Konferenz „Gewerkschaftliche Erneuerung“ verteidigt die Gewerkschaftsbürokratie

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei veranstaltete vom 12. bis 14. Mai ihre inzwischen fünfte Konferenz zum Thema „Gewerkschaftliche Erneuerung“. Rund 1500 Gewerkschaftsfunktionäre und Vertreter der Linkspartei sowie zahlreicher pseudolinker Organisationen versammelten sich in der Ruhr-Universität Bochum zu mehreren Podiumsdiskussionen, 25 Arbeitsgruppen und unzähligen Workshops.

Die Konferenz fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem immer mehr Arbeiter mit den Gewerkschaften in Konflikt geraten und versuchen, sich aus ihrem Würgegriff zu befreien, um für ihre Interessen zu kämpfen.

Streikende Erzieherinnen und Pflegerinnen in Stuttgart (Mai 2023)

Die einstigen reformistischen Arbeiterorganisationen haben längst aufgehört, die Interessen der Arbeiter zu vertreten. Die gutbezahlten Gewerkschaftsbürokraten arbeiten in den Aufsichtsräten, den Mitbestimmungsgremien und der Konzertierten Aktion eng mit Regierung und Unternehmen zusammen, um Arbeitsplätze abzubauen und Löhne zu senken. Die Hartz-Gesetze, die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und die Zerstörung hunderttausender Arbeitsplätze in der Stahlindustrie, in Krankenhäusern und Schulen wären ohne ihre tatkräftige Unterstützung nicht möglich gewesen.

Mit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg hat die Verwandlung der Gewerkschaften in eine Polizei der Konzerne und der Regierung ein neues Stadium erreicht. Die Gewerkschaftsführer unterstützen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung und tun alles, um seine gigantischen Kosten auf die Arbeiter abzuwälzen. Sie vereinbaren – wie bei der Post und im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen – Tarifverträge, die die Realeinkommen angesichts der horrenden Preissteigerungen innerhalb weniger Jahre um 20, 30 oder sogar 50 Prozent senken.

Die Konferenz in Bochum diente dazu, dies zu rechtfertigen und eine Rebellion von unten zu verhindern. Sie hatte die Aufgabe, Bündnisse gegen die Arbeiter zu schmieden („sich zu vernetzen“) sowie die Mechanismen und Argumente auszuarbeiten, mit denen die Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen gerechtfertigt und durchgesetzt werden.

Wären die Organisatoren ehrlich gewesen, hätten sie den Kongress nicht „Erneuerung der Gewerkschaften“, sondern „Verteidigung der Gewerkschaftsapparate“ genannt. Der Kongress hat gezeigt, dass das pseudolinke Geschwätz über „gewerkschaftliche Erneuerung“ – also die Reform der Gewerkschaften im Interesse der Mitglieder – in Wirklichkeit der Verteidigung der reaktionären Politik der Gewerkschaften dient.

Ranghohe Vertreter der Gewerkschaftsbürokratie wurden auf dem Kongress mit offenen Armen empfangen. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, hielt ein Grundsatzreferat zur „Gewerkschaftspolitik in der Polykrise des Kapitalismus“. Christine Behle, stellvertretende Verdi-Vorsitzende und verantwortlich für die gegenwärtigen Reallohnsenkungen im öffentlichen Dienst, diskutierte mit Felicitas Heinisch von „Fridays for Future“ und der Linken-Vorsitzenden Janine Wissler über „Transformation und Verkehrswende solidarisch gestalten“, d.h. über die von der IG Metall mitorganisierte Arbeitsplatzvernichtung in der Autoindustrie.

Heinz Bierbaum, Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung, lobte vor der Konferenz die Rolle von Verdi bei der Post und im öffentlichen Dienst: „Besonders bemerkenswert war der Arbeitskampf bei der Post. Hier kam es auch zur Urabstimmung, in der eine überwältigende Mehrheit für einen unbefristeten Streik stimmte.“ Bierbaum „vergaß“ zu erwähnen, dass sich Verdi über das Votum der Mitgliedschaft hinwegsetzte und Reallohnsenkungen erzwang. Stattdessen schreibt er: „Die Resultate, die bislang in den Tarifrunden erreicht wurden, können sich sehen lassen.“

Dass die Konferenz feindlich auf die Interessen ausgebeuteter Arbeiter reagiert, belegte exemplarisch der erfolglose Versuch zweier bulgarischer Arbeitsmigranten, für ihre Anliegen zu werben. Sie setzen sich für die Aufklärung des Tods des 26-jährigen Leiharbeiters Refat Süleyman ein, der im letzten Jahr auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp Stahl in Duisburg unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben kam. Ihr Wunsch wurde von den Veranstaltern schroff zurückgewiesen, auch aus dem Kreis der Teilnehmenden gab es keine Unterstützung. Wir berichten darüber in einem gesonderten Artikel.

Auch Fanny Zeise, „Referentin Gewerkschaftliche Erneuerung“ bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, betonte in jedem ihrer Statements und Interviews, dass es das Ziel der Konferenz sei, in den sich anbahnenden stürmischen Zeiten den Gewerkschaftsapparat gegen die Opposition der Arbeiterklasse zu stärken. „Zu den Erfolgsrezepten der Konferenzen gehört, dass sie nicht ideologisch-programmatische Fragen zum Ausgangspunkt nehmen,“ schreibt sie. Wichtig sei, „dass kritische Positionen nicht sektiererisch und rückwärtsgewandt, sondern solidarisch, vorwärtsgewandt und im Sinne einer Stärkung der Gewerkschaften formuliert werden“.

Die Gewerkschaftskonferenzen der Linkspartei gehen auf Bernd Riexinger zurück, ehemaliger Verdi-Funktionär und früherer Ko-Vorsitzender der Linkspartei. Schon die erste Konferenz, die 2013 in Stuttgart abgehalten wurde, hatte das Ziel, den Gewerkschaftsapparat gegen die Beschäftigten zu stärken.

Damals hatte der altgediente Gewerkschaftsbürokrat Uwe Meinhardt die Konferenz eröffnet. Er war Erster Bevollmächtigter der IG-Metall Stuttgart und ist heute Leiter für Grundsatzfragen im Vorstand der IG Metall. Meinhardt hatte betont, dass Streiks das Monopol der Gewerkschaften bleiben müssen. Jede unabhängige Bewegung der Arbeiter sei illegitim. Sie könnten nicht darüber bestimmen, ob ein Streik richtig oder falsch sei.

Das ist auch heute der Standpunkt der Gewerkschaften. Bei der Post hat sich Verdi über das Votum von 100.000 Mitgliedern hinweggesetzt, die für Streik stimmten. Stattdessen beschlossen eine Handvoll Funktionäre der Tarifkommission Reallohnsenkungen, die von der Mehrheit der Beschäftigten abgelehnt werden.

Die pseudolinken Gruppen, die satellitengleich um die Linkspartei kreisen und auf der Konferenz vertreten waren, bejubelten die Manöver der Bürokratie.

Die Internationale Sozialistische Organisation (ISO) berichtete über „bewegende Momente“. Begeistert schilderte sie einen „BR-Kollegen mit seiner Gruppe von der EVG, der am Sonntag, also nach dem unsäglichen Vergleich zur Absage des Streiks, in den Saal rief, dass die EVG von der Sozialpartnerschaft Abschied genommen habe“. Die „Sozialistische Alternative Voran“ (SAV) jubelte: „Als [IGM-Vorstand] Urban von der Notwendigkeit der Perspektive eines internationalistischen Sozialismus sprach, tobte das Auditorium von lautem Beifall.“

Diese Lobhudelei ist absurd. Die EVG dient der Bahn seit Jahrzehnten als Hausgewerkschaft, Urban ist ein eingefleischter IG-Metall-Apparatschik. Die EVG, die IG Metall, die IG BCE und Verdi sind über tausende Verbindungen mit den Konzernen und der Regierung verbunden und setzen deren Vorgaben brutal gegen die Arbeiter durch.

Das gilt auch für ihre pseudolinken Verteidiger, die allesamt den Nato-Krieg gegen Russland, die Aufrüstung des deutschen Imperialismus und die damit einhergehende Kürzungspolitik unterstützen. „Diese Organisationen sind, trotz gelegentlicher Kritik an der Führung, fester Bestandteil der gewerkschaftlichen Apparate“, schrieben wir kürzlich, als diese Gruppen die Abschlüsse bei Post und öffentlichem Dienst verteidigten. Sie setzen alles daran, „die gewerkschaftliche Zwangsjacke fester zu schnüren. Sie fürchten die unabhängige Bewegung der Arbeiter wie der Teufel das Weihwasser.“

Die Gewerkschaften standen seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert auf dem rechten Flügel der Arbeiterbewegung. Mit der Globalisierung der Produktion ab den 1980er Jahren verwandelten sie sich aus reformistischen Arbeiterorganisationen, die im Rahmen des Kapitalismus begrenzte Verbesserungen aushandelten, in Instrumente des Staates und der Konzerne. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter wenden sich seitdem von den Gewerkschaften ab, die sie als „Mafia“ bezeichnen.

Es ist unmöglich, unter den Bedingungen der kapitalistischen Krise und der wachsenden Kriegsgefahr die bürokratischen Apparate wieder in Arbeiterorganisationen zu verwandeln. Die Verteidigung von Arbeiterinteressen verlangt eine Rebellion gegen die Gewerkschaften. Neue Organisationen müssen aufgebaut werden, die von der Basis kontrolliert werden, die Sozialpartnerschaft ablehnen und bereit sind, zu kämpfen.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat deshalb die Initiative ergriffen, Aktionskomitees aufzubauen und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) ins Leben gerufen, um sie international zu vernetzen.

Die Aktionskomitees geben der wachsenden Opposition der Arbeiterklasse gegen die sozialen Angriffe sowie die Eskalation des Kriegs in der Ukraine eine Stimme und eine Perspektive. Sie verbinden die Kämpfe der Arbeiter weltweit über Standorte, Branchen und Länder hinweg. Denn Arbeiter sind überall mit denselben Angriffen der Regierungen und Gewerkschaften konfrontiert. Sie können sich nur verteidigen, indem sie eine europäische und internationale Bewegung gegen die Kürzungs- und Kriegspolitik und für den Sozialismus aufbauen.

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