Der Kampf gegen Macron geht weiter: Streiks in mehreren französischen Industriezweigen

Nach den monatelangen erbitterten Kämpfen von Millionen Arbeitern gegen Präsident Macrons Rentenkürzungen sind die französische Presse und die Gewerkschaftsbürokratien verzweifelt bemüht, den Kampf der Arbeiter gegen Macron und den kapitalistischen Staat als abgeschlossen zu betrachten.

Nach dem 1. Mai haben die Gewerkschaftsbürokratien alle weiteren Aktionen bis zu einem „Tag der Mobilisierung“ gegen Macrons Rentenkürzungen am 6. Juni verschoben. In der Zwischenzeit gingen sie „zur Tagesordnung über“, die darin besteht, mit Macrons Regierung neue Sozialkürzungen auszuhandeln.

Die Stimmung in der Arbeiterklasse könnte nicht unterschiedlicher sein. Nachdem Macron sein Gesetz im März ohne Abstimmung im Parlament durchgesetzt hatte, sprachen sich 62 Prozent der Bevölkerung für einen Generalstreik aus, um die Wirtschaft zum Erliegen und Macron zu Fall zu bringen. An mehr als einem Dutzend Streiktagen demonstrierten Millionen von Arbeitern. Während die Lebenshaltungskosten weiter steigen, ist die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin entschlossen, den „Präsidenten der Reichen“ zu besiegen.

Französische Arbeiter protestieren während des 76. Filmfestivals in Cannes am 21. Mai 2023 gegen Präsident Emmanuel Macrons Angriff auf die Renten. (AP Photo/Daniel Cole) [AP Photo/Daniel Cole]

Die Arbeiter versuchen mit einer Welle von Streiks in mehreren Industriezweigen landesweit den Kampf gegen Macron, die Banken und die Konzerne fortzusetzen. Letzte Woche begannen Postbeschäftigte, Busfahrer, Textilarbeiter und die Beschäftigten von Disneyland Paris zu streiken oder setzten Streiks fort.

Im Disneyland beteiligten sich am 30. Mai laut Angaben der Gewerkschaften zwischen 1.500 und 1.800 Beschäftigte an einem eintägigen Streik.

Die Beschäftigten in Disneyland fordern eine Lohnerhöhung von 200 Euro pro Monat, doppelten Lohn für Sonntagsschichten, eine Überprüfung der Fahrtkostenpauschale und die Abschaffung angepasster Arbeitszeiten (bei denen die Beschäftigten entweder viel kürzere oder längere Schichten als acht Stunden übernehmen müssen). Laut Glassdoor verdienen Kellner, Künstler und Verkäufer in Disneyland Paris etwa 16.000 Euro im Jahr, während der Park im letzten Jahr einen operativen Gewinn von 47 Millionen Euro erzielte.

Bei einem Treffen mit Gewerkschaftsfunktionären am 26. März schlossen Vertreter von Disneyland sämtliche Zugeständnisse aus. Doch ähnlich wie die Gewerkschaften auf nationaler Ebene verfolgten auch die vier Gewerkschaften bei Disneyland Paris (die nationalen Gewerkschaften CGT und UNSA und die lokalen Gewerkschaften SIT77 und SNS) die Taktik, eintägige Demonstrationen zu organisieren, um das Unternehmen zur Fortsetzung der Verhandlungen zu drängen.

Der Streik im Disneyland wurde von der Belegschaft organisiert, bevor die Gewerkschaften mobilisiert wurden, um ihn in weniger bedrohliche Bahnen zu lenken. So erklärte Damien Catel, ein Vertreter der Gewerkschaft SIT77, gegenüber Actu.fr: „Die Bewegung wurde von den Arbeitern ins Leben gerufen und von den Gewerkschaften begleitet, nicht umgekehrt.“

Ahmed Masrour, ein Vertreter der Gewerkschaft UNSA, fügte hinzu, nach der Aktion vom 30. Mai sei „das Management gefordert. Wir warten darauf, dass sie den Dialog wieder aufnehmen, und diesmal mit ernsthaften Vorschlägen.“

In der südfranzösischen Region Aveyron befinden sich die Postbeschäftigten seit dem 31. März in einem unbefristeten Streik gegen die staatseigene Post. Nach einer Umstrukturierung des Postwesens in der Region am 26. April müssen die Beschäftigten längere Touren machen und sind ständig unterbesetzt. Dies hat dazu geführt, dass viele Pakete nicht zugestellt wurden.

Gewerkschaftsvertreter forderten eine Neuorganisation, um die Probleme anzugehen. Allerdings ist klar, dass ohne eine große Mobilisierung der Arbeiterklasse eine solche Organisation zu den Bedingungen der Regierung durchgeführt werden wird: mit Personalabbau, längeren Arbeitszeiten und Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate.

In Toulouse streikten Arbeiter des Verkehrsunternehmens Tisseo vom 30. Mai bis zum 2. Juni. Während der Streiktage wurden zwölf Busrouten nicht befahren, Dutzende weitere nur mit eingeschränktem Betrieb. Auch der Straßenbahnverkehr in Toulouse war erheblich beeinträchtigt. Das Unternehmen hatte den Beschäftigten eine Lohnerhöhung von 2,8 Prozent angeboten, was deutlich unter der jährlichen, im April verzeichneten Inflationsrate von 5,9 Prozent liegt.

Bis Anfang dieses Jahres hatten die Tisseo-Beschäftigten eine Schutzklausel, die im Wesentlichen bedeutete, dass ihre Löhne an die Inflation angepasst wurden. Die Streikenden fordern neben einer Lohnerhöhung auch die Wiedereinführung dieser Klausel.

In Lille streiken im Stadtteil Marquette seit dem 20. März 72 Arbeiter des Kinderbekleidungs-Herstellers Vertbaudet, der im Jahr 2022 einen Gewinn von 27 Millionen Euro gemacht hat. Die Streikenden verdienen nur 1.500 Euro pro Monat, obwohl viele von ihnen mehr als 20 Jahre Betriebszugehörigkeit haben. Ihre Hauptforderungen sind eine Lohnerhöhung von 150 Euro und die Abschaffung von befristeten Arbeitsverhältnissen.

Am 16. Mai wurden die Streikposten an der Vertbaudet-Fabrik von der Polizei angegriffen, zwei Streikende wurden verhaftet, und ein weiterer musste ins Krankenhaus. Das Unternehmen Vertbaudet hat enge Beziehungen zur politischen Elite: Es befindet sich im Besitz einer Holdinggesellschaft, die von Édouard Fillon geleitet wird, dem Sohn des ehemaligen Premierministers François Fillon. Nach dem Angriff der Polizei wurde ein Delegierter der CGT, der den Streik unterstützte, nahe seiner Wohnung von maskierten Schlägern attackiert, die auch seine Frau und seinen Sohn bedrohten.

Aufgrund dieser Vorfälle griff Premierministerin Elisabeth Borne ein und forderte neue Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und den Streikenden. Da das Unternehmen jedoch jegliche Lohnerhöhung ausschließt, fanden noch keine Verhandlungen statt.

Dass viele der Streikenden Frauen sind, wurde von der Pseudo-Linken benutzt, um diesen Kampf als eine primär „feministische“ Frage darzustellen. Le Monde veröffentlichte eine Stellungnahme von verschiedenen feministischen Gruppen und Individuen über den Streik, in der es hieß: „Die Arbeiterinnen bei Vertbaudet hängen, wie Millionen Frauen, an einem klebrigen Boden, der sie wegen eines sexistischen Managements in minderwertigen und unterbezahlten Jobs festhält.“

Zu den Unterzeichnern gehörten die CGT-Chefin Sophie Binet, die Abgeordnete von La France Insoumise, Mathilde Panot, die nationale Sekretärin der Grünen, Marie Tondelier, und die Schauspielerin Adele Haenel, die der morenistischen Website Révolution Permanente nahesteht.

In Wirklichkeit sind die Arbeiterinnen bei Vertbaudet, genau wie Millionen anderer Frauen in Frankreich, nicht wegen ihres Geschlechts Ziel der Angriffe von Arbeitgebern und dem Staat, sondern weil sie Arbeiterinnen sind, aus denen die Bourgeoisie massive Profite herauspressen will. Ihre Verbündeten in diesem Kampf sind nicht die privilegierten kleinbürgerlichen Feministinnen der französischen Pseudolinken und der Gewerkschaftsbürokratie, sondern alle Arbeiter und Arbeiterinnen im Rest der Welt, die mit der gleichen Krise des Kapitalismus und der Gefahr eines Weltkriegs konfrontiert sind.

Die erneute Streikwelle in Frankreich, nachdem die Gewerkschaftsbürokratien versucht hatten, den Kampf gegen Macron abzuwürgen, entlarvt einmal mehr die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer Unterstützer in der Pseudolinken.

Die Gewerkschaftsbürokratien werden von der Regierung und den Konzernen mit Milliarden Euro finanziert und haben nichts gegen die Kürzungen und Angriffe auf die Löhne unternommen. Stattdessen ordnen sie jeden Widerstand gegen die Regierung und die Konzerne dem bankrotten Rahmen des „Sozialdialogs“ mit dem kapitalistischen Staat unter. Hinter diesem Euphemismus verbirgt sich ihre Unterstützung für den Staat, der Erwerbsbevölkerung seinen Willen aufzuzwingen.

Dieser Prozess vollzieht sich auch in lokalen Tarifstreitigkeiten. So ordnen die Gewerkschaftsbürokratien den Kampf bei Disneyland und Vertbaudet den Verhandlungen unter staatlicher Aufsicht unter. Wenn es, wie bei Vertbaudet, tatsächlich zu Streiks kommt, verweigern die Gewerkschaftsbürokratien jegliche Streikgeldzahlung an ihre kämpfenden Mitglieder.

Die anhaltenden Kämpfe der französischen Arbeiter gegen die steigenden Lebenshaltungskosten sind untrennbar mit dem Kampf gegen den Krieg und Macrons Rentenkürzungen verbunden. Die gesamte französische Gesellschaft wird auf „Kriegswirtschaft“ umgestellt, da sich der französische und europäische Imperialismus auf die Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine vorbereiten. In den Augen der herrschenden Klasse erfordert dies brutale Angriffe auf Löhne und soziale Rechte wie Macrons Rentenkürzung.

Um dagegen Widerstand zu leisten, müssen die Arbeiter in allen Industriezweigen von den Gewerkschaftsbürokratien unabhängige Aktionskomitees bilden, um ihre Kämpfe selbst zu führen und einen Generalstreik zum Sturz Macrons vorzubereiten. Dabei haben die französischen Arbeiter ein Vorbild in ihren Kollegen auf der anderen Seite des Ärmelkanals, die eigene Aktionskomitees der Busfahrer und Postbeschäftigten gegründet haben, um Widerstand gegen die Angriffe auf ihre Löhne und ihren Lebensstandard zu leisten.

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