Überschwemmungen und Erdrutsche in Italien: eine menschengemachte Katastrophe

In der Emilia-Romagna hält der Notstand nach den schweren Überschwemmungen der vergangenen Woche weiter an. Die Katastrophe ist eine erneute deutliche Warnung vor den klimabedingten Zerstörungen, die letztlich menschengemacht und eine Folge der kapitalistischen Wirtschaft sind.

Überschwemmte Felder in der Emilia Romagna [Photo by Dipartimento Protezione Civile / flickr / CC BY 2.0]

Nur sehr langsam zieht sich das Wasser von den überschwemmten Dörfern und Feldern im Hinterland des Adria-Küstenstreifens zurück. In der betroffenen Gegend, die von Ravenna und Cesena bis Bologna reicht, haben 14 Menschen die Katastrophe nicht überlebt. Mehr als 36.000 mussten ihre Häuser verlassen, allein über 20.000 in der Gegend von Rimini, und Tausende sitzen noch immer in Notquartieren, da ihre Häuser und Wohnungen zerstört sind. Zahlreiche Straßen und Zugstrecken sind nach wie vor unpassierbar, da 22 Flüsse über die Ufer traten und nicht weniger als 300 Erdrutsche niedergingen.

In den letzten Tagen hat sich das Unwetter weiter ausgebreitet. Am letzten Wochenende galt auch in anderen italienischen Regionen die Alarmstufe Rot. Auf Sizilien und in Kalabrien kam es infolge des Starkregens zu Überflutungen. In Reggio Calabria kam noch starker Wind hinzu, so dass ein Mann durch einen umstürzenden Baum erschlagen wurde. Auch im norditalienischen Piemont, wo der Po Hochwasser führt, mussten Fluss-nahe Straßen in Turin gesperrt werden.

In der Emilia-Romagna und den angrenzenden Marken hat das Jahrhunderthochwasser die Getreide-, Obst und Gemüseernte vernichtet. Ganze Plantagen mit Erdbeeren, Aprikosen, Äpfeln oder Pfirsichen sind völlig verschlammt und verwüstet. Auch tausende Rinder, Schweine und Schafe sind ertrunken. Viele Bauernhöfe sind durch Erdrutsche komplett abgeschnitten.

Hinzu kommt ein gesteigertes Infektionsrisiko durch verseuchtes Trinkwasser. Wie die italienische Gesellschaft für Umweltmedizin warnt, sind an mehreren Orten die Abwässer übergelaufen, und besonders ältere Menschen und Kinder sind von Magen-Darm-Infektionen, Hauterkrankungen und Bindehautentzündungen bedroht. Den Einwohnern wurde empfohlen, sich durch eine Tetanus-Impfung zu schützen.

An der Adria, von Ravenna bis Rimini, sollte in diesen Tagen eigentlich die Urlaubssaison beginnen. Seit mehr als 120 Jahren lebt die Küstenregion vom Tourismus, seitdem das Strandbad Rimini Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Eisenbahnstrecke Mailand-Ancona, die hier das Meer erreicht, entstanden ist. Aber kurz vor Pfingsten haben die Sturmfluten jetzt die Strände überspült, verwüstet und teilweise weggerissen. Zehntausende Kubikmeter Sand sind zusammen mit Kabinen, Liegen und Sonnenschirmen weggeschwemmt worden. Die Pumpen laufen Tag und Nacht, um die Keller der Hotels und Restaurants freizubekommen.

Tourismusministerin Daniela Santanché, selbst Unternehmerin und Mitglied der rechtsradikalen Partei La Destra–Fiamma Tricolore, wusste nichts Besseres, als Italiener und internationale Gäste aufzurufen, sie sollten ihren Urlaub trotz der Schäden an der Adria verbringen.

Am Donnerstag besuchte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gemeinsam mit der neofaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni die betroffene Region. „Europa ist bei euch“, erklärte von der Leyen anschließend am Flughafen von Bologna. Sie prahlte mit den Pumpanlagen, die der EU-Katastrophenschutz Italien zur Verfügung gestellt hatte, und kündigte Hilfen aus dem EU-Katastrophenschutzfonds an.

Giorgia Meloni, die der neofaschistischen Partei Fratelli d’Italia angehört, hatte den G7-Gipfel in Hiroshima vorzeitig verlassen, als das Ausmaß der Katastrophe bekannt wurde. Gemeinsam mit dem langjährigen Präsidenten der Region Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini (PD), stapfte Meloni dann in Regenstiefeln durch das Gebiet, vergoss Krokodilstränen und versprach der Region zwei Milliarden Euro Finanzhilfen, die der Ministerrat zugesagt hat.

Alle Versprechungen, die Meloni, von der Leyen und andere jetzt machen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sämtliche kapitalistischen Regierungspolitiker, egal welcher Couleur, sich als unfähig und unwillig erwiesen haben, die sinnvollen und notwendigen Maßnahmen gegen eine derartige Katastrophe rechtzeitig zu ergreifen.

Dies gilt auch für den Regionalpräsidenten Bonaccini, der als „links“ gilt und früher der PCI, der Kommunistischen Partei Italiens, angehört hatte. In der Emilia-Romagna haben die angeblich „Linken“, die Demokraten (PD) und vorher die PCI, seit 78 Jahren die Regierung gestellt. Sie haben genau so wenig das Notwendige unternommen, um Überschwemmungen, Erdrutschen und andere Katastrophen vorzubeugen.

Besonders in den Tourismushochburgen in Küstennähe wurden die Böden großflächig zubetoniert und die Flüsse begradigt. In den Bergen dahinter wurden die Wälder abgeholzt und die Infrastruktur insgesamt seit Jahrzehnten vernachlässigt. Lange überfällige Dammarbeiten wurden verzögert und notwendige Rückhaltegebiete und andere Projekte auf die lange Bank geschoben.

Politico erinnert an ein 8,4 Milliarden Euro schweres Hochwasserschutz-Programm, das der damalige Regierungschef Matteo Renzi im Jahr 2014 aufgesetzt hatte: Es wurde praktisch nicht genutzt, da mehrere Regierungen das Geld einfach auf andere, scheinbar dringendere Fonds umlenkten.

Italien ist besonders für Umweltkatastrophen anfällig. Laut einem Bericht des nationalen Umweltschutzinstituts ISPRA aus dem Jahr 2021 haben 94 Prozent seiner Kommunen ein Risiko, von Erdrutschen, Erdbeben, Hochwasser oder Flutwellen betroffen zu werden. In gefährdeter Lage befinden sich nicht weniger als 8 Millionen Einwohner. Das Dokument listet mehr als 11.200 Projekte auf, für die in den letzten 20 Jahren über 10 Milliarden Euro bereitgestellt wurden, von denen jedoch nicht einmal die Hälfte auch wirklich umgesetzt worden sind und nur ein Drittel der Gelder tatsächlich auf Umweltprojekte verwendet wurden.

Korruption, Gier und Gleichgültigkeit zählen zu den Ursachen der Katastrophe, vor der Wissenschaftler und Forscher seit langem gewarnt hatten. Und zur Vernachlässigung der Infrastruktur kommt die völlige Gleichgültigkeit hinzu, mit der die kapitalistischen Regierungspolitiker dem Klimawandel begegnen.

Der Klimawandel hat das jüngste Umweltgeschehen in Italien klar begünstigt, wie das klimapolitische Institut des europäischen Mittelmeeres, das Centro Euro-Mediterraneo sui Cambiamenti Climatici (cmcc), jetzt bestätigt hat. In den letzten zwei Jahren hatten die hohen Temperaturen bei ausbleibendem Niederschlag zu ungewöhnlicher Trockenheit und Dürre geführt. Dies verringerte in der Folge die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen, und verstärkte die Bildung von Rissen. Die ersten schweren Regenfälle Anfang Mai hatten dann die oberen Erdschichten gesättigt und ideale Bedingungen für Erdrutsche geschaffen. Daraufhin brauchte es nur noch neue, starke Regenfälle, wie sie in der dritten Maiwoche einsetzten, um in der ganzen Region eine Katastrophe anzurichten.

Die Überschwemmungen und Erdrutsche in der Emilia-Romagna sind nur die jüngsten von zahlreichen Naturkatastrophen in den letzten Jahren in Italien. Sie sind Vorboten dessen, was bei weiterer Erderwärmung alles passieren wird. Gerade durch die langen und dicht besiedelten Küstenstreifen ist Italien besonders gefährdet, wie allein das Beispiel der Lagunenstadt Venedig anschaulich zeigt.

Die Kapitalistenklasse ist nicht in der Lage, die Klimakrise zu lösen, und jede neue, immer schlimmere Katastrophe zeigt nur immer deutlicher, was dieses Wirtschaftssystem für die Gesellschaft bedeutet. Notwendig ist eine revolutionäre Umgestaltung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse. Das Prinzip des privaten Profitstrebens, das derzeit alles beherrscht, muss durch international koordinierte, sozialistische Planung ersetzt werden.

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