USA planen Lieferung von ATACMS-Langstreckenraketen an die Ukraine

Das Army Tactical Missile System (ATACMS) [AP Photo/John Hamilton/U.S. Army ]

Wie mehrere Medien am Wochenende berichteten, hat US-Präsident Joe Biden gegenüber ukrainischen Regierungsvertretern angekündigt, dass die USA der Ukraine Langstreckenraketen schicken werden, die mehr als 300 Kilometer weit in russisches Staatsgebiet eindringen können.

Angesichts der fast täglichen ukrainischen Angriffe auf russisches Staatsgebiet stellt dies eine deutliche Eskalation der direkten US-Beteiligung im Ukrainekonflikt dar und schafft möglicherweise die Voraussetzungen für den Einsatz von US- und Nato-Truppen.

Dass die Biden-Regierung die letzten verbliebenen Einschränkungen ihrer direkten Beteiligung am Ukrainekrieg aufhebt, widerlegt alle Behauptungen, die USA befänden sich nicht im Krieg gegen Russland.

Im Mai hatte US-Präsident Joe Biden vor der Presse erklärt, die USA würden der Ukraine „keine Raketensysteme schicken, die Ziele im Inneren Russlands angreifen können... Wir ermutigen oder ermöglichen es der Ukraine nicht, Ziele jenseits ihrer Grenzen anzugreifen.“

Mit der Ankündigung folgten die USA einem bekannten Muster, eskalierende Maßnahmen erst öffentlich auszuschließen, dann aber dennoch durchzuführen. Dazu gehörten die Lieferung des HIMARS-Raketenwerfers, des Bradley-Schützenpanzers, der M1 Abrams-Panzer, von F-16-Kampfflugzeugen und dem ATACMS-Raketensystem.

Die Biden-Regierung hat seit Beginn des Konflikts darauf beharrt, dass sich die USA nicht im Krieg mit Russland befänden. Im Mair 2022 erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses Jen Psaki auf einer Pressekonferenz: „Das ist kein Stellvertreterkrieg... Es ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Die Nato ist nicht beteiligt.“

Doch seither haben die USA ihre direkte Beteiligung an dem Konflikt stark ausgeweitet. Sie haben nicht nur immer tödlichere Waffen mit immer größerer Reichtweite geschickt, sondern rechtfertigen auch offen ihre Nutzung für Angriffe auf Ziele im Inneren Russlands.

Anfang des Jahres befürworteten die USA öffentlich ukrainische Angriffe auf die Krim. Unterstaatssekretärin Victoria Nuland erklärte damals: „Das sind legitime Ziele. Die Ukraine attackiert sie, und wir unterstützen das.“

Jetzt wurde diese Erlaubnis faktisch auf ganz Russland ausgedehnt. Anfang September unterstützte US-Außenminister Antony Blinken öffentlich den Einsatz von Nato-Langstreckenraketen für Angriffe im Inneren Russlands durch die Ukraine und erklärte: „Es ist ihre Sache, zu entscheiden, welche die effektivsten Methoden zur Wiederherstellung ihrer territorialen Integrität sind.“

Die ATACMS haben eine Reichweite von fast 300 Kilometern und werden von HIMARS-Raketenwerfern abgefeuert. Die USA haben der Ukraine bereits die bodengestützten Small Diameter-Bombs (GLSDB) mit einer Reichweite von fast 150 Kilometern geliefert, ihr Verbündeter Großbritannien zudem Storm Shadow-Raketen mit einer Reichweite von über 280 Kilometern.

Storm Shadow-Raketen kamen im September bei zwei schweren Luftschlägen auf die Krim zum Einsatz. Am 13. September wurden sie benutzt, um ein russisches amphibisches Landungsschiff und ein U-Boot zu zerstören, die auf einem Trockendock in der Hafenstadt Sewastopol lagen. Knapp eine Woche später führte die Ukraine einen schweren Angriff auf das Hauptquartier der russischen Marine auf der Krim durch.

Mit anderen Worten, Nato-Waffen werden für Angriffe auf russische Ziele eingesetzt, wobei jeder Angriff das Leben dutzender russischer Soldaten kosten könnte.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow sprach am Wochenende das Offensichtliche aus, als er erklärte, die Nato befinde sich in einem direkten Krieg mit Russland: „Man kann das nennen, wie man will, aber sie befinden sich in einem direkten Krieg mit uns. Wir nennen es einen hybriden Krieg, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Sie unternehmen faktisch Kampfhandlungen gegen uns und benutzen die Ukrainer als Kanonenfutter.“

Die russische Militärdoktrin erlaubt den Einsatz von Atomwaffen, um von Russland beanspruchtes Gebiet zu verteidigen, wozu auch die Krim gehört.

Als Reaktion auf das Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive weiten die USA ihre direkte Beteiligung an dem Krieg aus und ermutigen die Ukraine, Angriffe auf Ziele im Inneren Russlands durchzuführen. Doch um das Ziel der USA zu erreichen, Russland in der Ukraine eine strategische Niederlage beizubringen, müssten Nato-Truppen direkt in den Konflikt intervenieren.

Es deutet einiges darauf hin, dass die USA diesen Kurs einschlagen. Am Samstag berichtete die New York Times über ein US-Militärkrankenhaus in Deutschland, das mit Geldern des US-Verteidigungsministeriums betrieben wird. Dort werden momentan mehr als ein Dutzend amerikanische Staatsbürger behandelt, die in der Ukraine gekämpft haben.

Die Times berichtete: „Die Army hat stillschweigend damit begonnen, verwundete Amerikaner und andere Kämpfer, die aus der Ukraine evakuiert wurden, im Landstuhl Regional Medical Center zu behandeln. Ihre Anzahl ist bisher gering — derzeit sind es vierzehn — allerdings stellt dies einen neuen Schritt bei der zunehmenden Beteiligung der USA in dem Konflikt dar.“

Im Juli bewilligte das Pentagon Gefahrenzulage für amerikanische Soldaten in der Ukraine. Diese wird normalerweise für aktive Kampfgebiete wie die Kriege in Vietnam, im Irak und Afghanistan bewilligt.

Im letzten November gab Brigadegeneral Pat Ryder von der US Air Force zu, dass Truppen des Pentagon bereits in der Ukraine stationiert sind. Ryder bestätigte, dass diese Truppen bereits im ganzen Land eingesetzt sind und „Inspektionen der Sicherheitsunterstützung an mehreren Orten durchführen.“

Das Magazin Foreign Affairs veröffentlichte am Freitag einen Artikel mit dem Titel „Warum Amerika Militärberater in die Ukraine schicken sollte“, in dem es als eines der ersten Medien offen für die Entsendung weiterer US-Truppen in die Ukraine warb.

Der Artikel, zu dessen Autoren ein aktiver US-Oberstleutnant gehört, argumentiert: „Washington sollte deshalb die strengen Einschränkungen der Zahl von US-Regierungstruppen aufheben, die in der Ukraine erlaubt sind, und damit beginnen, Militärberater im Land und dessen Verteidigungsapparat zu stationieren.“

In dem Artikel heißt es: „Die Stationierung von Militärberatern ist letztlich einer der besten Wege, mit denen Washington Kiew zum Sieg verhelfen kann, vor allem hinsichtlich der Kosten. Die routinemäßige Stationierung einer Taskforce aus einem Bataillon Sicherheitskräfte kostet etwa zwölf Millionen Dollar.“

Ein Bataillon besteht aus bis zu 1.000 Soldaten.

Weiter heißt es: „Mit anderen Worten, die Berater werden dabei helfen, den Krieg zu seinem Endergebnis zu bringen: eine freie Ukraine, die in die Institutionen an der Grundlage Europas integriert ist.

„US-Berater könnten natürlich Ziel von Angriffen werden: in der Ukraine ist niemand wirklich vor Russland sicher. Experten könnten auch befürchten, dass der Einsatz von Bodentruppen unweigerlich zu einem unbegrenzten US-Militäreinsatz führen wird.“

Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass Nato-Truppen bereits an Kampfeinsätzen beteiligt sind. Am Samstag behauptete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti, russische Truppen hätten einen Leopard-Panzer ausgeschalten, der von deutschen Soldaten bemannt war. Diese hatten sich als Angehörige der Bundeswehr identifiziert, waren aber später an ihren Verletzungen gestorben.

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