Spanien: Die vorgezogenen Neuwahlen am 23. Juli und der Bankrott von Podemos und Sumar

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien, die sechs Monate vor dem ursprünglichen Termin angesetzt wurden, werfen wichtige politische Fragen auf, mit denen sich die Arbeiter in ganz Europa und der Welt beschäftigen müssen. Nachdem die sozialdemokratische PSOE und die pseudolinke Podemos drei Jahre lang an der Regierung waren, steht nun ein Sieg der rechten Partido Popular (PP) und der neofaschistischen Vox kurz bevor.

Während sich der Weltimperialismus in einen militärischen Konflikt mit Russland und China stürzt, der sich zum Dritten Weltkrieg auszuweiten droht, kehrt der spanische Imperialismus zu seinen faschistischen Wurzeln zurück. Vox ist eine Partei von ehemaligen Richtern, Polizisten und Generälen, welche die Armee Francos verherrlicht haben. Francos Armee putschte 1936 und löste einen dreijährigen Bürgerkrieg aus, der mit dem Sieg Francos und dem Massenmord an 200.000 politischen Oppositionellen und linken Arbeitern endete. Sie schickte Hitler die 45.000 Mann starke Blaue Division als Unterstützung für seinen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Die PP wurde von Ministern des Franco-Regimes gegründet und wird von Persönlichkeiten geführt, die keine politischen Differenzen mit Vox haben.

Laut einer aktuellen Umfrage von El Mundo würde die PP 140 und Vox 35 der 350 Sitze im Unterhaus erhalten. Damit wären sie einen Sitz von einer absoluten Mehrheit für die beiden Parteien entfernt. Die PSOE käme auf 102 Sitze, die von Podemos unterstützte Partei Sumar auf 35 Sitze.

Wie ist das möglich in einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung unter Franco aufgewachsen ist und sich an die Schrecken dieser Zeit erinnert? Und vor allem: wie ist es möglich, dass die Rechtsextremen den größten Nutzen aus dem europa- und weltweit zunehmenden Widerstand gegen die Agenda der gesamten kapitalistischen Elite ziehen, die aus imperialistischem Krieg gegen Russland und der Aushöhlung der Rechte und des Lebensstandards der Arbeiter im eigenen Land besteht?

Dafür sind nicht so sehr die PP und Vox verantwortlich, sondern die stalinistischen und pablistischen Kräfte in den so genannten „linkspopulistischen“ Parteien wie Podemos und der griechischen Syriza, den Gewerkschaften und ihren diversen pseudolinken Anhängseln. Podemos wurde im Jahr 2014 als „radikaldemokratische“ Partei gegründet und versprach, mit ihrem Eintritt in die spanische Politik die unerledigten „demokratischen“ Aufgaben des Übergangs zur Demokratie nach Franco zu vollenden und den Reichtum zu Gunsten der Ärmsten umzuverteilen.

Als sie 2020 an die Macht kam, kürzte sie stattdessen die Renten und Löhne, verfolgte während der Corona-Pandemie eine Politik nach dem Motto „Profite vor Leben“, organisierte Rettungsaktionen für die großen Banken und Konzerne, erhöhte den Militäretat drastisch und beteiligte sich am Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine, u. a. durch Waffenlieferungen an das rechtsradikale ukrainische Asow-Bataillon. Der spanische Aktienindex Ibex verzeichnet heute Rekordprofite, während die Inflation die Arbeiter verarmen lässt.

Als die Arbeiter versuchten Widerstand dagegen zu leisten, dass sie für die Krise des Kapitalismus und den Krieg zahlen sollen, reagierte die PSOE/Podemos-Regierung mit gewaltsamer Unterdrückung. Als in Cádiz Metallarbeiter für Lohnerhöhungen über der Inflationsrate streikten, ging die Bereitschaftspolizei mit Tränengas, Knüppeln, Gummigeschossen und einem 15 Tonnen schweren BMR-Panzerfahrzeug gegen sie vor. Monate später mobilisierte die Regierung mehr als 23.000 Polizisten – das größte Polizeiaufgebot und die größte Streikbrecher-Aktion in der Geschichte – gegen 75.000 Lastwagenfahrer, die gegen steigende Benzinpreise protestierten.

Dass Podemos eine solche Politik umsetzt, die bisher nur unter rechtsextremen Regimen denkbar war, gab der spanischen Bourgeoisie die Möglichkeit, Vox zu legitimieren. Podemos hat sich mittlerweile unter Sumar neu formiert, besteht aber noch immer aus den gleichen Nato-nahen prokapitalistischen Politikern von Podemos und wird von der amtierenden stellvertretenden Ministerpräsidentin Yolanda Díaz angeführt, einem Mitglied der stalinistischen Kommunistischen Partei Spaniens (PCE).

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Yolanda Díaz (Foto: US-Arbeitsministerium / CC BY 2.0) [Photo by U.S. Department of Labor / CC BY 2.0]

In der europäischen Arbeiterklasse gibt es eine tief verwurzelte Opposition gegen Krieg, Austerität, Faschismus und Nationalismus. Aber ohne eine politische Abrechnung mit Parteien wie Podemos/Sumar und ähnlichen pseudolinken Tendenzen überall in Europa wie der Linkspartei in Deutschland, dem Linken Block in Portugal und der Neuen Antikapitalistischen Partei in Frankreich kann sie nicht mobilisiert werden.

Als die Entwicklung des Klassenkampfs, die sich in Streiks und Protesten gegen steigende Nahrungsmittelpreise und niedrige Löhne in Spanien und ganz Europa äußerte, zu einer Gefahr für die Kriegsanstrengungen wurde, lösten PSOE und Podemos ihre Koalitionsregierung auf. Entschlossen, keine Zugeständnisse an die zunehmenden Forderungen der Bevölkerung nach Lohnerhöhungen und einem Ende des Kriegs zu machen, und aus Angst vor dem wachsenden Widerstand, gibt sie die Macht an die extreme Rechte ab. Diese hat die Aufgabe, die Unterdrückung im Inland zu verschärfen und den Nato-Krieg gegen Russland zu eskalieren.

Die PSOE und Sumar führen jetzt eine politische Kampagne, die der Partido Popular und der Vox die politische Initiative überlässt. Der amtierende Ministerpräsident Sánchez erklärt in den rechten Nachrichtensendern und Talkshows, sein Sieg sei die beste Garantie dafür, dass die Europäische Union weiterhin Milliarden Euro an die Banken und Konzerne verteilen kann. Díaz von Sumar forciert derweil die Identitätspolitik und hat eine Liste von Kandidaten aufgestellt, die allesamt hinter dem Austeritäts- und Kriegskurs stehen und hysterisch den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine verteidigen.

In einem Interview mit La Sexta verteidigte Díaz ihre Entscheidung, der Ukraine Militärhilfe im Höhe von hunderten Millionen Euro zu schicken, darunter Panzer und Raketen. Als Vorwand gab sie an, die Ukraine habe „das Recht sich [gegen Putin] zu verteidigen“.

Die amtierende PSOE/Podemos-Regierung setzt die staatlichen Mittel nicht für Maßnahmen ein, die ihren Rückhalt unter den Wählern verbessern würden, sondern hat ihre rechte und faschistoide Politik verschärft. Letzte Woche reagierte die Regierung auf streikende Metallarbeiter in Galizien, die Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsgrenze forderten, indem sie die Polizei schickte, um deren Proteste zu verbieten und sie mit Schlagstöcken anzugreifen. Gegen Streiks bei den Fluggesellschaften hat sie ein drakonisches Gesetz für einen Minimalbetrieb durchgesetzt, laut dem die Piloten verpflichtet sind bei mindestens 90 Prozent aller geplanten Flüge zur Arbeit zu erscheinen, womit ein Arbeitskampf faktisch verboten wurde. Die ihnen angehörenden Gewerkschaften CCOO und UGT sind bemüht, in anderen Bereichen Tarifverträge mit Zugeständnisse durchzusetzen.

PSOE und Podemos haben zudem die flüchtlingsfeindliche Politik der EU beibehalten, Migranten und Flüchtlinge ertrinken zu lassen. Letzte Woche ließ die Regierung ein behelfsmäßiges Boot mit 61 Flüchtlingen vor den Kanaren kentern, wobei 37 Insassen ums Leben kamen, darunter mindestens ein Baby, mehrere Kinder und zwei Jugendliche. Nur ein Jahr zuvor hatte der spanische Staat in Melilla ein Massaker an Flüchtlingen verübt, bei dem mindestens 37 Menschen getötet wurden.

Für die Banken und Konzerne im Ibex-35 hat die PSOE/Podemos-Regierung weitere 94 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungsfonds beantragt und dafür 24 Milliarden Euro an Kürzungen und Steuererhöhungen für das nächste Jahr angekündigt.

Vor 45 Jahren hatte der Vorläufer von Podemos und Sumar, die stalinistische Kommunistische Partei Spaniens (PCE), versprochen, dass die spanische herrschende Elite ihre faschistische Vergangenheit hinter sich gelassen habe und jetzt durch die europäische Integration unter der Schirmherrschaft des US-Imperialismus und der Nato einer neuen Ära des Friedens und der kapitalistischen Demokratie treu ergeben sei.

Diese Perspektive wurde widerlegt. Drei Jahrzehnte nachdem bürgerliche Propagandisten angesichts der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion das „Ende der Geschichte“, den Tod des Sozialismus und den Triumph der liberalen Demokratie ausriefen, kehren die herrschenden Klassen in ganz Europa zu Faschismus und totalem Krieg zurück.

Millionen Arbeiter reagieren mit Entsetzen auf diese Aussicht. Sie erleben, wie mit Vox Franco-Verehrer, Leugner des Klimawandels, fanatische Anti-LGBT-Aktivisten und ultra-katholische Abtreibungsgegner in den Kommunen und Regionen an die Macht kommen. Doch unter der Führung von Parteien des wohlhabenden Kleinbürgertums wie Sumar ist kein Kampf zur Verteidigung auch nur der grundlegendsten Rechte möglich. Der Krieg kann nur beendet und die demokratischen Rechte und der Lebensstandard nur durch den sozialistischen Kampf der Arbeiterklasse verteidigt werden.

Der Aufstieg von Vox unter der PSOE/Podemos-Regierung bestätigt das. Ihr Bankrott ist eine Bestätigung der Kritik des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) an der konterrevolutionären Vereinbarung in Spanien von 1978 und an den pseudolinken Tendenzen im Rest der Welt. Sumar steht auf der Grundlage des Übergangs zur Demokratie von 1978, den ihre politischen Vorväter mit dem franquistischen Regime ausgehandelt haben, und sie ist das Produkt der umfassenden Integration des Stalinismus in den spanischen kapitalistischen Staat.

Die entscheidende Aufgabe besteht darin, in Spanien und im Rest der Welt eine internationale revolutionäre Führung der Arbeiterklasse auf den Prinzipien des Trotzkismus aufzubauen, d. h. Sektionen des IKVI.

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