Nach Protesten: Antikriegs-Veranstaltung der IYSSE an der Uni Frankfurt findet statt

Die Antikriegsveranstaltung der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) an der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität wird wie geplant am morgigen Freitag um 18:30 Uhr im ESG-Saal auf dem Campus Westend, Siolistr. 7 (Haus 3) stattfinden. Dies bestätigte Anke Spory von der Geschäftsführung der Evangelischen Studierendengemeinde Frankfurt (ESG) am Mittwoch, nachdem die Gemeinde Ende vergangener Woche zunächst gedroht hatte, die IYSSE-Veranstaltung abzusagen und den dafür angemieteten Saal rechtswidrig zu kündigen.

Mit ihrem Rückzug reagierte die ESG auf einen Sturm der Entrüstung über diesen Akt politischer Zensur. In ihrer E-Mail hatte die kirchliche Studierendenorganisation ihr antidemokratisches Vorgehen unter anderem damit gerechtfertigt, dass die Opposition der IYSSE gegen die Militarisierung der Universitäten mit ihren Prinzipien unvereinbar sei. Die IYSSE hatten darauf mit der Veröffentlichung eines Flugblatts reagiert, das die politische Bedeutung dieses Angriffs genau erklärte und Leserinnen und Leser aufrief, gegen das Vorgehen der ESG zu protestieren.

Allein auf dem Campus der Frankfurter Universität wurde dieses Flugblatt tausendfach verteilt und mit Studierenden diskutiert. Mitglieder der IYSSE hielten außerdem Kurzpräsentationen vor verschiedenen Grundlagenvorlesungen mit hunderten Teilnehmern, in denen sie für die Veranstaltung warben und unter Beifall die internationalistische Perspektive der sozialistischen Jugendbewegung gegen den Ukrainekrieg erläuterten.

IYSSE-Kurzpräsentation an der Goethe-Universität Frankfurt

Neben der reaktionären Rolle der russischen Intervention in der Ukraine kritisierten viele Studierende im Gespräch mit den IYSSE-Mitgliedern die Kriegspolitik der Nato und der Vereinigten Staaten der letzten Jahrzehnte. Die beispiellose Aufrüstung der Bundeswehr wurde von der überwältigenden Mehrheit der Befragten abgelehnt. Auf besonderes Interesse stieß die Analyse der IYSSE über die imperialistischen Kriegsziele, die die deutsche Elite im Ukrainekrieg verfolgt. „Ihr solltet auf jeden Fall eure Veranstaltung halten“, war der Tenor.

Auf den Versuch der ESG, die Veranstaltung der IYSSE gegen den Ukrainekrieg zu zensieren, reagierten viele Studierende und Anwohner empört. Ein älterer Mitarbeiter der Universität verwies auf die studentischen Aufstände und Massenproteste, die sich Ende der 1960er Jahre in Deutschland und Europa gegen die antidemokratische und militaristische Tradition der Universitäten entwickelt hatten. Mit ihrem Versuch, Gegner des Militarismus und Faschismus vom Campus zu verbannen, stelle sich die ESG auf die Seite der herrschenden Klasse.

Religionslehrer Thomas B., erinnert in seiner Mail an den Theologen Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis ermordet wurde und fordert, dass „friedenspolitische Aktivitäten“ einen „festen Platz“ in Kirche wie Gesellschaft haben müssen: „Was mich stark beunruhigt, ist die Tatsache, dass seit mindestens einem Jahr alle Aktivitäten gegen Rüstung, Waffenlieferungen und Kriegsbeteiligung regelrecht unterdrückt und verfolgt werden... Die Begründung der ESG für die Absage der Räumlichkeiten kann ich nicht nachvollziehen.“

Nadine H. schreibt: „Sie glauben nicht an die ‚Diskursfähigkeit‘ junger Menschen, die zu politischen Auseinandersetzungen in einem öffentlich-wissenschaftlichen Kontext einladen? Sie selbst bedrohen diesen ausgesprochenen Grundsatz, indem Sie diskriminierend tätig sind. Sie führen damit eine antidemokratische Zensur durch! Wenn der akademisch-politische Diskurs dort aufhören muss, wo das individuell moralische Denken endet, dann sind Sie es, die nicht mehr von Freiheit sprechen dürfen.“

Auch aus anderen Ländern wurden zahlreiche Protestnoten versandt. Harvey Lichtman schreibt aus den USA: „Da ich vierundzwanzig Jahre lang an New Yorker Schulen Geschichte unterrichtet habe und die Familie meiner Mutter mit ihren acht Brüdern und Schwestern, jeweils mit Ehepartnern und Kindern, vom deutschen Militär in Auschwitz ermordet wurde, kann ich diesen politischen Angriff auf die demokratische Diskussion nur als einen historisch abstoßenden Akt betrachten, zumal jetzt wieder deutsche Leopard-Panzer in die Ukraine Richtung Russland rollen.“

Einige der dutzenden Protestmails, die bis Redaktionsschluss eingegangen sind, finden sich hier.

„Ich denke, dass eure Veranstaltung gegen den Krieg in der Ukraine wirklich sehr wichtig ist“, sagt Justine, die aus Frankreich kommt und vor Kurzem ein Studium an der Goethe-Universität begonnen hat und mit den IYSSE auf dem Campus spricht. „In der französischen Politik gibt es keine Kritik an dem Krieg, niemand spricht darüber. Besonders schlimm ist, dass alle ‚linken‘ Parteien darüber schweigen. Ich finde das erschreckend.“

Justine fährt fort: „Gestern habe ich die Bilder der neuen Kampagne der Bundeswehr gesehen, auf denen steht, dass Deutschland ‚wieder Stärke zeigen‘ soll. Was meinen sie, wenn sie ‚wieder‘ sagen? Ich habe das Foto sofort an alle meine Freunde geschickt, weil ich denke, dass es nie wieder zu einem Krieg kommen darf.“

Die Veranstaltungsreihe „Wie der Ukrainekrieg gestoppt werden kann“ wird fortgesetzt. Am heutigen Donnerstag um 18:30 Uhr veranstalten die IYSSE ein Treffen an der Bochumer Ruhr-Universität im Hörsaal HZO 80, Hörsaalzentrum Ost (HZO), Universitätsstraße 150, 44801 Bochum. Morgen findet das Treffen auf dem Campus Westend statt, Siolistr. 7 (Haus 3), 60323 Frankfurt.

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