Perspektive

Die globalen Proteste gegen Israels Völkermord in Gaza müssen sich auf die Arbeiterklasse orientieren

Ein Teil der 300.000 Menschen, die am 21. Oktober 2023 in London gegen Israels Krieg gegen Gaza protestierten

Der eskalierende Völkermord Israels an den Palästinensern in Gaza hat auf allen bewohnten Kontinenten der Welt Massendemonstrationen ausgelöst, an denen sich Millionen Menschen beteiligen.

Die World Socialist Web Site begrüßt diese Demonstrationen als Ausdruck des enormen Widerstands gegen die grausamen Verbrechen der Netanjahu-Regierung in Israel. Eine lange Zeit der politischen Stagnation, in der die herrschenden Klassen ihre Politik des Krieges und der politischen Reaktion erfolgreich durchgesetzt haben, geht zu Ende.

Im Vereinigten Königreich nahmen am Samstag über 300.000 Menschen an einer Kundgebung in London teil, der größten Anti-Kriegs-Demonstration seit der Invasion des Irak 2003 und einer der größten in der Geschichte Londons. Zehntausende demonstrierten in New York, Chicago, Los Angeles und Washington D.C. Mehr als 15.000 Menschen versammelten sich am Sonntag auf dem Place de la Republique in Paris. Tausende demonstrierten in den deutschen Städten Köln, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Münster und Stuttgart, in Düsseldorf waren es 7.000. In Spanien, Australien, Kanada und vielen anderen Ländern kam es zu Massendemonstrationen.

Die Proteste breiten sich im gesamten Nahen Osten aus. Tausende Menschen drängten sich am Samstag auf dem ägyptischen Tahrir-Platz, dem Mittelpunkt der Massendemonstrationen des Jahres 2011, um den Befehlen der El-Sisi-Diktatur zu trotzen. In der vergangenen Woche kam es zu Demonstrationen im Libanon, in der Türkei, im Irak, in Jordanien, im Jemen, in Marokko, in Malaysia und in Indonesien. In Pakistan und Algerien haben mehr als eine Million Menschen protestiert, im marokkanischen Rabat waren es Hunderttausende.

Diese Proteste haben Menschen verschiedener Nationalitäten auf der ganzen Welt zusammengeführt. In den Vereinigten Staaten und Europa demonstrierten zahlreiche Jüdinnen und Juden, die die israelische Regierung des Völkermordes anklagten. Überall in den Vereinigten Staaten, in Europa und im Nahen Osten nehmen Jugendliche an Protesten und Schulausständen teil, während sich eine ganze Generation politisiert.

Angesichts dieser weltweiten Bewegung tun die Medienkonzerne so, als gäbe es die Demonstrationen gar nicht. Die Titelseiten der New York Times, der Washington Post und des Guardian haben die Demonstrationen ignoriert, und auch in den Abendnachrichten wurde nicht darüber berichtet.

In einem Artikel der Times mit dem Titel „What Voters Think About U.S. Support for the Wars in Israel and Ukraine“ wurde nicht einmal erwähnt, dass jeden Tag Massenproteste gegen den Krieg stattfanden. Die lokalen Medien sind nicht besser. In Chicago, wo am Wochenende Zehntausende demonstrierten, erschien in keiner der großen Zeitungen, weder in der Chicago Sun-Times noch der Chicago Tribune, darüber ein Artikel.

Diese Massenbewegung gegen Krieg entwickelt sich inmitten einer großen Eskalation des von der israelischen Regierung betriebenen Völkermordes. Mit Unterstützung der Biden-Regierung und der US-Nato-Achse verschärft Israel seine Bombenkampagne, um eine Invasion vorzubereiten. Die israelische Seite hat im nördlichen Gazastreifen Flugblätter abgeworfen, in denen erklärt wird, dass jeder, der nicht die Flucht antritt, als Terrorist behandelt wird. Sie fordert die Schließung aller verbleibenden Krankenhäuser im Norden, nachdem sie in der vergangenen Woche ein Krankenhaus bombardiert und dabei fast 500 Menschen getötet hat. Sie führt Drohnenangriffe auf Wohnhäuser durch und nimmt Journalisten ins Visier, die die Verwüstungen dokumentieren.

Nach Angaben von Al Jazeera wurden „in den letzten 24 Stunden mindestens 400 Menschen im gesamten Gazastreifen durch israelische Luftangriffe getötet, die palästinensische Medien als die ‚schwersten Bombardierungen‘ seit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober bezeichneten“. Israel hat auch Angriffe auf Dschenin im Westjordanland und die Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen durchgeführt, wohin viele Palästinenser geflohen sind, um die Grenze nach Ägypten zu überqueren.

Gleichzeitig bereiten sich die USA und die Nato-Mächte auf einen umfassenderen Konflikt in der gesamten Region vor. Die USA haben mehr als ein Dutzend Kriegsschiffe, darunter zwei Flugzeugträger, in den Nahen Osten entsandt und eine unbestimmte Anzahl von Truppen, wahrscheinlich mehrere Tausend oder Zehntausend, in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Das US-Personal evakuiert Botschaften in der gesamten Region in Erwartung eines regionalen Krieges.

Am Sonntag sprach sich der ehemalige Vizepräsident Mike Pence für die Entsendung von US-Bodentruppen in den Gazastreifen aus, während Senator Lindsey Graham ausdrücklich mit einer „dritten Front“ in diesem Krieg drohte, die sich direkt gegen den Iran richten würde.

Israels Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza ist Bestandteil eines globalen Ausbruchs imperialistischer Gewalt. Die herrschende Klasse in den USA betrachtet den Konflikt im Nahen Osten als eine Front in einem globalen Krieg, der auch Russland und China einschließt. Die Biden-Regierung hat den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober zum Anlass genommen, auf eine weltweite militärische Eskalation hinzuarbeiten. Zusätzlich zu den 14 Milliarden Dollar für den Krieg im Nahen Osten fordert Biden 60 Milliarden Dollar für den Krieg in der Ukraine.

Die Biden-Regierung ist bestrebt, das Debakel, das die Ukraine mit dem Scheitern ihrer Frühjahrsoffensive erlitten hat, rückgängig zu machen. Die USA haben alle Beschränkungen für die Bereitstellung von Militärgütern aufgehoben, und hinter den Kulissen werden Pläne für die Entsendung von US-Truppen in das Kampfgebiet geschmiedet. Der Krieg gegen Russland wird selbst als Teil der Vorbereitung eines Konflikts mit China gesehen.

Die Demonstrationen, die als Reaktion auf den Krieg in Gaza ausgebrochen sind, müssen weltweit ausgeweitet und gestärkt werden. Das Aufkommen einer Massenopposition wirft jedoch lebenswichtige Fragen zu Programm und politischer Perspektive auf.

Die zentrale Herausforderung bei der Entwicklung dieser Massenbewegung besteht darin, sie auf die Arbeiterklasse zu orientieren. Die Demonstrationen finden inmitten einer weltweiten Streikbewegung von Arbeitern aller Erdteile und aller Branchen statt.

In diesem Jahr sind alle Regierungen, die den israelischen Völkermord unterstützen, auf massiven Widerstand gestoßen. In Frankreich beteiligten sich Millionen Arbeiter an einer Massenstreikbewegung gegen den Angriff von Präsident Emmanuel Macron auf die Renten. Im Vereinigten Königreich haben zehntausende Bahn- und Postbeschäftigte einen erbitterten Kampf um ihre Arbeitsplätze und Löhne geführt.

In den USA findet derzeit die größte Streikbewegung seit Jahrzehnten statt, an der sich Schriftsteller, Akademiker und hunderttausende Autoarbeiter beteiligen, die der Gewerkschaftsapparat in enger Zusammenarbeit mit der Biden-Regierung verzweifelt zu kontrollieren versucht.

Die herrschende Elite führt einen Krieg an zwei Fronten: eine globale Neuaufteilung der Welt und einen internen Kampf gegen die Arbeiterklasse. Die Hunderte von Milliarden Dollar, die für den Krieg bereitgestellt werden, werden durch verschärfte Angriffe auf die Arbeiterklasse im eigenen Land finanziert. Darüber hinaus richtet sich der Angriff auf die demokratischen Rechte, der Versuch, den Widerstand gegen Israels Gräueltaten zu kriminalisieren, gegen alle Äußerungen von Widerstand gegen die Politik der herrschenden Eliten.

Die Arbeiterklasse muss mobilisiert werden, um den Völkermord in Gaza und die globale Kriegspolitik der herrschenden Elite zu stoppen. Arbeiter sollten weltweit Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen, um Israel alle Ressourcen zu entziehen, die für seinen Krieg verwendet werden können. Hafen-, Flughafen- und Transportarbeiter auf der ganzen Welt sollten sich weigern, Waffen zu verladen, die für Israel bestimmt sind.

Der Kampf gegen die Explosion der imperialistischen Gewalt, von der die völkermörderische Kampagne gegen Gaza ein Teil ist, ist notwendigerweise ein Kampf gegen den Kapitalismus.

Die Lösung für die sich verschärfende Krise, mit der die Menschheit konfrontiert ist, liegt in der Entwicklung einer starken sozialistischen Bewegung, die in der Arbeiterklasse verwurzelt ist. Die Demonstrationen an diesem Wochenende sind ein entscheidender Meilenstein in der Entwicklung einer Massenbewegung gegen Krieg. Sie müssen vertieft, ausgeweitet und vor allem auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive auf die Arbeiterklasse ausgerichtet werden.

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