Ukraine: Selenskyj sagt Wahlen ab, USA weiten Konflikt mit Russland in den Nahen Osten aus

Am Montag gab der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekannt, dass die für nächstes Jahr geplanten Präsidentschaftswahlen abgesagt sind. Dabei wird seine Regierung von den Nato-Mächten und den Medien als Speerspitze der westlichen Demokratie gepriesen.

Selenskyjs Wahl im Jahr 2019 war vor allem ein Ausdruck der Opposition gegen die Poroschenko-Regierung, die durch den von der Nato unterstützten Putsch im Februar 2014 an die Macht gebracht worden war. Damals trat Selenskyj dafür ein, die Beziehungen zu Russland zu verbessern. Allerdings ließ er alle diese Versprechen schnell wieder fallen, und seine Regierung spielte eine zentrale Rolle darin, den russischen Überfall im Februar 2022 zu provozieren – u.a. indem sie im März 2021 Pläne zur „Rückeroberung“ der Krim ankündigte.

Seit Beginn des Kriegs herrscht in der Ukraine Kriegsrecht. Alle großen Oppositionsparteien sind verboten, und Kriegs- sowie Regierungsgegner werden regelmäßig verfolgt, verhaftet oder „verschwinden“. 

Jetzt lässt das Selenskyj-Regime jeden noch verbliebenen Anschein von „Demokratie“ fallen. Am Montag erklärte Selenskyj in einer Videobotschaft, jetzt sei „nicht der richtige Zeitpunkt für Wahlen. Wir müssen erkennen, dass jetzt die Zeit für Verteidigung ist, die Zeit des Kampfs, der das Schicksal des Staates und Volkes entscheidet, nicht die Zeit für Manipulationen.“

Er bekannte sich offen zu diktatorischen Herrschaftsformen: „Und wenn wir der politischen Auseinandersetzung ein Ende setzen und vereint weiterarbeiten müssen, gibt es im Staat Strukturen, die dieses Ende umsetzen und der Gesellschaft alle nötigen Antworten geben können.“

Selenskyjs Ankündigung ist ein weiterer Nagel im Sarg der Nato-Kriegspropaganda gegen Russland. Die Medien behaupten, es gehe um einen Krieg zur Verteidigung der „Demokratie“ und der Rechte der ukrainischen Bevölkerung. Vor etwa einem Monat hat Israel seinen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen begonnen, der mit amerikanischen Bomben und Geheimdienstinformationen durchgeführt wird und bisher mehr als 10.000 Todesopfer gefordert hat, davon etwa die Hälfte Kinder. Genau wie die Unterstützung der imperialistischen Mächte für die ukrainischen Neonazis und das autoritäre Selenskyj-Regime führt auch die offen völkermörderische Politik in Gaza die Nato-Kriegspropaganda über den angeblichen Kampf für „Demokratie“ in der Ukraine ad absurdum.

Die Absage der Wahlen erfolgt inmitten einer schweren militärischen und politischen Krise des Selenskyj-Regimes. Die Sommer-„Gegenoffensive“, die von der Nato über Monate vorbereitet und mit Waffenlieferungen im Wert von Dutzenden Milliarden Dollar, darunter schweren Panzern, und der Ausbildung von zehntausenden ukrainischen Soldaten unterstützt wurde, endete mit einem militärischen Fiasko und forderte Tausende von Menschenleben. Ein Zeichen für die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung und den Widerstand waren die ersten Proteste gegen den Krieg, die Ende Oktober in Städten in der gesamten Ukraine stattfanden und bei denen gefordert wurde, die Männer von der Front nach Hause zu schicken.

Sogar die New York Times gab vor kurzem in ihrer staatlich überprüften Berichterstattung zu, dass sich unter den Soldaten Kriegsmüdigkeit ausbreitet. Sie zitierte Andrij Tkatschyk, den Bürgermeister eines westukrainischen Dorfs, mit den Worten: „Die Jungs an der Front sind physisch und psychisch müde, sehr müde. Dieser Krieg wird noch lange andauern.“

Letzte Woche zeichnete der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Waleri Saluschnyj, ein glühender Bewunderer des ukrainischen Faschisten Stepan Bandera, in einem Interview mit dem Economist ein außerordentlich düsteres Bild der Kriegslage: „Genau wie im Ersten Weltkrieg haben wir heute ein technologisches Niveau erreicht, das uns in eine Pattsituation bringt.“ Laut einem aktuellen Bericht von NBC benutzen auch einige US-Militärs in Privatgesprächen den Begriff „Pattsituation“. Da Russland eine viel größere Bevölkerung und viel größere industrielle Kapazitäten bei der Waffenproduktion hat, wird allgemein angenommen, dass es mit zunehmender Dauer des Kriegs einen wachsenden militärischen Vorteil hat.

Saluschnyj warnte im Economist: „Das größte Risiko in einem aufreibenden Grabenkrieg ist, dass er sich über Jahre hinziehen und den ukrainischen Staat zermürben kann.“ Er zog eine Parallele zum Ersten Weltkrieg, der im Osten mit der Machtübernahme der Bolschewiki in Russland 1917 und der Errichtung der Sowjetmacht in großen Teilen der heutigen Ukraine endete, und warnte implizit vor den revolutionären Folgen einer Niederlage der Nato-Stellvertreterarmee in diesem Krieg.

Saluschnyj erläuterte in einem längeren Essay, dass ein sehr langer andauernder Konflikt und der Einsatz von hochentwickelten und tödlicheren Waffen nun unvermeidlich seien. Er wies darauf hin, dass es „angesichts der gestiegenen Intensität des durchschnittlichen täglichen Raketen- und Munitionsverbrauchs“ selbst mit einer dramatischen Erhöhung der Waffen- und Munitionsproduktion durch die Nato „unmöglich sei, diese Mittel in den benötigten Mengen anzuhäufen“. Bei vielen der benötigten Waffen, Raketen und Munition könne die Produktion Monate oder sogar Jahre dauern.   

Saluschnyj räumte ein, dass ein „Durchbruch“ der Armee in der nahen Zukunft unwahrscheinlich sei, womit er im Grunde meinte, dass die Hunderte von Milliarden Dollar, welche die Nato bereits in das ukrainische Militär gepumpt hat, völlig unzureichend gewesen seien. Er warnte, die Lage berge „beträchtliche Risiken sowohl für die Streitkräfte der Ukraine als auch für den Staat insgesamt“. Er deutete an, dass der Krieg gerade wegen der militärischen Krise den Einsatz von immer tödlicheren Waffen und eine weitere Eskalation erfordern würde. Die Situation „erfordert die Suche nach neuen und umfassenden Ansätzen, um das militärische Gleichgewicht mit dem Feind zu beenden“.

Zudem haben Nato-Diplomaten mögliche Verhandlungen mit Russland ins Gespräch gebracht. Selenskyj ist offensichtlich entnervt von diesen Berichten und Saluschnyjs öffentlichen Äußerungen. Am Sonntag verlor er in einem Interview mit der NBC-Sendung Meet the Press die Beherrschung und erklärte, er sei nicht bereit, mit dem „verdammten Terroristen Putin“ zu verhandeln. Auch Saluschnyjs Einschätzung, der Krieg sei in einer „Pattsituation“, wies er ausdrücklich zurück. 

Der Konflikt zwischen Saluschnyj und Selenskyj schwelt schon seit längerer Zeit. Der Oberbefehlshaber der Armee, der Selenskyj wiederholt öffentlich attackiert hat, gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Persönlichkeiten des Landes und galt als wahrscheinlichster Hauptrivale Selenskyjs bei den nächsten Präsidentschaftswahlen.

Einen Tag nach seinem Interview mit Meet the Press kündigte Selenskyj an, dass die Präsidentschaftswahlen abgesagt werden. Ebenfalls am Montag wurde bekannt, dass Saluschnyjs Assistent und enger Freund Gennadi Tschastjakow in seinem Haus durch einen Sprengkörper getötet wurde. Nach Angaben der russischen Presse öffnete Tschastjakow Geburtstagspakete, darunter auch ein Paket mit westlichen Handgranaten. Als er es seinem Sohn zeigte, aktivierte er eine der Granaten. Sein 13-jähriger Sohn wurde schwer verletzt. In der Ukraine wird viel darüber spekuliert, dass Selenskyj oder ihm nahestehende Kreise hinter dem „Geburtstagsgeschenk“ stecken. Der ukrainische Innenminister erklärte später, Tschastjakow sei das Paket von einem Kollegen aus der Armee übergeben worden.  

Tschastjakow ist nur einer von vielen führenden staatlichen und militärischen Funktionären, die in diesem Jahr unter fragwürdigen Umständen außerhalb des Schlachtfelds ums Leben gekommen sind. Zu Beginn des Jahres 2023 starben bei einem Hubschrauberabsturz ein Dutzend hochrangige Beamte des Innenministeriums, von denen mehrere eine zentrale Rolle in der Militärführung gespielt haben. Selenskyj hat zudem wiederholt immer umfangreichere Säuberungen des Verteidigungsministeriums durchgeführt und vor kurzem Oleksij Resnikow entlassen. 

Während die Fraktionskämpfe innerhalb des ukrainischen Staatsapparats und der herrschenden Klasse eskalieren, nimmt der Krieg des US-Imperialismus gegen Russland sowohl an Umfang als auch an Intensität weiter zu. Indem sie Israels Genozid an den Palästinensern im Gazastreifen unterstützen und einen größeren Krieg im Nahen Osten, vor allem gegen den Iran, provozieren, eröffnen die USA auch eine neue Front im Krieg gegen Russland. Bereits der US-Einmarsch in den Irak 2003 und der Nato-Luftkrieg gegen Libyen 2011 sowie die militärische Beteiligung der USA an dem seit 2011 andauernden Bürgerkrieg in Syrien zielten – zumindest teilweise – darauf ab, den Einfluss Russlands im Nahen Osten und Nordafrika zu schwächen. Jetzt entwickeln sich alle diese Kriege zunehmend zu einem ausgewachsenen globalen Konflikt, und die Überreste der „demokratischen“ Masken sämtlicher kapitalistischer Regierungen fallen. 

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