Bahn-Tarifkampf: Stimmt gegen den Schlichterspruch und für unbefristeten Streik!

Am Mittwoch legte die Schlichtungs-Kommission im Bahn-Tarifkampf ihr Ergebnis vor, drei Tage früher als angekündigt. Es unterscheidet sich nur geringfügig vom ursprünglichen Angebot der Bahn, das eine massive Reallohnsenkung und eine extrem lange Laufzeit von 27 Monaten beinhaltete und auf massiven Widerstand der Beschäftigten gestoßen war.

Trotzdem hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sofort ihre Propagandamaschine angeworfen. Sie preist die Schlichtungsempfehlung in höchsten Tönen als „fairen Kompromiss“. Mit Zahlentricks, Verschleierung und offenen Falschdarstellungen wird das Ergebnis schöngeredet und den Beschäftigten zur Annahme empfohlen.

EVG- und Verdi-Warnstreik und Demonstration, 27. März 2023 in Leipzig (Foto: WSWS)

EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch begann seine Lobrede auf die Schlichtungsempfehlung mit den Worten: „Ich bedanke mich für die Schlichtungsleistung von Prof. Heide Pfarr und Dr. Thomas de Maizière.“

Dazu ist zu sagen, dass beide – Pfarr und de Maizière – die Interessen der Bundesregierung vertreten, die 100-prozentige Eigentümerin der Bahn ist. Heide Pfarr ist seit über fünfzig Jahren SPD-Funktionärin, war Senatorin in Berlin und Landesministerin in Hessen und steht in engem Kontakt zu Kanzler Scholz. De Maizière (CDU) war Bundesinnen- und Verteidigungsminister.

Loroch sagte dann, es sei mit der Schlichtung keine Einigung, sondern nur eine Empfehlung erreicht worden. Die EVG sehe in der Schlichtungsschlussempfehlung „klare Stärken“ und rufe zur Annahme auf. Dann behauptete er, die Empfehlung bedeute „für die allergrößte Zahl unserer Mitgliedschaft ein dauerhaftes Lohnplus im zweistelligen Bereich“. Das sei eine Erhöhung, „die es in dieser Größenordnung in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gab“.

Der Gewerkschaftsfunktionär überschlug sich regelrecht: „Entgelt-Erhöhung in fast allen Bereichen um 410 Euro“; „Einmalzahlung, damit unsere Kolleginnen und Kollegen schnell Geld kriegen“: „Fahrdienstleiter und Fahrdienstleiterinnen bekommen bis zu 900 Euro mehr“, das entspreche einem „Lohnplus von ca. 30 Prozent“; Zugbegleiter „bekommen bis zu 840 Euro mehr“, ein Lohnplus von 22 Prozent; Werkstattmitarbeiter und Instandhalter 24 Prozent Lohnplus, und so weiter. Das wird in den Medien unzählige Male wiederholt, aber das ändert nichts daran, dass es sich um einen Betrug handelt.

In Wahrheit bedeutet die Schlichtungsempfehlung massive Reallohnsenkung!

Statt wie ursprünglich gefordert 650 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten bietet das Schlichtungsergebnis nur 410 Euro bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Das sind auf ein Jahr umgerechnet 197 Euro, also weniger als ein Drittel der ursprünglichen Forderung. Hinzu kommt zwar noch die Einmalzahlung von 2850 Euro, aber diese ist nicht tabellenwirksam, wirkt sich also nicht auf die zukünftigen Gehälter aus.

Wird der Schlichtungsspruch angenommen, verdient ein Bahnbeschäftigter bei Auslaufen des Vertrags im Frühjahr 2025 real im Durchschnitt rund 15 Prozent weniger als im September 2020, als die Bahn und die EVG den jetzt ausgelaufenen Corona-Tarifvertrag vereinbarten. Während der langen Laufzeit dieses Vertrags sind die Gehälter nur um 1,5 Prozent gestiegen, die Verbraucherpreise laut Statistischem Bundesamt dagegen um 17,1 Prozent. Der Preisanstieg bei Lebensmitteln, Energie und Mieten war noch wesentlich höher. Die Reallöhne sind also seit 2020 um mehr als 15,6 Prozent gesunken.

Mit dem Schlichterspruch steigen die Nominallöhne laut Angabe von Bahn-Personalvorstand Seiler in zwei Stufen, am 1. Dezember 2023 und am 1. August 2024, um insgesamt durchschnittlich 11 Prozent. Die EVG nennt eine Zahl von 14,2 Prozent, doch das ist Propaganda, um den Abschluss schmackhaft zu machen.

In den letzten 12 Monaten sind die Verbraucherpreise um 6,5 Prozent gestiegen. Bleibt es bei diesem Tempo, liegen sie bei Auslaufen des Tarifvertrags um 13 Prozent höher als heute. Der Tarifvertrag würde also nicht einmal die laufende Inflation ausgleichen. Doch selbst wenn diese geringer verlaufen sollte, würden die gewaltigen Reallohnsenkungen der Corona-Zeit nicht ansatzweise wettgemacht.

Die EVG hat angekündigt, dass über den Schlichtungsvorschlag eine Urabstimmung stattfinden soll, und schickt nun ihre Funktionäre durch die Betriebe und Werkstätten, um Beschäftigte einzuschüchtern und ihnen zu drohen, dass bei einer Ablehnung auch die Inflationsausgleichzahlung verloren gehe.

Doch das wird ihr nicht leichtfallen. Die Wut über diese Erpressung und die Rolle der EVG ist groß. Auf Facebook und Twitter häufen sich wütende Kommentare.

Murat K. schreibt:

Ich bin bitter enttäuscht. Hatte mit unseren Forderungen Anfang des Jahres endlich mal große Hoffnungen gehabt, aber einfach alles für nichts.

Man hat am Anfang darauf gepocht, keine Einmalzahlung anzunehmen, jetzt nimmt man es doch an. Man wollte auf keine Schlichtung eingehen, letztendlich hat man es von sich aus sogar angeboten.

Man braucht sich nicht zu wundern, dass vor allem junge Kollegen kein Interesse mehr an Gewerkschaften haben.

Wir hatten unsere letzte Gehaltserhöhung im Jahr 2018. Diese 1,5% im Coronajahr sind nicht die Rede wert. Im Grunde laufen wir erneut in eine Lohnkürzung rein. Bitter für alle Kollegen, die diesen Laden mit extra Schichten, Überstunden, ohne Wertschätzung am Laufen halten.

Ich werde auf jeden Fall für einen Streik stimmen und ich hoffe, dass es die anderen Kollegen auch tun.

Andreas S. schreibt:

Schlichtungsempfehlung muss abgelehnt werden!!! Das alles ist nur ein Witz!!! Das sind nur 10€ mehr als das tolle schlechte Angebot vom Seiler!!! In der Urabstimmung ablehnen!!! Wir brauchen unbefristete Streiks!!!!

Michael K. bemerkt:

Es gibt definitiv ein NEIN zu diesem Angebot, ich hoffe es werden mindestens 75% für NEIN stimmen. Die ganze Zeit heißt es, dass der Inflationsausgleich nicht in die Verhandlungen einfließt, jetzt nutzt man wieder den Inflationsausgleich. Jetzt zählt nur noch der Generalstreik. Der Bahnvorstand schiebt sich das Geld in die Taschen und der kleine Arbeiter wird wieder mal verarscht.

Es ist unbedingt nötig, alle Bahn-Kolleginnen und Kollegen dafür zu gewinnen, den Schlichterspruch in der Urabstimmung abzulehnen. Das wird aber nicht ausreichen, um einen unbefristeten Vollstreik zu organisieren und die berechtigte und notwendige ursprüngliche Forderung durchzusetzen.

Die EVG wird dies ebenso sabotieren, wie es Verdi bei der Post getan hat, wo 86 Prozent für Streik gestimmt hatten. Sie steckt mit dem arroganten Bahn-Management, das sich selbst die Taschen vollstopft, und der Bundesregierung unter einer Decke.

Während der DB-Vorstand sich unnachgiebig gegen angemessene Lohnerhöhungen stellt, genehmigt er sich selbst astronomische Gehalts- und Boni-Zuwächse. So hat Bahn-Chef Lutz 2022 doppelt so viel Gehalt bekommen wie im Vorjahr – inklusive Boni waren es 2,24 Millionen Euro. Der Infrastrukturvorstand Berthold Huber und Personalvorstand Martin Seiler verdoppelten ihre Gehälter auf rund 1,4 Millionen Euro. Laut Recherchen von Business Insider sollen alle Führungskräfte seit Januar 2023 14 Prozent mehr Grundgehalt pro Monat bekommen.

Um den Schlichterspruch zu kippen, muss die Urabstimmung zum Auftakt einer Rebellion gegen die EVG gemacht werden. Bahnarbeiterinen und -arbeiter müssen sich unabhängig organisieren und die Streikvorbereitung selbst in die Hand zu nehmen. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei der Post und in anderen Bereichen haben begonnen, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen. Das ist jetzt auch bei der Bahn die wichtigste und dringendste Aufgabe.

Noch ist es nicht zu spät, der Ausverkauf der EVG kann verhindert werden. An Kampfbereitschaft fehlt es nicht. Das haben die vergangenen Warnstreiks sehr deutlich gezeigt.

Der Tarifkampf bei der Bahn ist Bestandteil eines internationalen Aufschwungs des Klassenkampfs, an dem sich immer breitere Schichten der Arbeiterklasse beteiligen. Im öffentlichen Dienst haben sich über zweieinhalb Millionen – Flughafenarbeiter, Krankenpfleger, Kita-Erzieherinnen, Müllwerker, etc. – am Kampf gegen Reallohnsenkungen und Sozialabbau beteiligt. Weltweit nehmen Streiks und Proteste zu.

Die Bundesregierung steckt hunderte Milliarden Euro in Krieg und Aufrüstung und lässt die Arbeiterklasse dafür bezahlen. Die gesellschaftliche und soziale Infrastruktur zerfällt und die Reallöhne werden gesenkt.

Diese Angriffe können nur zurückgeschlagen werden, wenn sich die Arbeiter branchenübergreifend und international vereinen und sich unabhängig von den Gewerkschaften organisieren, die überall unter einer Decke mit den Regierungen und den Konzernen stecken.

Deshalb ist der Aufbau unabhängiger Aktionskomitees, die von vertrauenswürdigen Arbeitern geleitet werden und auf die der Gewerkschaftsapparat keinen Einfluss hat, so wichtig. Die Vierte Internationale und die Sozialistische Gleichheitspartei haben die Initiative zum Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) ergriffen, um den Aufbau der Aktionskomitees voranzubringen und international zu koordinieren.

Die erste Aufgabe von Aktionskomitees bei der Bahn besteht darin, einen Ausverkauf durch die EVG zu verhindern und für einen unbefristeten Streik zu kämpfen. Die Inflation und die Einkommensverluste der vergangenen Jahre müssen voll ausgeglichen werden.

Die Aktionskomitees müssen zum Ausgangspunkt für den Kampf für eine Gesellschaft werden, in der die Arbeiterklasse – die große Mehrheit – das Sagen hat und in der die menschlichen Bedürfnisse und nicht die Profite der Reichen, ausschlaggebend sind, d.h. für eine Gesellschaft, die nach sozialistischen Grundsätzen organisiert ist.

Wir rufen die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner auf, mit uns Kontakt aufzunehmen. Vernetzt euch mit euren Kollegen bei der Post und im Öffentlichen Dienst. Die Aktionskomitees sind per Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +49-163-337 8340 zu erreichen. Registriert euch auch über das folgende Formular.

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