und der dringend benötigten Munition“.

Unter den Lieferungen seien zudem „sehr sinnvolle Kampfunterstützungspanzer“ gewesen. Pistorius erwähnte die Berge- und Pionierpanzer Büffel und Dachs sowie die Brückenlege- und Minenräumpanzer Biber und Wisent. Deutschland liefere „Qualität und Quantität“ und sei auch „einer der stärksten Ausbilder ukrainischer Kräfte“. Erst vor wenigen Tagen sei das zweite System IRIS-T mit Lenkflugkörpern und „eine Patriot-Feuereinheit mit 100 Raketen“ an Kiew übergeben worden.

Pistorius machte keinen Hehl daraus, dass die deutschen Raketensysteme nicht einfach dazu dienen, Städte vor Angriffen zu schützen, sondern eine Schlüsselrolle bei der geplanten ukrainischen Offensive spielen. Man helfe, „unsere Panzer, die jetzt dort im Einsatz sind, vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen“, so der Verteidigungsminister. „Die Wirksamkeit an der Front“ sei „von entscheidender Bedeutung.“ Und man lasse nicht nach. Aktuell beginne die Ausbildung von 100 ukrainischen Soldaten am Kampfpanzer Leopard 1 A5. Etwa 80 Panzer dieser Bauart sollten ab Jahresmitte „zügig“ geliefert werden.

Es wird immer klarer, dass sich die Nato-Mächte auf einen langen Abnutzungskrieg vorbereiten, der weiteren Hunderttausenden das Leben kosten wird, jederzeit eskalieren kann und bereits jetzt Unsummen verschlingt. „Wichtig ist, dass das alles durchhält“, mahnte Pistorius. „Jedes Material“, das man in diesen Krieg liefere, habe Verschleiß, v.a. wenn es „im Gefecht im Dauereinsatz ist“. Er sei „deswegen sehr froh“, dass er mit seinen polnischen und ukrainischen Kollegen ein „Memorandum of Understanding“ über „einen gemeinsamen Instandsetzungshub in Polen“ für die gesamte Leopard 2-Flotte unterzeichnet habe.

Damit werde „nahe der polnisch-ukrainischen Grenze sichergestellt, dass diese Panzer schnell und bei Bedarf – und der Bedarf wird steigen – instand gesetzt und repariert werden können“. All das koste „ordentlich Geld“, aber zeige „unsere Entschlossenheit, dass wir durchhalten wollen.“ Um „das zu schaffen“ – das erklärte Ziel der imperialistischen Mächte ist die vollständige Niederlage des russischen Militärs in der Ukraine – habe „der Bundestag vor wenigen Wochen bis zu zwölf weitere Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.“ Die Ukraine könne „auf Deutschland zählen ‚as long as it takes‘.“

Pistorius sollte erklären, was das konkret bedeutet. Bereitet sich die Bundesregierung darauf vor, nach den Kampfpanzern auch Bodentruppen in den Krieg gegen die Atommacht Russland zu schicken? Wie weit will die herrschende Klasse diesmal gehen, um ihre imperialistischen Interessen im Osten durchzusetzen? Im Zweiten Weltkrieg führte sie einen Vernichtungskrieg, der etwa 27 Millionen Sowjetbürgern den Tod brachte, und beging den Holocaust. Ein direkter Konflikt mit der Atommacht Russland würde die Zerstörung ganz Europas und möglicherweise des gesamten Planeten bedeutet.

Die Scholz-Regierung und die anderen führenden Nato-Mächte eskalieren den Krieg im vollen Bewusstsein, dass er in ein nukleares Armageddon führen kann. Noch vor einem Jahr im April 2022 hatte der Bundeskanzler in einem Interview mit dem Spiegel auf die Frage nach der Lieferung „schwerer Waffen“ geantwortet, man müsse alles tun, „um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden“. Es gehe darum, „eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt“.

Nun liefert die Bundesregierung nicht nur „schwere Waffen“, sondern rechtfertigt explizit Angriffe auf russisches Territorium. Es sei „völlig normal“ in so einer militärischen Auseinandersetzung, „dass auch der Angegriffene ins gegnerische Territorium vorgeht, um beispielsweise Nachschubwege zu unterbinden“, sagte Pistorius am Vorabend des Ramstein-Treffens in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.

Aussagen wie diese kommen einer direkten Kriegserklärung an Russland nahe. Bereits im Januar hatte die grüne Außenministerin Annalena Baerbock auf einer Parlamentarischen Versammlung des Europarats erklärt, man kämpfe „einen Krieg gegen Russland“. Dabei geht es der herrschenden Klasse nicht nur um die Ukraine und Russland. Sie nutzt den von den Nato-Mächten provozierten Krieg als Vorwand, um sich wieder als führende Militärmacht zu etablieren, die jederzeit umfassend Krieg führen kann.

„Wir brauchen eine einsatzbereite, kampfstarke und durchhaltefähige Bundeswehr… eine Truppe, die in ihrer gesamten Breite ihre Aufträge aus dem Stand erfüllen kann, kaltstartfähig also“, forderte Pistorius am vergangenen Donnerstag bei der Vorstellung des aktuellen Wehrberichts im Bundestag. Der Bericht zeichnet das Zerrbild einer angeblich völlig kaputt gesparten und maroden Armee und plädiert für die Verdreifachung (!) des Bundeswehr-Sondervermögens von 100 auf 300 Milliarden Euro, um die „Fähigkeitslücken“ zu schließen.

Das Ausmaß der Aufrüstungspläne ist gigantisch und nur mit der Hochrüstung der Wehrmacht ab Mitte der 1930er Jahre vergleichbar. Und wie damals geht es allen offiziellen Propagandaphrasen von „Freiheit“ und „Demokratie“ zum Trotz um die Durchsetzung der räuberischen Interessen des deutschen Imperialismus weltweit.

„Wir müssen wieder lernen, in großen sicherheitspolitischen Zusammenhängen und längeren Zeiträumen und Linien zu denken, auch und gerade wir hier gemeinsam“, schärfte Pistorius den Parlamentariern ein. Die Sicherheitslage werde eher „schwieriger als leichter“. Und das „nicht nur mit Blick auf Russland, sondern natürlich auch mit Blick auf die Welt: ganz aktuell im Sudan, aber auch im Indopazifik und in der Sahelregion.“

Niemand im Bundestag trat Pistorius’ Kriegswahnsinn und militaristischem Weltmachtgehabe entgegen. Im Gegenteil: Vertreter aller Regierungs- und Oppositionsparteien lobten den Wehrbericht unisono und überboten sich mit Forderungen nach einer effektiveren und schnelleren Aufrüstung.

Der Wehrbericht beerdige endgültig „das Märchen von der umfassenden Befähigung durch das Sondervermögen“, frohlockte Kerstin Vieregge für die CDU/CSU-Fraktion. Die darin genannte Summe von 300 Milliarden Euro zeige auf, „wie gewaltig der Investitionsbedarf tatsächlich ist“.

Der Bericht zeige auf, „was nötig ist, um den militärischen Pfeiler unserer integrierten und breiten Sicherheitspolitik resilient und zukunftsfähig aufzustellen“, erklärte die Sprecherin der Grünen Merle Spellerberg. Schließlich erwarte man „von unseren Soldatinnen und Soldaten, dass sie im Ernstfall“ auch „kämpfen“.

Die Linkspartei, deren Führung den Nato-Kriegskurs gegen Russland voll unterstützt, stieß ins gleiche Horn: „Man kann der Wehrbeauftragten für diesen Bericht und die Offenheit, mit der zumindest einige Probleme offen angesprochen werden, nur dankbar sein“, erklärte Ali al-Dailami. Das Problem sei „nur, dass diese eben nicht neu sind und sich bis heute nichts Substanzielles verändert“ habe. So sei „kaum ein größeres Beschaffungsprojekt... in den letzten Jahren ohne Verzögerungen, Preissteigerungen oder Mängel abgewickelt“ worden.

Der im Kern faschistische Charakter des Aufrüstungs- und Kriegskurses trat am deutlichsten in der Rede des Vertreters der rechtsextremen AfD zutage. So jubelte der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative für Deutschland Hannes Gnauck zunächst, dass „im diesjährigen Wehrbericht […] allerlei Kritik, Anregungen und Forderungen [stecken], welche die AfD seit Jahren […] für die Bundeswehr stellt“.

Nun habe das Parlament „den Auftrag“, der Armee die „richtigen Rahmenbedingungen zu bereiten: genug Munition, funktionsfähiges Material und eine professionelle Ausrüstung“. Und die politische Führung habe „die Pflicht, eine Atmosphäre zu schaffen, in der junge Soldaten sagen können: Ich kämpfe für mein deutsches Volk, und ich bin stolz darauf.“ Eine „echte Zeitenwende“ beginne „im Geiste“ und man brauche „eine Bundeswehr, die im Gefecht nicht nur aushalten, sondern vor allem siegen will, siegen gegen den Feind auf dem Schlachtfeld.“ Man brauche „kampfbereite Soldaten, in deren Herzen das Feuer für Deutschland brennt.“

Die einzige Partei, die diesem militaristischen Schmutz entgegentritt, ist die Sozialistische Gleichheitspartei. Zusammen mit unseren Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale veranstalten wir am 30. April eine weltweite Online-Kundgebung, um der weit verbreiteten Opposition gegen Krieg und Faschismus eine Stimme zu geben und sie mit einem klaren Verständnis der Situation und der notwendigen politischen Perspektive zu bewaffnen. Im Aufruf zur Kundgebung heißt es:

Zwei Prozesse dominieren die diesjährigen Feierlichkeiten für die internationale Einheit der Arbeiterklasse: der Krieg in der Ukraine, der sich zu einem globalen Flächenbrand entwickelt, und ein weltweites Wiederaufleben des Klassenkampfes. Diese beiden Prozesse sind auf sehr grundsätzlicher Ebene miteinander verbunden. Die gleichen wirtschaftlichen, geopolitischen und sozialen Widersprüche, die die imperialistischen herrschenden Eliten auf den Weg des Krieges treiben, bringen auch den objektiven Impuls für die Radikalisierung der Arbeiterklasse und den Ausbruch revolutionärer Kämpfe.

Die diesjährige Maikundgebung wird das sozialistische Programm erklären, auf die sich dieser Kampf stützen muss. Wir rufen alle Arbeiter und Jugendlichen auf, an der Kundgebung teilzunehmen und sich schon jetzt zu registrieren.

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