Imperialistische Offensive in Afrika

Scholz besucht Ostafrika und schickt Bundeswehr in den Niger

Der deutsche Imperialismus spielt nicht nur eine führende Rolle bei der Nato-Kriegseskalation gegen Russland in der Ukraine. Auch Afrika rückt zunehmend in den Fokus. Die Ampelkoalition verfolgt aggressiv das Ziel, den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss Berlins auf dem rohstoffreichen Kontinent zu erhöhen.

Ende vergangener Woche besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern Äthiopien und Kenia. Es war bereits die zweite Afrika-Reise des Kanzlers. Im vergangenen Mai hatte er den Senegal, Niger und Südafrika besucht. Parallel dazu entwickelt Deutschland seine militärische Präsenz. Wenige Tage vor Scholz’ Abflug brachte der Bundestag einen neuen Einsatz der Bundeswehr in Niger auf den Weg.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Kenias Präsident William Ruto während eines Besuchs des State House in Nairobi am 5. Mai [AP Photo/Khalil Senosi]

Bei der Offensive geht es nicht, wie die offizielle Propaganda erklärt, um den „Kampf gegen Terrorismus“ oder gar „Menschenrechte“ und „Demokratie“. Es geht wie in der Vergangenheit um geostrategische und wirtschaftliche Interessen. Ende des 19. Jahrhunderts beanspruchte der deutsche Imperialismus unter Kaiser Wilhelm II. einen „Platz an der Sonne“ und meinte damit vor allem den Erwerb von Kolonien in Afrika. Für die deutschen Großmachtbestrebungen im 21. Jahrhundert spielt der Kontinent erneut eine herausragende Rolle.

Auf einer Pressekonferenz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba erklärte Scholz: „Wir müssen uns einstellen auf eine Welt, die multipolar sein wird und in der viele Länder des globalen Südens eine große Bedeutung bekommen werden... Afrika ist für uns in Deutschland, ist für uns in Europa von zentraler Bedeutung.“ Es sei Teil deshalb „einer langfristig angelegten politischen Entscheidung, dass ich jetzt erneut hier in Afrika mit Staats- und Regierungschefs spreche.“

Scholz’ gesamte Reise machte deutlich, um was es dabei geht. Berlin versucht sich im Wettlauf mit den anderen Großmächten – allen voran Russland und China, aber auch seinen imperialistischen Verbündeten – den Zugang zu afrikanischer Energie und Rohstoffen und lukrativen Absatzmärkten und billigen Arbeitskräften zu sichern.

Kommentare in den Medien sprechen dies offen aus. Unter der Überschrift „Den Rückstand in Afrika aufholen“ lobte etwa tagesschau.de die zunehmende deutsche Präsenz in Afrika. Man brauche den Kontinent „politisch“. Im Ukraine-Konflikt etwa hätten „viele afrikanische Länder ein Problem, sich eindeutig gegen Russland zu stellen.“

Vor allem aber treibe „das Thema Wirtschaft die Besucherfrequenz nach oben“. In vielen Ländern wachse der Mittelstand, und damit wüchsen die Absatzmärkte. Zudem fänden sich für den „nachhaltigen, ‚grünen‘ Umbau der westlichen Industrien… auf dem Kontinent wichtige Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium.“ Dies sei auch „wichtig, wenn die Abhängigkeit der Industrien von China oder Russland verringert werden soll“.

Vor Ort arbeiteten Scholz und sein Tross an dieser Agenda. Deutschland wolle „verstärkt reguläre, legale Zuwanderungsmöglichkeiten für jene schaffen, die in Deutschland arbeiten wollen, und gleichzeitig wollen wir irreguläre Migration zurückdrängen“, erklärte der Kanzler auf einer Pressekonferenz mit dem kenianischen Präsidenten William Ruto in Nairobi. Man sehe „in Kenia ein großes Potenzial für die Fachkräftemigration in vielen Bereichen unserer Wirtschaft“.

Auch in Fragen der Energie gilt Kenia als wichtiger Partner. Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten investiert Berlin durch Institutionen wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Energie-Projekte. Unter anderem war es am Aufbau der weltweit größten Geothermieanlage Olkaria beteiligt, die Scholz gemeinsam mit Ruto besuchte. Nun plant die Bundesregierung in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Kenia zu investieren.

Ruto warb für weitere deutsche Investitionen. Kenia habe bereits „Fortschritte in Bezug auf die Wirtschaft gemacht, sodass deutschen Investoren eine höhere Attraktivität geboten werden“ könne. Das Investitionspotenzial sei „riesig“ und er wolle „auch auf den geostrategischen Vorteil hinweisen“, den Kenia „als Energiehub für Investitionen auf dem Kontinent“ darstelle. Er verspreche der deutschen Wirtschaftsdelegation, weitere „Anreize“ zu schaffen, „damit Sie erfolgreich in große Potenziale in unserem Land investieren können“.

Was das heißt, ist klar. Um ausländische Investitionen anzuziehen, wird die herrschende Kapitalistenklasse in Kenia die Angriffe auf die verarmten und hungernden Massen weiter verschärfen. Im März untersagte Ruto die ersten Massenproteste der Opposition gegen seine Regierung. Er mobilisierte 5.000 schwer bewaffnete Polizeibeamte und die berüchtigte paramilitärische General Service Unit (GSU), die mit Tränengas gegen Demonstranten vorgingen und Dutzende – darunter auch zahlreiche Abgeordnete – festnahmen.

Wenn Scholz von den Regimes in Kenia und Äthiopien als Garanten für „Stabilität“ und „Frieden“ in der Region spricht, ist das der pure Hohn. Tatsächlich geht es um die Unterdrückung der wachsenden sozialen und politischen Opposition unter Arbeiter und Jugendlichen und die notfalls gewaltsame „Befriedung“ von Konflikten.

Ruto, der seine Karriere unter Kenias Langzeitdiktator Daniel arap Moi begann, wurde 2011 vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt. Den Haag warf ihm vor, im Zuge der politischen Unruhen in Kenia 2007/08 zu Mord, Vertreibung und Verfolgung angestiftet zu haben. Laut der Anklageschrift des IStGH wurden dabei über 1.100 Personen getötet und über eine halbe Million Personen gewaltsam vertrieben.

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed, den Scholz in Nairobi umgarnte, stellt Ruto sogar noch in den Schatten. Zwischen 2020 und 2022 ertränkte die äthiopische Armee unter seiner Führung den Tigray-Konflikt in einem Blutbad. Schätzungen zufolge wurden etwa 500.000 Menschen getötet und mindestens zwei Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Ahmeds Einheiten werden massive Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen – darunter die Vergewaltigung von 22.500 tigrayischen Frauen gleich zu Beginn des Konflikts.

Dass der deutsche Imperialismus seine räuberischen Interessen in Afrika nicht nur mittels seiner Statthalter gewaltsam durchsetzt, verdeutlicht die dauerhafte Präsenz der Bundeswehr auf dem Kontinent. Am 28. April beschloss die Ampelkoalition mit den Stimmen von CDU/CSU einen neuen Militäreinsatz im Niger. Ende Mai soll der vor rund zehn Jahren begonnene Bundeswehreinsatz im benachbarten Mali ein letztes Mal um ein Jahr verlängert werden.

Als Grund für die Verlagerung des Schwerpunkts in den Niger führt die Bundesregierung den wachsenden Einfluss Russlands in Mali und Verbrechen der malischen Streitkräfte an. Fakt ist, dass die westlichen Besatzungstruppen in der Bevölkerung verhasst sind. Im letzten Jahr hatte sich bereits die frühere Kolonialmacht Frankreich gezwungen gesehen, ihre Kampftruppen aus Mali abzuziehen und ebenfalls teilweise in den Niger zu verlagern.

Die Verweise deutscher Politiker auf malische und russische Kriegsverbrechen sollen dabei auch den Charakter der eigenen Intervention verschleiern. Tatsächlich werden die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung von derselben malischen Armee begangen, die die Bundeswehr seit etwa zehn Jahren ausgebildet hat. Die imperialistischen Besatzungstruppen sind an den Verbrechen direkt oder indirekt beteiligt und bringen der gesamten Region nichts als Krieg und Terror.

Der Einsatz im Niger, der zunächst die Stationierung von etwa 60 Bundeswehrsoldaten vorsieht, ist dabei nur der Auftakt für ein immer aggressiveres und umfassenderes militärisches Auftreten Deutschlands.

„Auch im Sahel, in ganz Afrika ist das geostrategische, das sicherheitspolitische Umfeld rauer geworden“, konstatierte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei der Debatte über den Einsatz im Bundestag. Der Sahel sei und bleibe „strategisch relevant, gerade auch angesichts der russischen Präsenz in der Region“. Es werde „immer wichtiger, dass wir in der Region vertreten sind, dass wir engagiert bleiben und zeigen: Wir sind da“. Dazu gehöre, „Präsenz zu zeigen, auch militärisch.“

Offiziell dient der Einsatz im Niger dem „Kapazitätsaufbau der nigrischen Streitkräfte“ im Rahmen einer von der Europäischen Union „geführten militärischen Partnerschaftsmission“ (EU Military Partnership Mission in Niger – EUMPM Niger). Dahinter verbirgt sich der Anspruch des deutschen Imperialismus, die nigrische Armee in eine schlagkräftige Stellvertreterarmee zu verwandeln, die die Interessen des deutschen und europäischen Imperialismus in der Region durchsetzt.

Der Niger wolle „unter anderem seine Streitkräfte bis 2025 verdoppeln, von 25.000 auf 50.000 Mann“, lobte Pistorius. „Damit das Land das schaffen kann“, brauche „es die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft.“ Der sozialdemokratische Verteidigungsminister sieht die Bundeswehr dabei in der Führungsrolle. „Der deutsche Beitrag“ zu EUMPM Niger umfasse „vor allem die Beteiligung – das ist auch zu unterstreichen – an den Führungsstrukturen der Mission vor Ort.“

Der verabschiedete Mandatstext sieht explizit die zukünftige Ausweitung des Einsatzes vor. Unter anderem heißt es darin: „Weitere Ertüchtigungsprojekte zur Unterstützung des zivilen und militärischen Sicherheitskräfteaufwuchses in der Republik Niger sind für die kommenden Jahre geplant.“

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