Perspektive

Faschistoide Kampagne gegen Migration in Europa kostet tausende Flüchtlinge das Leben

Die europäische Arbeiterklasse muss der bösartigen flüchtlingsfeindlichen Kampagne entgegentreten, die in allen Ländern des Kontinents tobt.

Migranten aus Eritrea, Libyen und dem Sudan drängen sich im Laderaum eines Holzbootes im Mittelmeer, etwa 30 Meilen nördlich von Libyen. 17. Juni 2023 [AP Photo/Joan Mateu Parra]

Eine Sprache, die historisch mit der faschistischen Rechten in Verbindung gebracht wird, ist in den europäischen Parlamenten und Medien alltäglich geworden und stellt die Ankunft verzweifelter Menschen, die Arbeit und Sicherheit suchen, als Invasion dar, die um jeden Preis abgewehrt werden muss.

Faschistische Personen und Organisationen wie die italienische Mussolini-Erbin Giorgia Meloni, Marine Le Pen in Frankreich, die franquistische Vox-Partei in Spanien und die AfD in Deutschland werden im bürgerlichen politischen Mainstream willkommen geheißen. Sie geben den Ton an für ein Ausmaß an Fremdenfeindlichkeit, das es in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.

Diese Woche kündigte die polnische Regierung als Reaktion auf den neuen Mechanismus der Europäischen Union zur Zuweisung von Migranten ein abstoßendes und provokatives Referendum an, das die Frage stellt: „Unterstützen Sie die Aufnahme tausender illegaler Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika?“

Die britische Regierung dämonisiert nicht nur die Migranten – die in mit Legionellen verseuchte Gefängnisschiffe gepfercht werden –, sondern sogar die Anwälte, die sie vertreten.

Überall werden die traditionellen rechten Parteien in ihrer migrantenfeindlichen Politik von sozialdemokratischen und pseudolinken Regierungen unterstützt oder können auf deren Unterstützung durch die Opposition zählen.

Die europäischen Regierungen sind die Architekten einer migrationsfeindlichen Infrastruktur, die es so noch nirgendwo auf der Welt gibt: ein System aus schwer bewachten Mauern, Zäunen und Stacheldraht, Internierungslagern und Vereinbarungen mit brutalen Milizen und Regimen an der Peripherie des Kontinents, die zusammen eine „Festung Europa“ bilden.

Der militärische Begriff ist vollkommen angemessen. Die herrschenden Klassen Europas befinden sich im Krieg mit der Mehrheit der Menschheit, die durch imperialistische Gewalt und kapitalistische Ungleichheit ihrer Lebensgrundlagen beraubt wurde.

Betrachtet man die erheblich gestiegene Zahl von Menschen, die 2015 und 2016 begannen, in Europa Asyl zu beantragen, waren die größten nationalen Gruppen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Diese Menschen flohen vor imperialistischen Kriegen und Stellvertreterkriegen, die ihre Gesellschaften zerstört haben. Andere flohen vor bitterer Armut, repressiven Regierungen, gewaltsamen internen Konflikten und der Zerstörung durch den Klimawandel.

Zu diesen Schreckensszenarien kommen seither noch steigende Lebensmittelpreise aufgrund des Nato-Russland-Kriegs in der Ukraine hinzu, der selbst vier Millionen ukrainische Flüchtlinge hervorgebracht hat, sowie aufkommende Schuldenkrisen und massive Sozialkürzungen, die durch die Pandemie und den weltweiten Zinsanstieg noch verschärft werden.

Die Zahl der Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, nimmt wieder zu. Sie sind mit einem milliardenschweren Apparat konfrontiert, der sich über eine riesige geografische Front erstreckt und von der Westküste Marokkos bis zur Türkei, von den Grenzen Europas bis zur südlichen Sahara reicht.

Der jüngste Staatsstreich in Niger und die Gefahr eines die ganze Region umfassenden Krieges haben die erste Verteidigungslinie in der afrikanischen Sahelzone ins Rampenlicht gerückt – der Hohe Vertreter der EU für die Sahelzone, Ángel Losada, bezeichnete sie als Europas „vordere Grenze“. Hier und im Sudan – zwei Tore zur Sahara – finanzieren europäische Gelder, die zynisch als „humanitäre Hilfe“ bezeichnet werden, Grenzkontrollen, die Migranten dazu zwingen, gefährlichere Routen zu nehmen. Sie werden von Kräften überwacht, die nachweislich Menschenrechte verletzen.

Die Vereinten Nationen haben bereits angedeutet, dass die Zahl der Todesopfer unter den Flüchtlingen in der Sahara wahrscheinlich mindestens doppelt so hoch ist wie die Zahl der Todesopfer im Mittelmeer. Einer erklärtermaßen konservativen Schätzung der Internationalen Organisation für Migration zufolge liegt diese seit 2014 bei 27.845.

Die Türkei und Nordafrika erhalten noch mehr Geld, um die Überfahrt nach Europa zu verhindern. Zwischen der EU und der türkischen Regierung wurde 2016 ein 6-Milliarden-Euro-Deal für mehr Grenzsicherheit und die pauschale Abschiebung von Flüchtlingen vereinbart.

Im Rahmen von Finanzierungsabkommen mit Libyen und Tunesien werden gesetzlose Milizen als Grenzwächter eingesetzt. Nichtregierungsorganisationen, die versuchen, Schiffe in Not zu retten, werden von der Küstenwache beschossen. Gefangene Migranten werden geschlagen und mit Stromschlägen traktiert, ausgeraubt, wenn es noch etwas zu stehlen gibt, zurück an Land gebracht und in einem undurchsichtigen Netz von Internierungslagern festgehalten, wo Folter, Erpressung, Zwangsarbeit und Sklaverei an der Tagesordnung sind. Viele werden nach Süden deportiert und in der Wüste zurückgelassen.

Schiffe, die nach Europa fahren, versuchen immer gefährlichere Überfahrten, um diesem Schicksal zu entgehen, und verwandeln das Mittelmeer und weite Teile der nordafrikanischen Küste in einen gigantischen Friedhof. Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex trägt ihren Teil dazu bei, indem sie Migrantenschiffe illegal aus den Gewässern der EU vertreibt, während die südeuropäischen Staaten Gesetze erlassen, um humanitäre Organisationen zu behindern und ihren Mitarbeitern mit Strafanzeigen zu drohen.

Auf dem europäischen Festland verschärft jedes Land seine Grenzen gegenüber seinen Nachbarn und errichtet einen Spießrutenlauf aus Stacheldraht, Metallzäunen und gewalttätigen Patrouillen. Gelingt es den Migranten, eine Grenze zu überqueren, werden sie häufig zur nächsten Grenze getrieben, wo sie eine Reihe von behelfsmäßigen Lagern passieren.

Um diese Politik zu verstärken, vereinbarte die EU im Juni dieses Jahres in Luxemburg einen neuen Migrationsplan, der schnelle Abschiebungen vorsieht, selbst in Länder, zu denen abgelehnte Asylbewerber auch nur die geringste Verbindung haben – darunter die Staaten, die sie auf ihrem Weg nach Europa durchquert haben. Die Bemühungen des Vereinigten Königreichs, Asylbewerber nach Ruanda abzuschieben, folgen der gleichen Politik.

Kein Verbrechen ist zu groß. Im Juni dieses Jahres ertranken infolge des Handelns der griechischen Küstenwache mehr als 600 Migranten auf einem Fischereifahrzeug. Obwohl die griechischen Behörden versuchten, den Vorfall zu vertuschen, haben Untersuchungen ergeben, dass sie versucht hatten, das Boot auf unsichere Weise aus ihren nationalen Gewässern zu ziehen, wodurch es kenterte.

Diese und ähnliche Schicksale dringen in der bürgerlichen Presseberichterstattung kaum an die Oberfläche. Und wenn es zu massenhaftem Ertrinken kommt, schürt dies nur die fremdenfeindlichen Forderung „Stoppt die Boote!“ der Medien und des politischen Establishments.

Doch diese Tötungen sind nur die sichtbare Spitze eines Eisbergs menschlichen Leids.

Nur ein Bruchteil der weltweit über 108 Millionen Vertriebenen kommt jemals in die Nähe Europas oder eines reichen Landes. Ganze 70 Prozent kommen nie weiter als bis zu einem Nachbarstaat. Die meisten leben unter höllischen Bedingungen in Slums und Flüchtlingslagern in Afrika und Asien.

Inmitten dieser sozialen Katastrophe zerreißen europäische Politiker ihre rechtlichen Verpflichtungen zu humanitärem Recht und Konventionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg und im Schatten des Holocausts verabschiedet wurden, wie ein Stück Altpapier.

Europas rücksichtsloser Krieg gegen Migranten ist die Speerspitze eines reaktionären Angriffs der Bourgeoisie, der sich gegen die gesamte Arbeiterklasse richtet. Der Prozess, Massen von Menschen ihrer grundlegendsten demokratischen und sozialen Rechte zu berauben, wird zunehmend normalisiert und mit der Verschärfung des Ukrainekrieges und der Wirtschaftskrise weiter um sich greifen. Das Argument, dass eine Gesellschaft voller Millionäre und Milliardäre es sich irgendwie „nicht leisten“ kann, einige Migranten aufzunehmen, wird benutzt, um Sozialleistungen und Unterstützung für inländische Arbeiter zu kürzen.

Die Dämonisierung von Migranten wird genutzt, um die gesellschaftliche Wut über diese Zustände von den Superreichen als legitime Ziele abzulenken und verarmte Menschen aus anderen Ländern zu Sündenböcken zu machen – Spaltung zu schüren, um die Solidarität innerhalb der internationalen Arbeiterklasse zu brechen und der Zunahme von Streiks und Protesten auf dem gesamten Kontinent entgegenzuwirken. Dies liefert den ideologischen Treibstoff für rechte Organisationen, die in ganz Europa erhebliche Zugewinne in den Parlamenten erzielen, weil die weit verbreitete Empörung über die Behandlung von Asylbewerbern in der sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Bürokratie keinen politischen Ausdruck findet.

Es ist eine grundlegende Verantwortlichkeit der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, die Migranten zu verteidigen. Ihre eigene Zukunft hängt davon ab. Arbeiter in Europa müssen für das Recht aller eintreten, dort zu leben, wo sie wollen, frei von Unterdrückung und mit Zugang zu allen lebensnotwendigen Dingen wie Arbeit, Obdach, Bildung und Gesundheitsversorgung. Nur so können wir uns dem Bestreben der herrschenden Eliten Europas widersetzen, allen Menschen brutale Sparmaßnahmen und autoritäre Herrschaftsformen aufzuerlegen.

Ein solcher Kampf ist untrennbar mit dem Kampf gegen den imperialistischen Krieg verbunden, der weiterhin Gesellschaften zerstören und Millionen Menschen entwurzeln wird, bis er schließlich durch die sozialistische Neuorganisation der globalen Ressourcen beendet wird.

Dies bedeutet den Kampf gegen Kapitalismus aufzunehmen, dessen Aufteilung der Weltwirtschaft in antagonistische Nationalstaaten neben dem Privateigentum an den wesentlichen Produktionsmitteln die eigentliche Ursache für Krieg, wirtschaftliche Ausbeutung und Unterdrückung ist. Ein Gesellschaftssystem, in dem auf der einen Seite Vermögen über hunderte Milliarden Dollar von einigen wenigen angehäuft werden und auf der anderen Seite über 100 Millionen Menschen gezwungen sind, ihre Heimat ohne Besitz zu verlassen, hat seine Existenzberechtigung längst verloren.

Die „Festung Europa“ muss im Zuge einer globalen Abrechnung mit dem Kapitalismus niedergerissen und durch die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ersetzt werden.

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