Berlin: Regierender Bürgermeister mit den Stimmen der AfD gewählt

Die Wahl Kai Wegners zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin am vergangenen Donnerstag hat den Charakter des neuen Senats in der deutschen Hauptstadt offengelegt. Erst im dritten Wahlgang wurde der CDU-Politiker mit einfacher Mehrheit gewählt und dies vermutlich nur mit den Stimmen der rechtsextremen AfD.

[Photo by Sven Teschke / CC BY 2.0]

Die neue Koalition aus CDU und SPD verfügt über 86 Stimmen im Abgeordnetenhaus, die Oppositionsparteien Grüne, Linkspartei und AfD kommen zusammen auf 73. Wegner erhielt zunächst lediglich 71 Ja-Stimmen, im zweiten Anlauf 79. Für die ersten beiden Wahlgänge wäre eine absolute Mehrheit von 80 Stimmen nötig gewesen.

Nach Ende des zweiten Wahlgangs hatten die Fraktionen der Grünen und Linken die Einberufung des Ältestenrates beantragt, da es einen dritten Wahlgang bisher noch nie in Berlin gegeben hatte und offene rechtliche Fragen geklärt werden mussten.

Im dritten Wahlgang wurde Wegner schließlich mit 86 Stimmen gewählt. Dass diese allerdings ausschließlich von den Abgeordneten von SPD und CDU kommen, gilt angesichts der vorangegangenen Abstimmungen nicht als wahrscheinlich.

Offenbar kam Wegner mit den Stimmen der Rechtsextremen an die Macht. Die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus veröffentlichte in einer Pressemitteilung zehn Namen von Abgeordneten, die angeblich für Wegner gestimmt haben, „um jegliche weitere Spekulationen zu beenden“. Dies lässt sich aufgrund der geheimen Wahl nicht überprüfen, aber sowohl die Vorbehalte gegen eine große Koalition, als auch der offen rechte Charakter des neuen Senats, machen eine Unterstützung durch die AfD sehr wahrscheinlich.

Schon die Mitgliederbefragung für den mit der CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag wurde in der SPD-Basis nur äußerst knapp mit 54,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Teile der SPD fürchten, dass die Partei in dieser Koalition noch den letzten Rest an Unterstützung in der Bevölkerung verliert. Die Wiederholungswahl im Februar war für die SPD ein Desaster. Die Partei verlor in ihrer ehemaligen Hochburg seit der ursprünglichen, vom Berliner Verfassungsgericht annullierten Wahl im September 2021 insgesamt 111.000 Stimmen und fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein.

Während CDU- und SPD-Vertreter gebetsmühlenartig wiederholen, die Mehrheit sei alleinig durch die Stimmen der beiden Parteien zustande gekommen, kritisieren Linkspartei und Grüne die Wahl des Regierenden Bürgermeisters mit Hilfe der Rechtsextremen. So erklärte etwa der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) gegenüber dem RND: „Wenn man den Parlamentarismus schützen will, dann darf man sich niemals in die Hand dieser politischen Kraft [der AfD] begeben“.

Das ist an Heuchelei nicht zu überbieten. Es war Ramelow selbst, der nach seiner Wiederwahl 2020 dem AfD-Mann Michael Kaufmann mit seiner Stimme zum Amt eines Vizepräsidenten des thüringischen Landtags verhalf. Damals erklärte er, er habe sich „sehr grundsätzlich entschieden“, auch mit seiner Stimme „den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe, die jeder Fraktion zugebilligt werden muss“.

Sieht man sich den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung genauer an, wird klar, dass weite Teile davon ebenso aus der Feder der AfD stammen könnten. Neben belanglosen Phrasen und Absichtserklärungen in der Gesundheits-, Bildungs- und Sozialpolitik enthält er vor allem Pläne für eine extrem rechte Law and Order-Politik.

Neben einer massiven personellen und finanziellen Aufstockung von Polizei und Sicherheitsbehörden, will die Koalition für eine weitergehende Überwachung der Telekommunikation die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Mit dem üblichen Verweis auf Terrorgefahr sollen Onlinedurchsuchungen mit Trojanern den Sicherheitsbehörden einfacher ermöglicht werden.

Mit der Ausweitung sogenannter „Messerverbotszonen“ und der Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird die Schleierfahndung durch die Hintertür wieder eingeführt. Im Namen der „öffentlichen Ordnung“ soll das Versammlungsrecht drastisch beschnitten werden. Dabei sollen Demonstrationen leichter unterbunden und die Befugnisse der Polizei erweitert werden. Begleitend wird eine Verlängerung der Präventivhaft von zwei auf fünf Tage umgesetzt, mit der Aktivisten und unliebsame Personen in Haft genommen werden können – ohne dass sie eine Straftat begangen haben.

Auch das künftige Kabinett unterstreicht den rechten Charakter der Koalition. Wegner selbst steht auf dem äußersten rechten Rand der CDU. Er redet der „deutschen Leitkultur“ das Wort und solidarisierte sich in der Vergangenheit offen mit dem rechtsextremen ehemaligen Chef des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen. Dieser könne „selbstverständlich auch Mitglied der Berliner CDU sein“, erklärte er.

Der Verfassungsschutz sitzt in der neuen Regierung direkt am Kabinettstisch. Neue Justizsenatorin ist Felor Badenberg. Die 47-jährige Parteilose arbeitet seit 2006 für den mit rechtsextremen Kräften durchsetzten Inlandsgeheimdienst und war zuletzt Vizepräsidentin des Bundesamts für Verfassungschutz. Zwischen 2013 und 2018 arbeitete sie eng mit Maaßen zusammen und verfasste mit ihm Berichte an Bundestag und Regierung.

Die bisherige Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) übernimmt das Wirtschaftsressort. Sie steht ebenfalls auf dem rechten Flügel ihrer Partei und hat in der letzten Legislaturperiode zusammen mit Linkspartei und Grünen deutlich gemacht, dass sie rücksichtslos Kürzungen gegen die Bevölkerung durchsetzt, wenn dies im Interesse der Wirtschaft ist.

Finanzsenator und Stellvertreter Wegners wird Stefan Evers (CDU). Seine Aufgabe ist es, die Sozialangriffe der Vorgängerregierung zu verschärfen. Evers gilt als der „strategische Kopf“ der Berliner CDU. Er war maßgeblich für den Wahlkampf der Partei verantwortlich, der sich fast ausschließlich auf das Thema Law and Order konzentrierte. Evers war einer der Scharfmacher der rassistischen Kampagne gegen Migranten nach der Silvesternacht. Er kritisierte, dass die angeblichen Täter nicht schnell und hart genug bestraft würden.

Mit Manja Schreiner (CDU) wird eine ausgesprochene Vertreterin der Großindustrie für Verkehr und Klimaschutz zuständig sein. Als Sprachrohr der Bauindustrie hat sie sich vehement gegen den Mietendeckel und jede Enteignung von Immobilienkonzernen ausgesprochen. Jede noch so kosmetische Maßnahme für den Umweltschutz ist ihr ein Dorn im Auge, wenn diese auch nur im geringsten den Interessen der Wirtschaft zuwider läuft.

Das Ressort Bauen und Wohnen übernimmt der bisherige Staatssekretär Christian Gaebler. Der Sozialdemokrat stellt die enge Zusammenarbeit mit den Immobilienhaien sicher. Gaebler vertritt die Linie des bisherigen Bausenators Andreas Geisel (ebenfalls SPD). Dieser bezeichnete die von der Bevölkerung geforderte Enteignung von Wohnungskonzernen als „wirtschaftlich verrückt“ und forderte offen das Ergebnis des Volksbegehrens zu missachten.

Innensenatorin bleibt die SPD-Politikerin Iris Spranger. Zuletzt hatte sie die Berliner Polizei trotz der sich häufenden Fälle von Gewalt und Schikane gegen Migranten in Schutz genommen und behauptet, es gebe keinen Rassismus in der Berliner Polizei. Ihre Aufgabe wird es sein, den rechten Unterdrückungsapparat weiter zu stärken, um die wachsende soziale und politische Opposition unter Arbeiter und Jugendlichen in der Hauptstadt zu unterdrücken.

Die extrem rechte Agenda des neuen Senats, der sich auf die Faschisten der AfD stützt, unterstreicht die Bedeutung des Wahlkampfs der Sozialistischen Gleichheitspartei. Die SGP warnte, dass jede neue bürgerliche Regierung die Politik der Aufrüstung und der Sozialkürzungen vorantreiben und den wachsenden Widerstand dagegen unterdrücken werde. Die einzige Möglichkeit, diese Politik zu stoppen, ist die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, für das die SGP im Wahlkampf gestritten hat.

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