Perspektive

Demonstration „Nein zu Kriegen“ – ein Deckmantel für die Kriegspolitik der Bundesregierung

Die bundesweite Demonstration „Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten“, die am Samstag in Berlin stattfindet, ist ein zynischer Versuch, die wachsende Opposition gegen den Nato-Krieg in der Ukraine und gegen den Genozid in Gaza in eine Sackgasse zu lenken.

Wer wirklich gegen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten kämpfen will, sollte sich die Politik der Organisatoren genauer anschauen. Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht, die zusammen mit 200 weiteren Organisationen und Einzelpersonen zur Demonstration aufrufen, spielen ein übles Doppelspiel. Sie wenden sich in allgemeinen Phrasen gegen Kriege und Rüstungswahnsinn, unterstützen aber in der Praxis die Kriegstreiber und deren Politik.

Demonstration von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25. Februar in Berlin

Besonders deutlich zeigt dies der Konflikt in Gaza. Israel verfolgt dort eine systematische Politik des Völkermords und der Vertreibung. Es hat auf ein dichtbesiedeltes Gebiet, das etwas mehr als halb so groß ist wie Berlin, Munition mit der Sprengkraft von zwei Hiroshima-Bomben abgeworfen, mehr als 14.000 Zivilisten getötet und über 30.000 verletzt, 1,6 Millionen aus ihren Häusern vertrieben und große Teile der Infrastruktur zerstört. Und das ist erst der Anfang.

Washington und Berlin befeuern dieses Massaker mit Geld und Waffen, weil sie die Unterdrückung des palästinensischen Widerstands als Voraussetzung für ihre eigene Vorherrschaft in der rohstoffreichen Region betrachten.

Die Linkspartei hat sich dieser mörderischen Kampagne angeschlossen. Am 12. Oktober stimmte die Linken-Fraktion, zu der damals auch noch die Abgeordneten des Wagenknecht-Bündnisses gehörten, gemeinsam mit der AfD und allen anderen Fraktionen geschlossen für eine Bundestagsresolution, die der israelischen Regierung einen Freibrief ausstellt und ihr jede verfügbare Hilfe verspricht.

Am 22. Oktober sprach der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan gemeinsam mit dem israelischen Botschafter und dem Bundespräsidenten auf einer All-Parteien-Demonstration am Brandenburger Tor, die sich hinter Israels Völkermord stellte. Auch der jüngste Linken-Parteitag in Augsburg setzte diesen Kurs fort. Der mit großer Mehrheit verabschiedete Leitantrag erklärt: „Israels hat das Recht sich zu verteidigen.“ Ein Delegierter, der den Genozid in Gaza kritisierte, wurde ausgebuht.

Auch im Ukrainekrieg unterstützt Die Linke die Nato-Kriegstreiber. Das in Augsburg verabschiedete Europawahlprogramm verurteilt den „verbrecherischen Angriffskrieg Putins“ und setzt sich „für eine Bestrafung der Verantwortlichen“ ein. Die Kriegspolitik der Nato, die Russland seit der Auflösung der Sowjetunion systematisch einkreist, den Einmarsch des Kremls provoziert hat und den Krieg mit Milliarden befeuert, kritisiert es mit keiner Silbe.

Sahra Wagenknecht übt zwar Kritik am Ukrainekrieg, aber nicht, weil sie den deutschen Militarismus ablehnt, sondern weil sie der Ansicht ist, dass Deutschland das Bündnis mit den USA lieber heute als morgen beenden und als „europäische Führungsmacht“ seine geopolitischen Interessen aus eigener Kraft verfolgen sollte.

Zu den Hauptrednern einer Kundgebung unter dem Motto „Aufstand für den Frieden“, die sie am 25. Februar gemeinsam mit der Feministin Alice Schwarzer organisierte, gehörte Brigadegeneral a.D. Erich Vad, ein glühender Militarist und langjähriger Insider des sicherheitspolitischen Apparats der Bundesrepublik.

Im Sommer forderte Wagenknecht in einem Beitrag für die rechtsextreme Schweizer Weltwoche, Deutschland müsse endlich seine „eigenen sicherheitspolitischen und ökonomischen Interessen in den Mittelpunkt rücken“. Es dürfe sich nicht mit der Rolle des „Vasallen“ der USA zufriedengeben, sondern müsse ein eigener Machtpol in einer „multipolaren Welt“ werden.

Sowohl Die Linke wie das Wagenknecht-Bündnis sind tief beunruhigt über den Widerstand gegen Militarismus und Sozialabbau, der sich in den weltweiten Massendemonstrationen gegen den Genozid in Gaza und einer wachsenden internationalen Streikbewegung gegen Lohn- und Sozialabbau äußert und den sie genauso fürchten wie die Regierung. Deshalb arbeiten sie, obwohl sie sich soeben gespalten haben, bei der Berliner Demonstration zusammen, um den wachsenden Widerstand gemeinsam zu ersticken.

Die Liste der Unterzeichner des Aufrufs liest sich, als seien die Friedensbewegungen der frühen 1980er und 2000er Jahre aus ihren Gräbern auferstanden, die beide in einem Debakel endeten, weil sie sich weigerten, den Kampf gegen Krieg mit dem Kampf gegen den Kapitalismus zu verbinden. Auch die Naturfreunde, die DKP, verschiedene Friedensinitiativen, zahlreiche aktive und ehemalige Gewerkschaftsfunktionäre und Professoren haben den Aufruf unterzeichnet. Es fehlen lediglich die Grünen und die SPD-Jugend, die mittlerweile fest im Kriegslager der Regierung stehen.

Den Organisatoren geht es nicht um Frieden, sondern darum die Kriegspolitik der Ampel-Parteien abzudecken, mit denen sie in Bund, Ländern und Kommunen eng zusammenarbeiten. Der einzige Frieden, der sie interessiert, ist der Burgfrieden mit den Herrschenden.

Der Demonstrationsaufruf vermeidet sorgfältig jede Formulierung, die als Aufruf zum Aufbau einer Bewegung gegen die Ampel-Regierung interpretiert werden könnte. Stattdessen schürt er die Illusion, Scholz, Pistorius, Baerbock & Co. könnten durch Druck von der Straße zu einer friedfertigeren Politik bewegt werden.

„Wir fordern von der Bundesregierung ein Ende der ungehemmten Aufrüstung sowie eine sofortige Vermittlung für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen,“ heißt es in dem Aufruf. „Wir treten ein für eine neue Entspannungspolitik und für Rüstungskontrolle und Abrüstung.“

Genauso gut könnte man einen Wolf auffordern, Vegetarier zu werden. Die Bundesregierung wird nicht von ihrer Kriegspolitik abrücken. Sie gehört sowohl in der Ukraine wie im Nahen Osten zu den übelsten Kriegstreibern.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat soeben verkündet, die Militärhilfe an die Ukraine auf acht Milliarden Euro zu verdoppeln, damit sich ukrainische und russische Soldaten auch im kommenden Jahr in einem festgefahrenen Stellungskrieg gegenseitig abschlachten. Widerstand gegen den Völkermord in Gaza denunziert die Bundesregierung als Antisemitismus und verfolgt ihn als Straftat.

Sie betriebt diese Kriegspolitik nicht, weil sie sich – wie der Aufruf behauptet – von der „Entspannungspolitik“ Willy Brandts abgewandt hat, sondern weil sie die Ziele, die Brandt mit seiner Ostpolitik verfolgte – den ungehinderten Zugang zu den Rohstoffen und Märkten Osteuropas, Russlands und anderer Weltregionen –, heute nur noch mit militärischer Gewalt erreichen kann.

Verteidigungsminister Pistorius will Deutschland nicht „kriegstüchtig“ machen, weil er den Verstand verloren hat, sondern weil der deutsche Imperialismus, dessen Interessen die Ampel-Koalition vertritt, unter den Bedingungen einer fortgeschrittenen Krise des Weltkapitalismus nur noch gewaltsam expandieren kann. Er kehrt zu seinen verbrecherischen Traditionen zurück, unterstützt von allen im Bundestag vertretenen Parteien.

Vor drei Jahrzehnten hatte mit der Auflösung der Sowjetunion ein erbitterter Kampf um die Neuaufteilung der Welt begonnen. Die USA, Deutschland und andere Großmächte wollten direkten Zugriff auf die riesigen Gebiete, die seit der Oktoberrevolution von 1917 der kapitalistischen Ausbeutung entzogen waren. Sie verschoben die Grenzen der Nato immer weiter nach Osten und organisierten 2014 in der Ukraine einen rechten Putsch, der schließlich den heutigen Krieg provozierte.

Auf dem Balkan, im Nahen Osten und in Nordafrika, wo nationale Regierungen während des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion manövriert hatten, führten die USA und ihre Nato-Verbündeten einen brutalen Krieg nach dem andern, um ihre koloniale Vorherrschaft wiederherzustellen. Der Krieg in der Ukraine und der Genozid in Gaza sind zwei Fronten dieser globalen Expansion, die sich immer offener zu einem Dritten Weltkrieg entwickelt, dessen Hauptziel die aufsteigende Wirtschaftsmacht China ist.

Die Brutalität, mit der die Nato-Mächte zehntausende ukrainische Soldaten als Kanonenfutter verheizen und das Abschlachten der Palästinenser unterstützen, zeigt, dass sie vor nichts zurückschrecken werden, auch nicht vor dem Einsatz von Atomwaffen.

Während des Ersten Weltkriegs hatte der russische Revolutionsführer Wladimir Lenin geschrieben: „Pazifismus und abstrakte Friedenspredigt sind eine Form der Irreführung der Arbeiterklasse. Im Kapitalismus, und besonders in seinem imperialistischen Stadium, sind Kriege unvermeidlich.“ Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zitierte Leo Trotzki diesen Satz und fügte hinzu: „Es ist unmöglich, gegen den imperialistischen Krieg zu kämpfen, wenn man nach der Art der Pazifisten nach Frieden jammert. … Nur ein revolutionärer Massenkampf gegen Krieg und Imperialismus, der den Krieg hervorbringt, kann einen wirklichen Frieden sichern.“

Das ist heute so wahr wie damals. Man kann die Kriegstreiber nicht unter Druck setzen, man muss sie entmachten. Nur eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die den Kampf gegen Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung mit einem sozialistischen Programm zum Sturz des Kapitalismus verbindet, kann eine nukleare Katastrophe verhindern. Die objektiven Voraussetzungen für eine solche Bewegung entwickeln sich schnell, aber sie braucht eine bewusste Perspektive und eine politische Partei, die sie anführt. Sie aufzubauen ist das Ziel der Sozialistischen Gleichheitspartei und der Vierten Internationale.

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