Fallende Aktien von Regionalbanken verschärfen US-Finanzkrise

Obwohl der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, am Mittwoch beteuert hatte, die Turbulenzen um die Regionalbanken seien unter Kontrolle gebracht worden, verschärft sich die US-Bankenkrise weiter.

Auf die Frage, ob sich die Situation bei den Regionalbanken in einem frühen oder späten Stadium befinde, hatte Powell bei einer Pressekonferenz geantwortet, die Probleme mit den drei großen Banken, die „im Mittelpunkt des Stresses“ stünden, seien unter Schutz aller Einleger gelöst worden. Der Verkauf der First Republic sei „ein wichtiger Schritt, um einen Schlussstrich unter diese Stressphase zu ziehen“.

Weniger als 24 Stunden später löste sich dieses optimistische Szenario in Luft auf, als die offizielle Fiktion, das US-Bankensystem sei „gesund und belastbar“, weiter demaskiert wurde.

Die nächste Phase der Krise begann am Mittwoch, nur wenige Stunden nach Powells Erklärung. Die Aktienkurse der kalifornischen Bank PacWest brachen im nachbörslichen Handel um 50 Prozent ein, nachdem Berichte aufgekommen waren, die Bank erwäge einen Verkauf.

Am Donnerstag setzte sich der Ausverkauf fort. Die Aktien von PacWest fielen auf 3,17 Dollar und damit ihren bisher tiefsten Stand. Seit Beginn der SVB-Krise (Silicon Valley Bank) am 8. März haben sie 85 Prozent an Wert verloren.

Auch andere Regionalbanken gerieten unter starken Verkaufsdruck. Der Aktienkurs der First Horizon aus Memphis fiel um 33 Prozent, nachdem die kanadische TD Bank erklärt hatte, sie habe die geplante Übernahme der Bank für 13,5 Milliarden Dollar verworfen. Als Grund nannte sie die Unsicherheit, ob die Aufsichtsbehörden sie genehmigen würden.

Der Aktienkurs der Western Alliance aus Arizona fiel um 39 Prozent, nachdem Berichte aufgekommen waren, die Bank prüfe einen möglichen Verkauf. Western Alliance wies diese Berichte entschieden zurück.

Der KBW-Nasdaq-Index für regionale Bankaktien fiel am Donnerstag um 3,5 Prozent, womit der Gesamtrückgang seit Beginn der Krise im März etwa 30 Prozent beträgt.

Der Kurssturz von PacWest-Aktien ist besonders bedeutsam, weil laut der Financial Times mehr als drei Viertel ihrer Kredite an die Immobilienbranche ging, die stark von den Zinserhöhungen des letzten Jahres getroffen wurde.

Die Krise begann mit einem Bank-Run bei der SVB, weil die Staatsanleihen, die sie angehäuft hatte, als sie in der Zeit der ultraniedrigen Zinssätze der Fed im Geld schwamm, an Marktwert verloren hatten.

Jetzt werden Warnungen laut, dass der Rückgang der Aktienkurse eine neue Dynamik in Gang setzt, die dazu führt, dass Anleger ihr Geld abziehen wollen.

Das Wall Street Journal schrieb in einem Artikel, der „anhaltende Druck“ zeige, wie schwer es werden könnte, die Abwärtsspirale bei den Regionalbanken aufzuhalten, selbst in Fällen, in denen sie gesunde Gewinne erzielen, weil der Rückgang der Aktienkurse die Anleger verunsichere.

Ein Analyst erklärte gegenüber dem WSJ: „Das ist der Moment, an dem es gefährlich wird. Wenn sie diese Kette von Ereignissen sehen, fragen sie sich natürlich: Bin ich auf der sicheren Seite, bin ich abgesichert?“

Die Krise geht weit über die bisher untergegangenen Firmen hinaus und reicht bis ins Herz des US-Bankensystems. Ein Artikel von Ambrose Evans-Pritchard im Londoner Telegraph, der auf Recherchen von Bankenexperten der Hoover Institution beruht, schildert das Ausmaß der Krise.

Er schrieb: „Die USA haben kurz nacheinander die zweit- und drittgrößte Bankenpleite ihrer Geschichte erlebt. Das US-Finanzministerium und die Federal Reserve wollen uns Glauben machen, dass es sich um ,spezifische‘ Ereignisse handelt. Doch das ist eine gefährliche Ausflucht.“

Laut der Recherchen unter Leitung von Professor Amit Seru von der Universität Stanford verzeichnet fast die Hälfte der 4.800 Banken in Amerika negatives Eigenkapital, weil der Marktwert ihrer Vermögenswerte gesunken ist.

Er erklärte: „Es ist gespenstisch. Tausende von Banken stehen unter Wasser. Wir sollten nicht so tun, als ginge es hier nur um die Silicon Valley Bank und die First Republic. Ein großer Teil des US-Bankensystems ist potenziell insolvent.“

Die Recherchen kamen zu dem Ergebnis, dass rund 2.315 US-Banken Vermögenswerte besitzen, die weniger wert sind als ihre Verbindlichkeiten. Der Marktwert ihrer Kredite ist vermutlich zwei Billionen Dollar niedriger als ihr angegebener Buchwert.

Seru erklärte, von den zehn am stärksten gefährdeten Banken sei eine mit Wertpapieren im Wert von mehr als einer Billion Dollar von globaler Bedeutung. Weiter erklärte er: „Es ist nicht nur ein Problem für Banken unter 250 Milliarden Dollar, die keine Stresstests bestehen mussten.“

Man könnte noch hinzufügen, dass die Stresstests, die den größeren Banken im Rahmen der so genannten Reformen nach der Krise von 2008 auferlegt wurden, nicht die Fähigkeit der Banken beinhalten, einem schnellen Anstieg der Zinssätze standzuhalten, dessen Auswirkungen sich jetzt in allen Teilen des Finanzsystems bemerkbar machen.

Der Artikel von Evans-Pritchard wies darauf hin, dass First Republic zwar Kredite an Technologie-Start-Ups vergab, aber „vor allem bei Gewerbeimmobilien ins Straucheln geriet.“ Es wäre „nicht das letzte Mal, was das betrifft“ mit „Bürogebäuden und Industrieimmobilien... im Anfangsstadium einer schweren Rezession“. Dazu berief er sich auf Äußerungen von Jeff Fine, dem globalen Ressortchef für den Immobilienbereich bei Goldman Sachs.

Fine erklärte: „Was wir heute haben, ist ein nahezu perfekter Sturm.“

„Die Zinssätze sind innerhalb eines Jahres um 400 bis 500 Basispunkte gestiegen, und die Finanzierungsmärkte sind fast völlig zum Erliegen gekommen. Wir schätzen, dass es im gewerblichen (Immobilien-)Sektor Schulden in Höhe von 4 bis 5 Billionen Dollar gibt, von denen in den nächsten 12 bis 18 Monaten eine Billion Dollar fällig werden.“

In dem Artikel heißt es, der Versuch, „kriminelle Banken“ für die Krise verantwortlich zu machen, sei ein „falsches Narrativ“, da die eigentliche Ursache der Krise der Kurswechsel der Federal Reserve von ultralockerer zu ultrastraffer Geldpolitik sei.

„Zuerst haben sie ,Zinsrisiken‘ in galaktischem Ausmaß geschaffen, jetzt zünden sie die selbst geschaffene Zeitbombe mit Verzögerung.“

Chris Whalen von Institutional Risk Analyst erklärte: „Die exzessive Offenmarktintervention der Fed von 2019 bis 2022 war die Hauptursache für die Pleite der First Republic und der Silicon Valley Bank.“

Diese Intervention, die die nach der Finanzkrise von 2008 eingeleiteten Programme zur quantitativen Lockerung auf ein neues Niveau anhob, wurde begonnen, um einen Marktzusammenbruch im Jahr 2020 zu Beginn der Pandemie zu stoppen. Damals wurde befürchtet, der Aktienmarkt und die Finanzblase, die durch die vorangegangenen quantitativen Lockerungsmaßnahmen entstanden waren, könnten zusammenbrechen. Die unmittelbare Krise wurde abgewendet, aber eine neue Runde von Spekulationen ausgelöst.

Laut Whalen müssen Banken und Anleiheinvestoren wie Pensionsfonds und Versicherungsinvestoren für die impliziten Verluste in Höhe von fünf Billionen Dollar „aufkommen“, die sich aus dem Ende der quantitativen Lockerung und des Anstiegs der Zinssätze ergeben haben, wodurch sich der Marktwert aller Vermögenswerte verringert hat.

Er erklärte: „Da die US-Banken nur Eigenkapital in Höhe von etwa zwei Billionen Dollar haben, gibt es jetzt ein Problem.“

Whalen prognostizierte, die Finanzkrise werde sich so lange weiter entwickeln, bis die Fed einen Rückzieher macht und die Zinsen senkt.

Doch dann könnte noch ein anderer Faktor ins Spiel kommen: eine Krise des Dollar.

Die USA konnten jahrzehntelang eine scheinbar unbegrenzte Geldmenge schaffen, um ihre Haushaltsdefizite zu finanzieren. Diese wurden nicht zuletzt durch die eskalierenden Militärausgaben und die Billionen Dollar zur Unterstützung der Börsen und des Finanzsystems aufgebläht.

Sie war in der Lage zu tun, was keiner anderen Regierung möglich ist, weil der Dollar die Rolle der Weltwährung innehat. Doch die Vormachtstellung des Dollars wird zunehmend in Frage gestellt, was sich im Anstieg des Goldpreises, der ultimativen Wertanlage, auf neue Höchststände in den letzten Monaten zeigt.

Da es sich beim Dollar um eine Papierwährung handelt, die nicht durch materielle Wertanlagen abgesichert ist, beruht ihr Wert auf dem Vertrauen in die US-Regierung.

Doch auch dieses wird untergraben, da der toxische Fraktionskampf im politischen Establishment der USA nun zu einem Konflikt über die Schuldenobergrenze im Kongress geführt hat. Wenn diese Obergrenze von derzeit 31,4 Billionen Dollar nicht angehoben wird, kann das Finanzministerium möglicherweise schon am 1. Juni seine Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Dies würde zu einer Situation führen, in der der Wert von US-Staatsanleihen, angeblich die sicherste Finanzanlage der Welt, in Frage gestellt würde. Die finanziellen und wirtschaftlichen Folgen wären unabsehbar.

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