Gipfel in Vilnius markiert Kurswechsel der Nato auf Krieg gegen China

Auf dem Nato-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius wurde letzte Woche ein umfassender Plan für einen globalen Konflikt aufgestellt. Dabei wurde deutlich gemacht, dass der Krieg gegen Russland nur ein Schritt in Richtung Konfrontation und Krieg mit anderen wahrgenommenen Bedrohungen der imperialistischen Interessen ist. Das gemeinsame Kommuniqué machte deutlich, dass China ganz oben auf der Liste der wahrgenommenen Bedrohungen steht. Es kündigte den Aufbau einer weitaus größeren Militärpräsenz der Nato im indopazifischen Raum an, zusammen mit den Verbündeten der USA in der Region.

Australiens Premierminister Anthony Albanese, hinter ihm (von links nach rechts) der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol, der japanische Premierminister Fumio Kishida und der neuseeländische Premierminister Chris Hipkins, beim Nato-Gipfeltreffen in Litauen (Foto: Facebook-Profil von Anthony Albanese) [Photo: Anthony Albanese Facebook]

Im Kommuniqué hieß es zwar, die Nato sei weiterhin „offen für ein konstruktives Engagement“ mit Peking, schilderte China jedoch in den düstersten Farben und erklärte, seine „Ambitionen und seine Politik des Zwangs sind eine Herausforderung für unsere Interessen, unsere Sicherheit und Werte“.

China wird vorgeworfen, „bei seiner Strategie, seinen Absichten und seiner Aufrüstung undurchsichtig zu sein“, „bösartige Hybrid- und Cyber-Operationen zu betreiben“, sich „konfrontativer Rhetorik und Desinformation“ zu bedienen, „wichtige Technologie- und Industriezweige, kritische Infrastruktur sowie strategische Materialien und Lieferketten kontrollieren“ zu wollen und „sein wirtschaftliches Gewicht zu benutzen, um strategische Abhängigkeiten zu schaffen und seinen Einfluss zu vergrößern“.

Was für eine unglaubliche Heuchelei! Der US-Imperialismus – mit der zunehmenden Einbindung seiner Verbündeten in Europa und Asien – betreibt seit mehr als zehn Jahren eine immer weiter eskalierende diplomatische, wirtschaftliche und strategische Konfrontation mit China. Unter den Präsidenten Obama, Trump und Biden haben die USA unter anderem folgende Schritte unternommen: die konfrontative Rhetorik verschärft; ihre wirtschaftliche Macht benutzt, um Strafzölle, Sanktionen und Verbote durchzusetzen; und eine massive militärische Aufrüstung und Konsolidierung feindlicher Bündnisse in der Region vorangetrieben. Bei allen diesen Schritten hat Washington versucht, so undurchsichtig wie möglich zu bleiben.

Der zentrale Vorwurf gegen China, der von den USA und ihren Verbündeten unablässig wiederholt wird, lautet, es wolle „die regelbasierte internationale Ordnung untergraben, darunter auch in den Bereichen Raumfahrt, Cyberspace und Seefahrt“. Doch dieser Vorwurf sagt mehr über Washingtons aggressive Pläne als über Peking. Die „regelbasierte internationale Ordnung“ ist nichts anderes als der Mechanismus, den der US-Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert hat, um den Weltkapitalismus zu stabilisieren und seine dominante Position in einer Weltordnung zu sichern, in der er die Regeln diktiert.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen ihres historischen Niedergangs setzen die USA ihre verbliebene militärische Stärke für den rücksichtslosen Versuch ein, ihre globale Hegemonie zu festigen. Nachdem Washington auf dem Balkan, im Nahen Osten, Nordafrika und Zentralasien einen verbrecherischen Angriffskrieg nach dem anderen geführt hat, befindet es sich jetzt im Krieg gegen Russland in der Ukraine, um Moskau zu destabilisieren und zu unterwerfen. Dieser dient als Vorspiel zu demselben Vorgehen gegen China, das Washington als größte Bedrohung für seine globale Vorherrschaft betrachtet.

Während die USA und ihre Nato-Verbündeten die Ukraine mit Dutzenden von Milliarden an immer modernerem Kriegsgerät ausrüsten, um Russland politisch in die Knie zu zwingen, fordern sie China auf, den russischen Einmarsch in die Ukraine zu verurteilen und warnen drohend, es solle darauf verzichten, Russland „tödliche Hilfe in jeder Form zur Verfügung zu stellen“. Der russische Einmarsch in die Ukraine war zwar motiviert von den reaktionären nationalen Interessen des Putin-Regimes und der vermögenden Oligarchie, die es repräsentiert, doch die USA haben Moskau vorsätzlich dazu aufgestachelt, indem sie Russland schrittweise mit Nato-Verbündeten eingekreist haben.

Jetzt organisieren die USA ähnliche Provokationen gegen China. Sie werfen ihm vor, es wolle in Taiwan einmarschieren, während Washington die Insel zunehmend als unabhängigen Staat behandelt, obwohl es weiß, dass dies für Peking eine rote Linie ist.

Die Aufrüstung nicht nur der USA, sondern auch der Nato in Asien wird durch die Präsenz der Regierungschefs von vier Verbündeten der USA – Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland – an den beiden Nato-Gipfeln in Madrid 2022 und Vilnius in diesem Jahr verdeutlicht. Das hebt das nicht ausgesprochene Einvernehmen der US-Verbündeten auf beiden Seiten der Welt hervor, dass der Ukraine-Krieg kein isolierter, sondern ein globaler Konflikt ist. So haben die so genannten Asia Pacific Four (AP4) den Nato-Krieg gegen Russland mit Hilfsgeldern und Personal unterstützt, während die Nato-Verbündeten ihre Beziehungen und ihre Militärpräsenz in Asien ausweiten.

Die Biden-Regierung hat zwei wichtige strategische Pakte im Indopazifik geschmiedet: den Quadrilateral Security Dialogue (Quad), an dem die USA, Japan, Australien und Indien beteiligt sind, und das AUKUS-Abkommen zwischen den USA, Großbritannien und Australien. Als offenkundige Vorbereitung auf einen Krieg gegen China wird AUKUS Australien atomar betriebene Angriffs-U-Boote und andere hochmoderne Waffen liefern. Indien war der einzige Teilnehmer, der nicht zum Nato-Gipfel eingeladen wurde. Während sich Neu-Delhi dem Kurs der USA gegen China angeschlossen hat, weigert es sich, den Einmarsch in die Ukraine zu verurteilen, da es wichtige Beziehungen zu Russland unterhält.

Nach dem Gipfel in Vilnius wird die Nato vermutlich den Status der AP4-Staaten aufwerten, die derzeit als „Partner in der ganzen Welt“ behandelt werden. Während die Einzelheiten der Diskussion noch unter Verschluss gehalten werden, führt die Nato mit jedem der vier Staaten Gespräche, um ein individuell zugeschnittenes Partnerschaftsprogramm zu formulieren. Die Dokumente sollen die Grundlage für eine viel engere Zusammenarbeit in einer Reihe von militärischen Fragen schaffen, u.a. in den Bereichen Cybersicherheit, Weltraum und der Bekämpfung so genannter Desinformation.

Vordergründig zeigte die Nato zwar Einigkeit nach außen, allerdings bestehen Differenzen zwischen den imperialistischen Großmächten, da jede von ihnen versucht, ihre eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen durchzusetzen. Am offensichtlichsten wurde dies durch Frankreichs Widerstand gegen eine Nato-Geschäftsstelle in Tokio, die als erste in Asien die Präsenz der Nato in der Region konkretisieren sollte. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte die Idee letzten Monat ins Spiel gebracht und behauptet, es handele sich dabei um eine Reaktion auf die wachsende Herausforderung durch China und Russland. Im Februar erklärte er, Japan sei als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt mit einem hochmodernen und schnell wachsenden Militär der fähigste Nato-Partner.

China reagierte wütend auf den Vorschlag. Wang Wenbin, ein Sprecher des Außenministeriums, wies auf die offensichtliche Tatsache hin, dass „Asien außerhalb des geografischen Geltungsbereichs des Nordatlantiks liegt... Allerdings haben wir gesehen, dass die Nato entschlossen ist, sich nach Osten in diese Region auszudehnen, sich in regionale Angelegenheiten einzumischen und eine Konfrontation zwischen Blöcken zu schüren“.

Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte öffentlich, dieser Schritt wäre ein „großer Fehler“. Ein ungenannter französischer Regierungsvertreter erklärte gegenüber der Financial Times: „Das N in Nato [steht für] Nordatlantik, und die Artikel 5 und 6 [ihrer Statuten] beschränken ihren Wirkungsbereich eindeutig auf den Nordatlantik. ... Es gibt in keinem Land der Region ein Nato-Verbindungsbüro. Wenn die Nato Erkenntnisse über die Lage in der Region braucht, kann sie die Botschaften nutzen, die als Kontaktstellen vorgesehen sind“.

Im April hatte Macron nach einem Besuch in China gegenüber der französischen Presse erklärt, Europa solle den USA nicht blindlings folgen: „Europa ist dabei, Elemente einer echten strategischen Autonomie zu schaffen und sollte nicht in irgendeinen Panikreflex verfallen und der amerikanischen Politik folgen“. Wenn Europa beim Thema Taiwan nur ein „Mitläufer“ der USA sei und sich „dem amerikanischen Tempo und einer chinesischen Überreaktion anpasst“, würde es zum „Vasallen“ werden, obwohl es ein „dritter Pol“ sein könnte. Macrons Äußerungen sind ein Ausdruck der Befürchtungen in Frankreich und allgemeiner in den herrschenden Kreisen Europas, dass ihre Unterstützung der US-Provokationen gegen China negative Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und strategischen Interessen Europas haben wird.

Die USA bereiten einen globalen Konflikt mit Atommächten vor, ohne die geringste Rücksicht auf die Folgen für die Menschheit. Doch alle imperialistischen Mächte, besonders jedoch die USA, sind mit zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Krisen konfrontiert, die durch den Ukraine-Krieg verschärft werden und den Ausbruch von Klassenkämpfen befeuern. Die Hinwendung zum globalen Krieg dient nicht nur ihren räuberischen Interessen im Rest der Welt. Es ist auch ein verzweifelter Versuch, die immensen sozialen Spannungen auf einen äußeren Feind umzulenken.

Doch der eskalierende Klassenkampf liefert die soziale Grundlage, um den Kurs auf eine nukleare Katastrophe aufzuhalten. Dies erfordert die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse in einer Antikriegsbewegung auf der Grundlage der Abschaffung des Kapitalismus und seiner bankrotten Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten.

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