Nach Jugendprotesten in Frankreich: Macron stärkt faschistische Kräfte

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Premierministerin Elisabeth Borne reagierten auf die polizeifeindlichen Proteste, die das Land letzte Woche nach dem Polizeimord an dem 17-jährigen Nahel M. in Nanterre erschüttert haben, mit einer gezielten Stärkung rechtsextremer und faschistischer Kräfte innerhalb des Staates und der französischen Politik.

Das Foto zeigt einen Demonstranten in der dritten Nacht der Proteste, am 30. Juni 2023. Die Proteste wurden durch die tödlichen Polizeischüsse auf einen 17-jährigen Autofahrer in der Pariser Vorstadt Nanterre ausgelöst. (AP Photo/Aurelien Morissard) [AP Photo/Aurelien Morissard]

Weder der Präsident noch die Premierministerin distanzierte sich von den Hetztiraden der Polizeigewerkschaft, sie befände sich „im Krieg“ mit diesen „wilden Horden“. Stattdessen besuchten Macron und Innenminister Gérald Darmanin am Montagabend Polizeichefs, um ihnen ihre uneingeschränkte Unterstützung zu versichern.

Sie haben jede Nacht bis zu 45.000 Polizeibeamte mobilisiert, die schwer bewaffnet und mit Kampfausrüstung gegen die rebellierenden und oftmals minderjährigen Jugendlichen vorgingen. Innerhalb einer Woche wurden mehr als 4.000 Demonstranten verhaftet.

Justizminister Eric Dupond-Moretti schickte letzten Freitag ein Rundschreiben an Staatsanwälte, in denen er ein „schnelles, entschlossenes und systematisches Vorgehen“ gegen die Verhafteten oder, sofern sie minderjährig sind, ihre Eltern forderte. Vor Journalisten erklärte der Minister: „Kinder werden nicht vom Staat, sondern von ihren Eltern erzogen.“ Müttern oder Vätern, welche die „Gesundheit, Sicherheit, Moral oder Erziehung ihres minderjährigen Kindes gefährdet haben“, drohten bis zu zwei Jahre Haft und Geldstrafen in fünfstelliger Höhe. Zuvor hatte Macron dazu aufgerufen „dass alle Eltern Verantwortung übernehmen“.

Dupond-Moretti riet den Staatsanwälten in seinem Rundschreiben: „Neben den üblichen Voraussetzungen für Straftaten gegen Personen und Eigentum“ könne auch „Rebellion, Teilnahme an einer Gruppe zur Vorbereitung von Gewalt oder Sachschäden und bewaffnete Teilnahme an einer Demonstration“ als Straftatbestand in Betracht kommen. Besonderen Nachdruck legte er auf Gewalt gegen Vollzugsbeamte.

Seither haben die Gerichte begonnen, Angeklagte in Eilverfahren zu verurteilen. Täglich finden Verhandlungen von bis zu 30 Personen vor einem einzigen Gericht statt. Wer auf seiner Unschuld beharrt, bleibt bis zum regulären Prozess in Untersuchungshaft.

Premierministerin Elisabeth Borne stellte sich am Dienstag in einer Rede vor der Nationalversammlung uneingeschränkt hinter diesen Kurs und erklärte, es seien „schwere Strafen verhängt“ worden. Die Regierung prüfe außerdem, ob „strafrechtliche Maßnahmen gegen Eltern ergriffen werden können, die zulassen, dass ihre Kinder ... am Abend herumlungern und unsere Rathäuser und Polizeiwachen anzünden“.

Die Ereignisse der letzten Woche haben gezeigt, dass in der Bevölkerung Frankreichs tiefsitzender Hass auf die herrschende Klasse und ihre politischen Vertreter herrscht. Mehr als 300 Banken und 220 kommunale Verwaltungsgebäude wurden von Demonstranten beschädigt. Laut ersten Schätzungen beläuft sich der durch die Zusammenstöße verursachte Schaden auf über eine Milliarde Euro.

Die Proteste konzentrierten sich auf die als Banlieues bekannten armen Vorstädte. Insgesamt gibt es in Frankreich 1.300 Wohngebiete, die von der Regierung als quartiers prioritaires eingestuft werden. In ihnen leben etwa 5,4 Millionen Menschen, von denen 40 Prozent jünger als 25 Jahre alt sind; die Hälfte der unter 18-Jährigen lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Bereits im Jahr 2005 hatte es Proteste gegen die katastrophalen Bedingungen in den Banlieues gegeben. Damals drohte der Innenminister und spätere Präsident Nicolas Sarkozy, die Banlieues mit einem „Kärcher“ (Hochdruckreiniger) zu säubern. Seither hat jede Regierung – ob konservativ oder „sozialistisch“ – die Bedingungen verschlechtert. Statt die soziale Lage zu verbessern wurde die Polizei aufgestockt, die die Jugendlichen systematisch terrorisierte. Im Jahr 2017 verabschiedete die Regierung von Präsident François Hollande von der Parti Socialiste ein Gesetz, das der Polizei den Einsatz von Schusswaffen nicht nur zur Selbstverteidigung erlaubt, sondern auch, wenn sich jemand weigert, den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten.

Es ist allgemein bekannt, dass es in der Polizei zahlreiche Anhänger von Marine Le Pens rechtsextremer Rassemblement National und anderen faschistischen Organisationen gibt. Innenminister Darmanin ist selbst ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Action Française.

Seit dem Polizeimord an Nahel M. mobilisieren rechtsextreme Kräfte offen zur Unterstützung des Polizeibeamten, der ihn kaltblütig erschossen hatte. Eine Crowdfunding-Seite zur Unterstützung des Beamten sammelte mehr als 1,3 Millionen Euro von 70.000 Spendern, bevor sie geschlossen wurde. Der Fonds wurde von dem rechtsextremen Journalisten Jean Messiha ins Leben gerufen, einem Anhänger des islamophoben Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour.

Diese faschistischen Kräfte werden von der Macron-Regierung mobilisiert und ermutigt. In ihrer Rede vor der Nationalversammlung am Dienstag verurteilte Premierministerin Borne Jean-Luc Mélenchons pseudolinke Partei Unbeugsames Frankreich (LFI) mit ähnlichen Worten wie die Faschisten.

Sie warf Mélenchon vor, er würde „alle Aufrufe zur Ruhe ablehnen“, würde „Öl ins Feuer gießen“ und Nahels Ermordung „instrumentalisieren“. Den LFI-Abgeordneten warf sie vor: „Wenn Ihr Parteichef behauptet, die Polizei hätte eine Lizenz zum Töten, oder von der Todesstrafe für Jugendliche in den Banlieues spricht und uns als Wachhunde bezeichnet, begeben Sie sich außerhalb des Rahmens der Republik.“

Einige Tage zuvor schrieb die Parteichefin der Rechtsextremen, Marine Le Pen, auf Twitter, die LFI sei eine politische Partei, „die eindeutig zu Unordnung und Gewalt aufruft“. Eric Zemmour erklärte am Samstag auf CNews: „Wir befinden uns zwischen Unruhen und Krieg. Das sind ethnische Unruhen, die zu einem Bürgerkrieg werden könnten. ... Jean-Luc Mélenchon ist eine Gefahr für Frankreich... er ist die Inkarnation dieser Wählerschaft, die Frankreich zu Fall bringen und islamisieren will.“

Fabien Roussel, der nationale Sekretär der zunehmend ultranationalistischen und polizeifreundlichen Kommunistischen Partei Frankreichs, schloss sich den rechtsextremen Angriffen auf Mélenchon an und erklärte: „Ich distanziere mich vollständig von den Worten Jean-Luc Mélenchons und den Abgeordneten, die sich weigern, zur Ruhe aufzurufen, und diese urbane Gewalt legitimieren.“

Diese faschistischen Äußerungen haben rechtsextreme Mobs dazu angestachelt, sich an den Angriffen der Polizei auf Demonstranten zu beteiligen. In Lorient, Angers, Chambéry und Lyon gingen bekannte rechtsextreme Bürgerwehren auf Demonstranten los. In Angers mussten zwei Demonstranten ins Krankenhaus, nachdem sie von einer Gruppe Maskierter mit Baseballschlägern und Eisenstangen angegriffen worden waren.

In der westfranzösischen Stadt Lorient wurden Maskierte in Zivilkleidung, die auf protestierende Jugendliche einprügelten, als Angehörige einer Einheit der französischen Marine identifiziert. Die Polizei ließ sie frei. Laut der Lokalzeitung Le Telegramme erklärte ein Polizeibeamter, sie hätten den „Gegenrandalierern“ erlaubt einzugreifen, „weil sie uns geholfen haben“. Er räumte lediglich ein, sie seien „etwas zu hart vorgegangen“.

Das wirkliche Ziel der Macron-Regierung und der rechtsextremen Politiker ist nicht Mélenchon, sondern die Arbeiterklasse. Mélenchon ist bekanntlich ein treuer Diener des kapitalistischen Staats. Er war Mitglied der Regierung von Lionel Jospin, die nur drei Jahre vor dem Ausbruch der Proteste in den Banlieues 2005 aus dem Amt schied.

Mélenchons verhaltene Kritik an Polizeigewalt zielt darauf ab, das Vertrauen in die Polizei zu stärken. Er schlägt keine Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Polizeigewalt und zur Verteidigung der unterdrückten Jugendlichen vor, sondern die „Reform“ einer von Faschisten durchsetzten Polizei durch bessere Ausbildung und Ausrüstung.

Den Jugendprotesten in den Banlieues gingen die Proteste der Gelbwesten und die Proteste gegen Rentenkürzungen voraus. Letztere wurden von 80 Prozent der Bevölkerung abgelehnt, und an den gewaltsam unterdrückten Protesten beteiligten sich Millionen. Die Macron-Regierung weiß, dass der Kampf gegen die Rentenkürzungen nur ein Prolog für künftige Kämpfe gegen den kapitalistischen Staat war.

Die gezielte Stärkung rechtsextremer und faschistischer Kräfte durch die Macron-Regierung richtet sich nicht nur gegen die Jugend in den Banlieues, sondern gegen die gesamte Arbeiterklasse. Wie die WSWS in einer Erklärung zu den Protesten erklärte: „Die Arbeiter können die Jugend nicht alleine kämpfen lassen. Alle Maßnahmen der Regierung, die immer rücksichtsloser und autoritärer werden, richten sich gegen jede Form von Widerstand gegen das Diktat der Konzerne und der Finanzelite.“

Angesichts des wachsenden sozialen Widerstands setzt der „Präsident der Reichen“ auf Faschismus und schürt wütende Hetze gegen jeden linken Widerstand gegen seine Austeritäts- und Kriegsagenda.

Die explosive – und zerstörerische – Form der Jugendproteste gegen Polizeigewalt und Macrons Präsidentschaft erklärt sich aus dem Zusammentreffen massiver sozialer Wut in der französischen Jugend und unter den Arbeitern einerseits und dem Fehlen einer revolutionären politischen Perspektive andererseits.

Nach monatelangen erbitterten Kämpfen gegen Macrons Rentenkürzungen, und obwohl sich eine Mehrheit für einen Generalstreik aussprach, um den Präsidenten zu besiegen, beendeten die Gewerkschaftsbürokratien und ihre Unterstützer in den pseudolinken Parteien den Kampf. Da sie das Gefühl haben, dass die traditionellen Parteien ihren Kampf nur verraten werden, sehen die Jugendlichen in den derzeitigen Unruhen den einzigen Weg, ihre Wut auszudrücken.

Die unnachgiebige Unterstützung der Macron-Regierung für ihre faschistische Polizei nach dem Mord an einem unschuldigen 17-Jährigen zeigt wieder einmal die Realität, mit der die Arbeiterklasse in Frankreich und Europa konfrontiert ist. Angesichts einer schweren Wirtschaftskrise und auf der Suche nach Geldquellen, um den imperialistischen Krieg gegen Russland in der Ukraine zu unterstützen, baut die herrschende Klasse Frankreichs einen Polizeistaat auf und nimmt rapide Kurs auf Autoritarismus und Diktatur.

Polizeigewalt und Austerität lassen sich nur durch die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms und den Aufbau der Parti de l'égalité socialiste (PES) als neuer Führung erfolgreich bekämpfen. Die PES schlägt den Aufbau von Aktionskomitees der Arbeiter vor, die unabhängig von den verräterischen Gewerkschaftsbürokratien und ihren pseudolinken Anhängseln agieren. Diese Komitees müssen mobilisiert werden, um die Macron-Regierung durch einen Generalstreik zu Fall zu bringen und die Grundlage für die Übergabe der Staatsmacht an die Arbeiterklasse zu schaffen.

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