Massiver Stellenabbau bei DB Cargo: 1.800 Arbeitsplätze betroffen

Bei der Bahntochter DB Cargo droht ein massiver Stellenabbau. 1.800 Arbeitsplätze oder sechs Prozent der rund 30.000-köpfigen Belegschaft sollen abgebaut werden. Das hat das Wirtschaftsportal Business Insider am Montag berichtet, und der Bahnvorstand hat die Zahl nicht dementiert. Genaueres will Sigrid Nikutta, DB Cargo-Chefin und Vorstandsmitglied der Bahn, im Oktober in einem Weißbuch vorlegen.

Güterzug der Deutschen Bahn

Die Eisenbahnergewerkschaft EVG hat auf die Ankündigung mit ihrer üblichen Doppelzüngigkeit reagiert. Sie hat sie als „Zerschlagung des Güterverkehrs“ denunziert und ihren Mitgliedern in einer Mitteilung angekündigt: „Nicht mit uns!“ Das ist aber pure Heuchelei, denn die EVG-Führung unter Martin Burkert führt nach eigenen Angaben kontinuierlich Gespräche mit dem Bahnvorstand, um den „Transformationsprozess“ zum Erfolg zu führen und DB Cargo „wettbewerbsfähig“ zu machen.

Die Abbaupläne beim Güterverkehr sind nicht erst seit gestern bekannt. Nikutta arbeitet seit ihrem Antritt bei der Bahn 2019 eng mit der Unternehmensberatung Roland Berger zusammen, um DB Cargo profitabel zu machen. Besonders im Visier ist dabei der sogenannte Einzelwagenverkehr, bei dem einzelne Waggons zu den Firmengleisen von über tausend Konzernen gefahren, wieder abgeholt und zu langen Güterzügen zusammengestellt werden. Dazu braucht es besondere Ladestellen und Rangierbahnhöfe, die hohe staatliche Subventionen verschlingen.

Schon im Frühsommer waren es ausgerechnet die EVG-Führer, die darauf hinwiesen, dass der Einzelwagenverkehr drastisch abgebaut oder ganz eingestellt werden könnte. Nicht 1.800, sondern bis zu 10.000 Stellen wären damit auf der Kippe, wie Jörg Hensel, Europa-Betriebsratschef bei DB Cargo, im Juni dem Handelsblatt sagte. Hensel erklärte:Der Plan B sieht vor, dass von den derzeit rund 1000 Güterverkehrsstellen nur noch 100 übrigbleiben werden.“ Und EVG-Chef Martin Burkert warnte in der Süddeutschen Zeitung: „Der Güterverkehrstochter der Bahn, der DB Cargo, geht es miserabel. 10.000 Jobs sind dort in Gefahr.“

Dies war noch vor den langwierigen Schlichtungsverhandlungen, mit denen die EVG den Tarifkampf abwürgte und ihren Mitgliedern massive Reallohnsenkungen und weitere Angriffe aufs Auge drückte. Ein Streik wurde trotz überwältigender Kampfbereitschaft systematisch verhindert. Nun zeigen die angekündigten Stellenstreichungen umso deutlicher, dass die EVG-Führung auf der Seite der Bahn und der Regierung, nicht der Arbeiter steht.

Martin Burkert ist nicht nur Gewerkschaftschef, sondern sitzt auch als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Bahn sowie in mehreren Aufsichtsräten von Bahn-Tochterunternehmen. Als ehemaliger langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter pflegt er enge Beziehungen zur SPD in der Regierung. Sein Vorgänger im Aufsichtsrat, Alexander Kirchner, hatte die Berufung von Sigrid Nikutta an die Spitze der DB Cargo ausdrücklich befürwortet.

Nikutta selbst hat sich zuvor in Berlin einen Namen als harte Saniererin gemacht, als sie die Berliner Verkehrsbetriebe auf Kosten der Beschäftigten und Passagiere aus den roten Zahlen führte. Ihr Auftrag bei DB Cargo lautet ausdrücklich, den Güterverkehr profitabel zu gestalten. Dafür wird sie – wie alle Vorstände – fürstlich entlohnt. Erhielt sie bei der BVG jährlich eine halbe Million Euro, so kassiert sie heute als Bahn-Vorständin nahezu das Dreifache.

Am Mittwoch nickte der Aufsichtsrat eine massive Erhöhung der Vorstandsgehälter ab. Statt eines jährlichen Fixgehalts von 396.000 Euro kassieren die Topleute des Staatskonzerns künftig 700.000 Euro, eine Steigerung um fast 77 Prozent. Die Zielvergütung einschließlich Boni wird von 1,1 auf 1,4 Millionen Euro angehoben.

Gegenüber der Öffentlichkeit wird diese massive Gehaltserhöhung mit der Behauptung verschleiert, die Boni seien künftig weit stärker als bisher an die Leistung des jeweiligen Vorstandsmitglieds gebunden. Tatsächlich sinkt deren Risiko, das Maximalgehalt nicht zu erreichen, da das Grundgehalt künftig 50 Prozent der Bezüge statt wie bisher 36 Prozent ausmacht.

Der Kahlschlag bei DB Cargo ist eine Kampfansage an die Eisenbahner, aber auch an die arbeitende Bevölkerung insgesamt. Die Bundesregierung, Eigentümerin der Deutschen Bahn, ist nicht länger bereit, defizitäre Bestandteile des Bahnkonzerns aus ihrem Kriegshaushalt auszugleichen. Allen Phrasen von Umweltschutz und Klimawende zum Trotz scheut die Ampel-Koalition, in der die Grünen sitzen, nicht davor zurück, notfalls den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße zu verlagern.

Vor allem aber ist der Plan, 1.800 Stellen bei DB Cargo zu streichen, ein Frontalangriff auf die Eisenbahner im Güterverkehr. Bei grassierendem Personalmangel auf der Schiene, in den Leit- und Rangierstellen und Bahnhöfen wird schon lange am Limit des Erträglichen gearbeitet. Der massive Arbeitsdruck erhöht die Unfallgefahr, und die Zahl schlimmer und tödlicher Unfälle nimmt stetig zu.

Dies hat vor kurzem der tragische Unfalltod eines jungen Lokführers bei Paderborn beleuchtet. Er war allein mit einem Güterzug voller Zement unterwegs, als die Bremsen versagten. Der Güterzug entgleiste mitten auf einem vielbefahrenen Dreieck, die Lokomotive stellte sich quer, und zwölf schwer beladene Waggons voller Zement verkeilten sich ineinander. Der Lokführer, der es trotz heldenhaftem Einsatz nicht verhindern konnte, wurde darunter begraben. Dies ist nur einer von bisher schon neun tödlichen Unfällen allein in diesem Jahr.

Auf dem jüngsten Treffen des Aktionskomitees Bahn wurde diese Entwicklung intensiv diskutiert. Das Aktionskomitee hat sich zum Ziel gesetzt, Arbeiter unabhängig von den Gewerkschaften EVG und GLD zusammenzuschließen. Es hat bei seiner Gründung zwei Prinzipien festgelegt. Erstens: Die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiter stehen höher als die Profite der Konzerne. Zweitens: Die Verbündeten der Eisenbahner sind nicht in den Vorstandsetagen und Gewerkschaftszentralen zu suchen, es sind die Eisenbahner und Arbeiter Europas und der ganzen Welt.

Mehrere Eisenbahner berichteten über dramatische Zustände an ihrem tagtäglichen Arbeitsplatz. Jetzt schon herrschten extrem unregelmäßige und lange Schichtzeiten und niedrige Löhne, die noch dazu bei der steigenden Inflation einfach verpufften.

Ein Mitarbeiter von DB Cargo berichtete, dass der Abbau von Arbeitsplätzen an Rangierbahnhöfen schon seit April oder Mai zu spüren sei. In einer Gruppe, die normalerweise acht Leute zähle, seien zuletzt gerade mal zwei Mitarbeiter aktiv an der Arbeit gewesen. „Dabei geht hier unbedingt Sicherheit vor“, wie er sagte. „Es kann so schnell passieren, dass einer unterm Wagen liegt.“

Das Problem versuche das Management jetzt dadurch zu lösen, dass die unterschiedlich ausgebildeten Mitarbeiter – Bergmeister, Rangierbegleiter, Wagenmeister, Berg- und Zuglokführer, etc. – jetzt alle als „Rangierbegleiter“ bezeichnet werden sollten, damit sie überall einsetzbar seien. „Auf diese Weise wird man jetzt durch den Bahnhof gejagt“, wie er sagte. Um einen Vergleich anzuführen: Das ist so, als bräuchte man eine Behandlung beim Zahnarzt und würde stattdessen auf einen Hautarzt oder Chirurgen treffen.

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