Massenverhaftungen während der Krönung von König Charles

Die konservative Regierung nahm die Krönung von König Charles III. am Samstag zum Anlass, um rigoros gegen Monarchiegegner und andere Demonstranten vorzugehen. Die Behörden nutzten die neuen Polizeistaats-Vollmachten, die sie durch das wenige Tage vor der Veranstaltung in Kraft getretene Gesetz, Public Order Act, erhalten haben, um Massenverhaftungen durchzuführen und einen Präzedenzfall für ihren künftigen großflächigen Einsatz zu schaffen.

Die Londoner Metropolitan Police verhaftete 64 Menschen, u.a. wegen Tumult, Störung der öffentlichen Ordnung, Landfriedensbruch und dem üblen Vorwurf der „Verschwörung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses“.

Im Vorfeld der Prozession des britischen Königs Charles III. zur Westminster Abbey für seine Krönung in London am Samstag, 6. Mai 2023, wird ein Monarchiegegner von der Polizei verhaftet [AP Photo/Scott Garfitt]

Am bedeutsamsten war die Entscheidung der Polizei, die Führung der Organisation Republic zu entfernen, damit sie nicht an den Protesten teilnehmen konnte. Republic ist eine eingetragene Lobbygruppe, die seit 1983 besteht und für die Abschaffung der Monarchie zu Gunsten einer parlamentarischen Republik eintritt. Ihre Proteste bestehen meist daraus, die Parole „Not My King!“ zu skandieren.

In den Tagen vor der Krönung hatte das Innenministerium Republik Drohbriefe geschickt, in denen es mitteilte, das Gesetz Public Order Act 2023 sei verabschiedet worden und seine Vorschriften würden bei einer massiven Mobilisierung der Polizei angewandt. Die Verabschiedung des Gesetzes wurde vorgezogen und von Charles selbst am 2. Mai unterzeichnet. Die Metropolitan Police (Met) kündigte vier Tage vor der Krönung an: „Wir haben sehr wenig Toleranz für jeden und alles, was diese Veranstaltung stören wird. Sie werden von uns ein sehr schnelles Eingreifen erleben.“

Am Samstag wurden um etwa 7:30 Uhr, noch bevor irgendwelche Proteste begonnen hatten, sechs Mitglieder von Republic, darunter ihr Anführer Graham Smith, in der Nähe des Trafalgar Square verhaftet. Die Gruppe wollte dort nahe der Statue des abgesetzten Königs Charles I. (1600–1649) eine Kundgebung abhalten. Die Polizei beschlagnahmte einen Transporter mit Hunderten von Plakaten mit der Aufschrift „Not My King“. Ein Video, das auf Twitter von 5,5 Millionen Usern gesehen wurde, zeigt einen Reporter, der nach dem Grund der Verhaftung fragt. Worauf ein Polizeibeamter antwortet: „Ich lasse mich auf keine Unterhaltung darüber ein. Sie wurden verhaftet, Ende.“

Smith wurde fast 16 Stunden lang in Polizeigewahrsam gehalten und erst um 23 Uhr am Samstagabend entlassen. Smith twitterte: „Ich bin jetzt aus der Polizeiwache raus. Warte noch immer auf meine Kollegen. Macht euch nichts vor, es gibt in Großbritannien kein Recht auf friedlichen Protest mehr. Man hat mir immer wieder gesagt, der Monarch sei dazu da, um unsere Freiheiten zu verteidigen. Jetzt werden unsere Freiheiten in seinem Namen angegriffen.“ Über seine verhafteten Kollegen schrieb er weiter: „Man hat uns keinen Grund genannt. Sie werden wahrscheinlich freigelassen, wenn die ganze PR-Show für die Monarchie vorbei ist.“

Harry Stratton, ein Direktor von Republic, erklärte: „Wo sollten wir uns denn festmachen? Wir protestieren nur.“ Damit bezog er sich auf den neuen Straftatbestand, sich an einer Straße, an einem Gebäude oder Kunstwerk festzukleben, wie es die Umweltschützer tun. Er fügte hinzu, ein Demonstrant auf dem Trafalgar Square sei von der Polizei verhaftet worden, weil er eine Schnur bei sich trug. „Eine Schnur, die Teil seines Plakats war. Was hätte er damit tun sollen?“

Stratton sagte aus: „Wir hatten Treffen mit der Polizei, die uns erklärt hat, was heute akzeptiert würde und was nicht. Sie drohten uns mit Verhaftung, wenn wir Prinz Andrew oder die sexuellen Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erwähnen.“

Erschreckenderweise war der Staat sogar bereit, Demonstranten während der Krönung zu töten. Stratton erklärte dazu: „Sie sagten, wenn sich irgendjemand der Prozession in den Weg stellt, könnte er erschossen werden, weil das Militär auf den Straßen etwas empfindlich sein und nicht verstehen könnte, was los ist. ... Diese Verhaftungen erscheinen wie das Werk eines Polizeistaats. Es ist inakzeptabel. Wir sagen nur, dass wir nicht an die Monarchie glauben, und wir machen das friedlich.“

Der Independent berichtete über den 30-jährigen Demonstranten Harry Styles, der erklärte, die Polizei habe ihm auch erklärt: „Auf jeden, der sich der Krönungsprozession in den Weg stellt ,könnte geschossen werden‘.“

Die Schleierfahndung der Polizei ging so weit, dass drei freiwillige Mitglieder des „Night Stars“-Teams des Stadtrats von Westminster verhaftet wurden. Sie verteilen, vom Innenministerium finanziert, Alarmpfeifen an gefährdete Frauen, damit diese sich vor Vergewaltigungen schützen können – und wurden verhaftet, weil sie diese bei sich hatten. Die Freiwilligen wurden am Samstag um 2 Uhr morgens wegen des Verdachts einer Verschwörung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet und 14 Stunden lang festgehalten. Die Met behauptete, sie habe „Informationen erhalten, die darauf hindeuteten, dass Gruppen und Individuen versuchen, mit Vergewaltigungsalarmen die heutige Prozession zu stören.“

Der Public Order Act ist eines der drakonischsten Gesetze in der britischen Geschichte, da es das Recht auf Protest faktisch abschafft und gegen Streiks noch rigoroser vorgeht. Proteste gelten als illegal, wenn sie „ernsthafte Störungen für zwei oder mehr Personen oder eine Organisation“ verursachen. Unter „ernsthafte Störung“ fällt bereits „Lärm“.

Das Innenministerium erklärte letzte Woche, das Gesetz würde „die Befugnis der Polizei stärken, wirkungsvoller auf störende und gefährliche Proteste zu reagieren.“ Es stellte fest: „Die folgenden Maßnahmen der Public Order Bill werden am 3. Mai 2023 in Kraft treten. Die Definition von ernsthafter Störung im Public Order Bill: sich befestigen, Ausrüstung zum Befestigen mit sich führen, Störung wichtiger nationaler Infrastruktur, Änderung des Dienstgrads von Polizeibeamten in London, die Bedingungen für bevorstehende Proteste festlegen oder eine unbefugte Versammlung verbieten dürfen, um denjenigen zu entsprechen, die für Einsatzkräfte außerhalb von London gelten.“

Die Polizei darf Demonstranten anhalten und durchsuchen, wenn sie den Verdacht hat, dass sie Störungen verursachen wollen. Für das Blockieren von Straßen, Flughäfen und Eisenbahnlinien droht eine Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten. Für das Befestigen an anderen Personen, Objekten oder Gebäuden droht eine Haftstrafe von sechs Monaten und eine unbegrenzte Geldstrafe.

Einer der Organisatoren von Republic erklärte: „Wir hatten eine Ladung Plakate für die Protestveranstaltung bei uns, und die taktische Unterstützungseinheit fragte uns, wie wir durch die Straßensperren gekommen sind. Sie fragten uns, ob wir etwas ausliefern. Dann sagten sie, sie hätten Beweise dafür gefunden, dass wir uns befestigen wollen, Dinge mit denen man sich befestigen kann, und dann haben sie uns verhaftet.“

Die Repression fand im Rahmen einer groß angelegten Abriegelung der Hauptstadt durch 11.500 Beamte der Metropolitian Police statt, die den Codenamen Operation Golden Orb trug. 9.000 Mitglieder der britischen Streitkräfte befanden sich in London, 2.000 davon im aktiven Dienst, der Rest in zeremoniellem Einsatz.

Zusätzlich legte die HMS Diamond, ein Zerstörer des Typs 45, in Greenwich an der Themse an. Die Royal Navy erklärte, er sei dort stationiert, um „die Krönung zu feiern“. Allerdings berichtete die Sun: „Laut Informationen der Marine könnte man die Luftabwehrsysteme des Schiffs mit einem ,Knopfdruck‘ aktivieren.“ Das Schiff kann 16 Raketen zur gleichen Zeit auf ihre Ziele abfeuern.

Die Unterdrückung von Protesten, und seien sie noch so klein, verdeutlicht die Krise und die Angst der herrschenden Elite und den endgültigen Niedergang eines Systems, an dessen Spitze eine reaktionäre mittelalterliche Monarchie mit ihren lächerlichen Zeremonien, Kronen und Kostümen steht – eine Ansammlung von jahrhundertealtem mittelalterlichem Plunder. Sie betrachten jeden Protest als Bedrohung von unten.

Mehrere Kommentatoren wiesen darauf hin, dass die Krönung die Existenz von zwei Großbritannien verdeutlicht, die von Klassengegensätzen zerrissen werden. Kein Geringerer als die Financial Times warnte in einer Kolumne von Henry Mance, es sei trotz des Interesses einer monarchistischen Wählerschaft an dem „prächtigen und seltsamen Ritual... falsch zu sagen, dass die britische Öffentlichkeit von der Krönung ergriffen war. Laut einer Umfrage halten zwei Fünftel sie für eine Verschwendung von Steuergeldern. Laut einer anderen Umfrage waren zwei Drittel nicht sehr oder gar nicht daran interessiert. ... Ganz Großbritannien, ganz zu schweigen vom Commonwealth, konnte nichts mit der Krönung anfangen. Großbritannien ist nicht nur der Glanz der Kugel, sondern auch der düstere Himmel draußen. Es sind nicht nur die Fahnen schwenkenden Getreuen im Einkaufszentrum, sondern auch die republikanischen Demonstranten, die auf dem Trafalgar Square verhaftet wurden. Es sind nicht nur die Millionen, die an den Fernsehschirmen saßen, sondern auch die Millionen, die sich mehr für das Fußballspiel am Nachmittag interessierten.“

Die Krönung hat gezeigt, dass die „älteste Demokratie der Welt“ nur noch dem Namen nach eine Demokratie ist. Dass Proteste gegen dieses System jetzt verboten sind, entlarvt eindeutig alle Lügen, dass der Krieg der Nato gegen Russland zur Verteidigung der Demokratie geführt wird.

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