Wohin steuert die eskalierende Dollarkrise?

Als die imperialistischen Großmächte unter Führung der USA zu Beginn des Kriegs in der Ukraine Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland verhängten, waren sie der Meinung, dass diese Maßnahmen die russische Wirtschaft rasch lahmlegen und eine Kapitulation oder einen Regimewechsel in der herrschenden Oligarchie herbeiführen würden.

Doch genau das ist nicht eingetreten. Zumindest bis jetzt hat Russland Wege gefunden, die Sanktionen zu umgehen. Die von den USA verhängten Maßnahmen hatten jedoch einige unbeabsichtigte Folgen. So haben sie Bestrebungen ausgelöst, sich aus der Abhängigkeit vom Dollar als dominierender Weltwährung zu lösen. Gerade dies wird, wenn es so weitergeht, weitreichende Konsequenzen haben.

Finanzministerin Janet Yellen vor dem Finanzausschuss des US-Senats, 16. März 2023 [AP Photo/Jacquelyn Martin]

In einem Interview mit Fareed Zakaria von CNN letzten Monat warnte US-Finanzministerin Janet Yellen vor dieser Gefahr.

„Wenn wir Finanzsanktionen verhängen, die an die Rolle des Dollars gekoppelt sind, besteht die Gefahr, dass sie langfristig die Dollarhegemonie untergraben“, erklärte Yellen.

Die wichtigsten Entscheidungen waren, Russland aus dem globalen Zahlungssystem SWIFT auszuschließen und 300 Milliarden Dollar an Finanzanlagen der russischen Zentralbank einzufrieren.

Diese Maßnahmen konnten aufgrund der Rolle des Dollars als Weltreservewährung ergriffen werden. Das Einfrieren der Guthaben der russischen Zentralbank löste eine Schockwelle im globalen Finanzsystem aus, die weit über Russland hinausging. Denn es wurde deutlich, dass eine solche Maßnahme auch gegen andere Länder, die sich den USA in den Weg stellen, ergriffen werden könnte.

Im vergangenen Jahr haben sich unter anderem Russland, China, Saudi-Arabien und Brasilien bemüht, Handelsabkommen abzuschließen, die nicht in Dollar, sondern in ihren eigenen Währungen abgewickelt werden. Zwar reichen die bisher unternommenen Schritte bei weitem nicht aus, um den Dollar zu ersetzen. Die Tendenz ist jedoch eindeutig.

Ein weiterer Grund zur Besorgnis ist der Anstieg des Goldpreises und vor allem die Zunahme der Goldkäufe durch die Zentralbanken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Dollar zur wichtigsten Weltwährung und zum wichtigsten Wertmaßstab. Diese Rolle wurde ihm durch die enorme wirtschaftliche Vormachtstellung des US-Kapitalismus und durch den Beschluss der Konferenz von Bretton Woods im Jahr 1944 ermöglicht, wonach der Dollar zum Preis von 35 Dollar pro Unze Gold eingetauscht werden konnte.

Dieses System endete im August 1971 mit der einseitigen Schließung des „Goldfensters“ durch Präsident Nixon. Grund dafür war der relative Niedergang der USA im Vergleich zu ihren Hauptkonkurrenten. Dies drückte sich darin aus, dass anstelle der Überschüsse der unmittelbaren Nachkriegsjahre jetzt ein Handelsbilanzdefizit trat.

Seither fungiert der Dollar als Fiat-Währung. Das heißt, er wird nicht durch ein materielles Gut wie Gold gestützt, das seinen Gegenwert bildet. Vielmehr stützt er sich auf die finanzielle und politische Macht der USA.

In einem kürzlich in der Financial Times (FT) erschienenen Kommentar zur globalen Stellung des Dollars stellte der Finanzanalyst Mohamed El-Erian fest, dass die Rolle des Dollars als globale Reservewährung auf drei Eigenschaften der USA beruhe. Diese seien „ihr Status als größte Volkswirtschaft der Welt, die Tiefe und Breite ihrer Finanzmärkte und die Berechenbarkeit, die sich aus ihrer institutionellen Reife und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit ergibt“.

Die drei Bedingungen für die Stabilität des Dollars, die er aufzählt, sind in ihren Grundfesten erschüttert.

Die USA stehen kurz davor, von China als größte Volkswirtschaft der Welt überholt zu werden, und nach einigen Maßstäben ist dies bereits geschehen.

Ihre Finanzmärkte sind in zunehmendem Maße Schocks ausgesetzt, die eine Bedrohung für das gesamte globale Finanzsystem darstellen.

Im Jahr 2008 führte der zunehmende Finanzparasitismus der vorangegangenen 20 Jahre zur schwersten Bankenkrise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren. In den Jahren vor 2008 hatte die US-Notenbank als Reaktion auf den Börsencrash im Oktober 1987 Geld in das Finanzsystem gepumpt

Im März 2020, zu Beginn der COVID-19-Pandemie, fror der 22 Billionen Dollar schwere Markt für US-Schatzpapiere – die Grundlage des amerikanischen und globalen Finanzsystems – ein. Das bedeutete, dass es für mehrere Tage keine Käufer für US-Staatsanleihen gab, die als die sichersten Finanzanlagen der Welt galten. Nur durch eine massive Intervention der Fed, die weitere 4 Billionen Dollar an Finanzanlagen aufkaufte, konnte der Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems verhindert werden.

Dann, ab März, lösten die Zinserhöhungen der Fed im letzten Jahr drei der vier größten Bankenpleiten in der Geschichte der USA aus. Dies zeigte, dass die nach 2008 getroffenen Regulierungsmaßnahmen im Wesentlichen wertlos waren, da die staatlichen Behörden erneut eingreifen mussten, um einen „systemischen“ Zusammenbruch zu verhindern.

Schließlich hat Trumps Putschversuch am 6. Januar 2021 die Illusion von der „institutionellen Reife“ und „Achtung der Rechtsstaatlichkeit“ der USA gründlich erschüttert. Einen weiteren Schlag erlitt sie zuletzt durch den Konflikt um die Schuldenobergrenze der USA. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, mit dem rechtsextreme und geradezu faschistische Kräfte innerhalb der Republikanischen Partei die Forderungen mächtiger Teile der Finanzoligarchie nach einem Frontalangriff auf die Reste des Sozialsystems durchzusetzen versuchen.

Neben den Faktoren, die El-Erian aufzählt, gibt es einen weiteren, den er nicht erwähnt. Er ist aber nicht weniger entscheidend, da die Arbeiter die höchste Inflation seit 40 Jahren zu bekämpfen haben.

Die Fähigkeit der Regierung und des kapitalistischen Staates, den Klassenkampf zu regulieren, ist von entscheidender Bedeutung. Nichts ist für das Finanzsystem destabilisierender, als wenn diese Kontrolle verloren geht und die Arbeiter aus der Zwangsjacke der Gewerkschaftsbürokratie auszubrechen beginnen.

Der wachsende Mangel an Vertrauen in den US-Dollar spiegelt sich auf dem Goldmarkt wider. Nicht nur Spekulanten und Händler, sondern auch die Zentralbanken kaufen verstärkt Gold.

Ein kürzlich in der FT erschienener Bericht über den sogenannten „neuen Goldboom“ stellte fest, dass die Zentralbanken letztes Jahr 1.079 Tonnen Gold gekauft haben, mehr als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen 1950.

Bereits im Januar hatte Krishan Gopaul, leitender Analyst beim World Gold Council (WGC), auf die „kolossalen“ Käufe der Zentralbanken hingewiesen, die seit 2010 zu Nettokäufern von Gold geworden seien, nachdem sie zuvor zwei Jahrzehnte lang Nettoverkäufer waren.

Der Goldpreis notiert nach einem Anstieg um mehr als ein Fünftel seit November letzten Jahres bei rund 2.000 US-Dollar je Feinunze und steht damit in der Nähe seines Rekordhochs.

Nicht überraschend sprechen verschiedene Vertreter der Goldindustrie, wie beispielsweise der WGC, von den Aussichten auf weitere Preissteigerungen. Aber gleichzeitig sprechen sie durchaus reale Themen an.

Mark Bristow von Barrick Gold, dem weltweit zweitgrößten Goldproduzenten, verwies in einem FT-Kommentar auf Inflationseffekte und sagte: „Der Geist ist aus der Flasche“.

Und er betonte: „Die harte Realität ist, dass es, wenn die Schulden höher sind als das BIP, nur zwei Möglichkeiten gibt, um aus dieser Situation herauszukommen: Entweder es kommt zu einer großen Finanzkorrektur, oder man wächst sich aus der Situation heraus. Wir können nicht wachsen. Der einzige Ausweg ist eine harte globale Landung.“

Die Ergebnisse der globalen Beratungsfirma McKinsey unterstreichen die Warnungen vor der Verschuldung. Darüber hat die FT-Kolumnistin Gillian Tett berichtet.

Die Analyse von McKinsey besagt, dass „der weltweite Bestand an Papiervermögen (der spekulative, nicht realisierte Preis aller finanziellen Vermögenswerte) seit dem Jahr 2000 um etwa 160 Billionen Dollar gestiegen“ sei.

Tett merkte an, dass ein Teil dieses Anstiegs zwar das Wachstum widerspiegele; „aber vor allem ist er auf einen starken Anstieg der weltweiten Verschuldung und des Geldangebots infolge der quantitativen Lockerung zurückzuführen.“ Für jeden Dollar an globalen Investitionen sind seit dem Jahr 2000 rund 1,90 Dollar an Schulden hinzugekommen. Für den Zeitraum 2020–2021 schnellt dieser Wert sogar auf 3,40 Dollar pro Dollar an Nettoinvestitionen empor.

Eine Krise des Dollars – sei es aufgrund eines unerwarteten Schocks, wie etwa dem massiven Rückzug eines Großinvestors wie China oder Japan aus dem Markt für US-Schuldtitel, sei es aufgrund einer stetigen Erosion des Vertrauens – hätte weit reichende politische Konsequenzen. Denn sowohl innen- als auch außenpolitisch sind die USA immer abhängiger von der globalen Hegemonie des Dollars geworden.

In einem Kommentar in der Washington Post im vergangenen Monat schrieb Fareed Zakaria, dass es zwar keinen Ersatz für den Dollar gebe und auch nicht geben werde, die US-Währung jedoch „auf tausend verschiedene Arten geschwächt werden“ könne.

Er erklärte, dass die Fähigkeit der US-Regierung, Geld auszugeben, ohne sich um Defizite zu sorgen, die Staatsverschuldung innerhalb von 20 Jahren auf heute 31,5 Billionen Dollar zu verfünffachen und zur Bewältigung der Finanzkrisen die Bilanz der Fed um das Zwölffache zu erhöhen, nur aufgrund des einzigartigen globalen Status des Dollars möglich gewesen sei.

„Wenn dieser Status schwindet, wird Amerika vor einer nie dagewesenen Abrechnung stehen“, schloss er.

Seit vielen Jahrzehnten kämpft die marxistische politische Ökonomie mit Vertretern der bürgerlichen Ökonomie über die inhärenten Widersprüche des kapitalistischen Systems.

Marxisten haben immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Widersprüche – zwischen der vergesellschafteten Produktion und dem Privateigentum, sowie zwischen der Weltwirtschaft und ihrer Aufteilung in rivalisierende Nationalstaaten – trotz aller politischen und wirtschaftlichen Manöver, die zu ihrer Milderung unternommen werden, immer größer werden. An einem bestimmten Punkt werden sie zu einem katastrophalen Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaftsordnung führen.

Dieses Argument ist nicht nur theoretisch geklärt. Die Ereignisse haben es bewiesen. Jeder halbwegs Wirtschaftskundige muss zu dem Schluss kommen, dass der globale Kapitalismus in einer fundamentalen Krise steckt.

Der Wirtschaftskolumnist der Financial Times, Martin Wolf, schrieb über die Ergebnisse des G7-Treffens in Hiroshima Anfang des Monats, dass „die Hoffnungen auf eine kooperative Weltwirtschaftsordnung ... sich verflüchtigt haben“ und dass „weder globale Kooperation noch westliche Vorherrschaft erreichbar scheinen“.

„Was könnte daraus folgen?“, fügte er hinzu. „Leider lautet eine Antwort: 'Spaltung‘, und eine andere: ‚Anarchie‘.“

Die Krise ist ausgebrochen, trotz aller Bemühungen, ihr entgegenzuwirken. Diese Bemühungen haben zwar kurzfristige Lösungen gebracht, aber sie haben die grundlegenden Tendenzen nur verstärkt.

So versuchten die Großmächte nach der Krise von 2008, den totalen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern, indem sie Billionen Dollar an im Wesentlichen kostenlosem Geld in das System pumpten. Doch wie die eskalierende Verschuldung zeigt, hat dies die eigentliche Krise nur noch verschärft.

Auch die sogenannten Regulierungsreformen in den USA, die eine Wiederholung verhindern sollten, sind gescheitert, wie die im März dieses Jahres ausgebrochene „systemische“ Bankenkrise zeigt.

Zudem besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die begrenzten Beschränkungen der Aktivitäten von Großbanken zu anhaltenden Liquiditätsproblemen auf dem lebenswichtigen US-Treasury-Markt mit einem Volumen von 22 Billionen Dollar geführt haben.

Es stellt sich daher die Frage: Wohin steuert die Welt?

Einerseits werden die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, durch die unlösbaren Widersprüche des von ihnen beherrschten Profitsystems, wie schon zweimal im 20. Jahrhundert, auf Weltkriegskurs getrieben.

Es ist nicht so, dass sich nur eine rationalere Sicht der Dinge durchsetzen muss, damit man zu Kompromissen kommen kann. Die Weigerung der USA, sich auf Verhandlungen zur Beendigung des Blutvergießens in der Ukraine einzulassen, und die Verschärfung des Wirtschaftskrieges gegen China mit militärischen Vorbereitungen sind Beweise dafür, dass die Vernunft über Bord geworfen wurde.

Die Arbeiter stehen daher vor der Aufgabe, sich auf die drohende Katastrophe vorzubereiten. Im Zentrum steht der Kampf für ein sozialistisches Programm, das sich nicht auf „Reformen“ – die unmöglich sind – stützt, sondern auf einen Kampf zur Entmachtung der pyromanen herrschenden Klassen und zur Errichtung des internationalen Sozialismus.

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