Neue Chinastrategie: Bundesregierung bereitet sich auf Krieg gegen China vor

Die Bundesregierung hat am Donnerstag erstmals eine Chinastrategie verabschiedet. Ziel des 64-seitigen Dokuments ist die Verringerung der Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China in Vorbereitung auf einen Krieg gegen die aufsteigende asiatische Wirtschaftsmacht.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Bundestag [Photo by Deutscher Bundestag / Felix Zahn / photothek]

Im Koalitionsvertrag der Ampel war China noch als „Partner, Wettbewerber und Systemrivale“ bezeichnet worden. Seither, heißt es in der Chinastrategie, hätten „die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in unserer Beziehung zugenommen“. Eingebettet in eine verlogene Rhetorik über „westliche Werte“, „freiheitliche Demokratie“ und „Menschenrechte“ entwickelt das Strategiedokument ein ganzes Bündel von wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen gegen China.

Um die Abhängigkeit von China zu mindern, sollen Liefer- und Wertschöpfungsketten „diversifiziert“ und „durch eine breitere Risikostreuung langfristig abgesichert“ werden; die Bundesregierung unterstützt dabei „die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung diversifizierter, nachhaltiger Bezugsquellen“ in anderen Ländern.

Um in „Schlüsselbereichen“ nicht von chinesischen Technologien abhängig zu werden, sollen „Schlüsseltechnologien frühzeitig identifiziert“ werden. Die Bundesregierung will mehr Geld in eigene „Forschung, Entwicklung und Innovation“ investieren und „Projekten mit China, in denen Wissensabfluss wahrscheinlich ist“, die Förderung entziehen. Risiken deutscher Unternehmen, die in China aktiv sind, werden nicht mehr wie bisher abgesichert.

Das „handelspolitische Instrumentarium der EU“ soll weiterentwickelt werden, um den Handel mit China einzuschränken. Direktinvestitionen europäischer Unternehmen in China sollen überprüft und bei Bedarf gestoppt werden. „Mit der Investitionsprüfung schützen wir die Unabhängigkeit in sicherheitskritischen und für die Versorgung der Bevölkerung relevanten Bereichen, schützen die Verteidigungsfähig­keit Deutschlands und seiner Bündnispartner und stärken die technologische Souveräni­tät Deutschlands und der EU,“ heißt es in dem Papier.

Auch die Exporte nach China sollen beschränkt werden. „Um längerfristige Sicherheitsrisiken für Deutsch­land, die EU und Verbündete durch Ausfuhr neuer Schlüsseltechnologien zu vermeiden, setzt sich die Bundesregierung für die Fort­entwicklung der Güterlisten in den inter­nationalen Exportkontrollregimen“ ein. Das gilt insbesondere für die Bereiche „Cyber­sicherheit und Überwachungstechnik“.

In „Kritischen Infrastrukturen“ wie Mobilfunknetzen sollen weniger chinesische Komponenten zum Einsatz kommen. Entsprechende Regelungen sollen auch für „Nicht-IT-Produkte“ entwickelt werden.

Die „Resilienz gegen hybride Bedrohungen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft“ soll gesteigert werden. „Chinesischen Desinformationskampagnen“ – „z.B. im Zusammenhang mit Chinas Politik zu Hongkong und Taiwan“ und „Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine“ – sollen auf allen Ebenen bekämpft werden.

Der Veröffentlichung der Chinastrategie waren monatelange Auseinandersetzungen innerhalb der Ampel-Koalition vorausgegangen. China ist mit einem Handelsvolumen (Importe und Exporte) von 299 Milliarden Euro im vergangenen Jahr Deutschlands wichtigster Handelspartner. Vor allem für die deutsche Autoindustrie, in der rund 800.000 Personen beschäftigt sind, ist China der größte Absatzmarkt. Ein abrupter Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen hätte daher verheerende wirtschaftliche Folgen.

Gerade die Unternehmerverbände warnten vor einem zu konfrontativen Kurs und fanden dabei Gehör bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger beklagte eine deutsche „Moralpolitik“ im Umgang mit China. Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) drängten dagegen auf eine härtere Linie.

Die Grünen sind Vorreiter einer sogenannten „wertebasierten“ Außenpolitik, die Menschenrechtsfragen nutzt, um Handelskriegsmaßnahmen und Kriege zu rechtfertigen. Dabei gelten die propagierten „Werte“ stets nur für Rivalen und Gegner, nicht aber für Verbündete wie den ägyptischen Schlächter Abdel Fatah El-Sisi, den saudischen Herrscher Mohammed bin Salman oder den indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, der für blutige Pogrome verantwortlich ist. Ihnen wird in Berlin der rote Teppich ausgerollt. Auch verbrecherische Kriege fallen nicht in diese Kategorie, wenn sie von der Nato, den USA oder Deutschland selbst geführt werden.

Die jetzt veröffentlichte Chinastrategie ist ein Kompromiss. Darin besteht die Bedeutung der ständig wiederholten Formel, es gehe um De-Risking (Risiko-Verminderung) und nicht um Decoupling (Abkoppelung).

Die Unternehmerverbände signalisierten Zustimmung. BDI-Präsident Siegfried Russwurm sagte, man teile die Einschätzung der Bundesregierung, als zweitgrößter Markt der Welt bleibe China aber ein absolut zentraler Wirtschaftspartner. DIHK-Präsident Peter Adrian nannte die Strategie einen guten Ansatz und mahnte zusätzliche öffentliche Gelder für die Erschließung neuer Absatz-, Bezugs- oder Investitionsmärkte an.

China verurteilte die Chinastrategie der Bundesregierung scharf. Sie werde „nur das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken“ und „menschengemachte Risiken schaffen“, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin. „Das Gezeter über den sogenannten Wettbewerb der Systeme, Interessen und Werte widerspricht dem Trend der Zeit und wird die Spaltungen auf der Welt nur verschärfen.“

Bei der Formel De-Risking statt Decoupling geht es letztlich nur um eine Frage des Tempos. Die Konfrontation mit China folgt einer unausweichlichen Logik. Nachdem sich die Bundesregierung im Stellvertreterkrieg gegen Russland uneingeschränkt auf die Seite der USA gestellt und eine führende Rolle beim Aufmarsch der Nato in Osteuropa und der Aufrüstung der Ukraine übernommen hat, schwenkt sie auch gegen China auf die Linie der USA ein, die das Land zu ihrem wichtigsten strategischen Gegner erklärt haben und systematisch einen Krieg gegen China vorbereiten.

„Deutschlands Sicherheit beruht auf der Handlungsfähigkeit und dem inneren Zusammen­halt der EU, der Festigung der transatlantischen Allianz, unserer tiefen Freundschaft mit Frankreich und der engen und vertrauens­vollen Partnerschaft mit den USA,“ heißt es dazu in der Chinastrategie. „Chinas antagonistisches Verhältnis zu den USA steht im Widerspruch zu diesen Interessen.“

Nicht nur die USA und Deutschland, auch alle anderen imperialistischen Länder schwenken angesichts der tiefen Krise des Weltkapitalismus auf eine nationalistische Politik des Kriegs und des Wirtschaftskriegs ein.

1933, als am Vorabend des Zweiten Weltkriegs eine ähnliche Entwicklung stattfand, schrieb Leo Trotzki in „Nation und Weltwirtschaft“: „Noch vor zwei Jahrzehnten brachten einem die Schulbücher bei, die Weltarbeitsteilung, die auf den natürlichen und geschichtlichen Entwicklungsbedingungen der Menschheit beruht, sei ein mächtiger Faktor des Reichtums und der Kultur. Heute erweist sich der Weltaustausch als die Quelle aller Übel und Gefahren.“

Und er warnte: „Der Nationalismus … bereitet nicht die Besänftigung der Wirtschaft im nationalen Rahmen, sondern vulkanische Ausbrüche und grandiose Zusammenstöße vor.“ Das bestätigte sich nur sechs Jahre später mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Heute droht wieder dieselbe Gefahr. Handelskrieg und Krieg werden auf dem Rücken der Arbeiterklasse und der Jugend ausgetragen, die mit ihren Arbeitsplätzen, ihren Einkommen, ihren sozialen Errungenschaften – und als Soldaten mit ihrem Leben – dafür bezahlen. Nur sie können diese gefährliche Entwicklung stoppen, indem sie sich international zusammenschließen und den Kampf zur Verteidigung ihrer Errungenschaften und Rechte mit dem Kampf gegen Krieg und Kapitalismus verbinden.

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