Perspektive

Das gewaltige Ausmaß des Genozids in Gaza wird sichtbar

Wenige Tage nach der ersten Unterbrechung der seit zwei Monaten andauernden israelischen Bombardierung und Invasion des Gazastreifens haben Filmteams damit begonnen, Beweismaterial für den vorsätzlichen Massenmord an der Zivilbevölkerung des Gazastreifens sicherzustellen. Es handelt sich um den größten Tatort der Welt.

Letzte Woche berichtete Politico, das Weiße Haus sei „besorgt“, dass eine „Pause“ in Israels Angriff auf den Gazastreifen „Journalisten einen breiteren Zugang zum Gazastreifen geben und ihnen ermöglichen würde, die Verwüstungen dort weiter zu beleuchten und die öffentliche Meinung gegen Israel zu wenden“.

Indonesisches Krankenhaus in Trümmern, Patienten in der massiv beschädigten Einrichtung eingeschlossen

Das ist in der Tat geschehen. Am Wochenende beschrieb ein Vor-Ort-Bericht von Al Jazeera die Situation im indonesischen Krankenhaus von Gaza wie folgt: „Der Todesgestank zwingt die Menschen dazu, sich die Nase zuzuhalten. Verkohlte, verwesende Leichen, darunter auch Kinder, sind in einer Ecke aufgehäuft. Beerdigungen konnten nicht stattfinden, weil israelische Scharfschützen auf jeden geschossen haben, der sich hinauswagte, um ein Grab auszuheben. Straßen, Schulen, Häuser, Geschäfte, alles wurde durch israelische Angriffe zerstört.“

Diese Berichte haben vollständig die Lüge von US-Präsident Joe Biden entlarvt, wonach die palästinensischen Gesundheitsbehörden die Zahl der Todesopfer in Gaza zu hoch ansetzen würden. Tatsächlich gibt die Biden-Regierung jetzt zu, dass die offizielle Zahl der Todesopfer erheblich unterschätzt wird.

Es ist zwei Wochen her, dass das Gesundheitsministerium in Gaza zum letzten Mal eine offizielle Zahl der Todesopfer veröffentlicht hat. Der Zusammenbruch des Gesundheitswesens hat es unmöglich gemacht, die Toten zu zählen. Die letzte am Mittwoch veröffentlichte inoffizielle Zählung des Informationsministeriums der Regierung geht jedoch von 14.352 Toten aus, darunter 6.000 Kinder und 4.000 Frauen.

Die palästinensische Filmemacherin Bisan Owda, deren Berichte aus dem Gazastreifen in den sozialen Medien von Millionen Menschen verfolgt werden, drückte diese Realität noch unmissverständlicher aus: „Zahlen aus Gaza, die ihr wissen müsst: 20.000 Menschen wurden getötet, in 50 Tagen der Eskalation – 7.000 von ihnen liegen noch immer unter den Trümmern – 8.000 von ihnen sind Kinder – alle sind Zivilisten.“

Offiziellen Angaben aus dem Gazastreifen zufolge wurden 233.000 Wohneinheiten, d. h. etwa die Hälfte der Häuser im Gazastreifen, entweder zerstört oder beschädigt. Bomben oder Raketen haben 266 Schulen getroffen, von denen 67 zerstört wurden. Israel hat 205 Rettungs- und Pflegekräfte, sowie 64 Journalisten getötet. Besonders verstörend ist die immense Zahl von getöteten Frauen und Kindern.

Hiyam Qudih, eine palästinensische Mutter, kocht im Dorf Khuza’a, östlich von Khan Younis vor dem Haus ihrer Familie, das bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens zerstört wurde. Sonntag, 26. November 2023 [AP Photo/Adel Hana]

In einem am Sonntag im Guardian veröffentlichten Artikel heißt es, dass Israel nach eigenen Angaben zwischen 1.000 und 2.000 Hamas-Kämpfer getötet hat. Selbst wenn dies stimmen sollte, bedeutet dies, dass Israel für jeden getöteten Kämpfer drei bis sechs Kinder getötet hat und dass zwischen 85 und 92 Prozent der Getöteten Zivilisten sind.

Am Sonntag veröffentlichte die New York Times auf ihrer Titelseite einen Artikel, in dem sie erklärte, dass die massive Zahl der Toten unter Frauen und Kindern im Gaza-Krieg im 21. Jahrhundert beispiellos ist.

„Israel hat den Tod von Zivilisten im Gazastreifen als bedauerlichen, aber unvermeidlichen Teil eines modernen Konflikts dargestellt... Aber ein Rückblick auf vergangene Konflikte und Interviews mit Opfer- und Waffenexperten legen nahe, dass Israels Angriff anders ist.“

Die Times stellt fest: „Nach fast zwei Jahren russischer Angriffe melden die Vereinten Nationen im Gazastreifen bereits mehr als doppelt so viele getötete Frauen und Kinder wie in der Ukraine bislang bestätigt wurden.“

Der Bericht fährt fort, dass 70 Prozent aller in Gaza gemeldeten Todesfälle Frauen und Kinder sind, obwohl die meisten Widerstandskämpfer Männer sind. „Bei früheren Zusammenstößen zwischen Israel und der Hamas waren beispielsweise etwa 60 Prozent der gemeldeten Todesopfer in Gaza Männer“, schrieb die Times.

Der Artikel stellte fest, dass Israels Einsatz von 2.000-Pfund-Bomben alles in den Schatten stellt, was in früheren Kriegen des 21. Jahrhunderts eingesetzt wurde. Die Times berichtet unter Berufung auf einen US-Regierungsvertreter, dass „etwa 90 Prozent der von Israel in Gaza abgeworfenen Munition satellitengesteuerte Bomben mit einem Gewicht von 1.000 bis 2.000 Pfund waren“.

Die Times schreibt: „Im Gegensatz dazu waren US-Militärs bei den Kämpfen dieses Jahrhunderts oft der Meinung, dass die gängigste amerikanische Fliegerbombe – eine 500-Pfund-Waffe – für die meisten Ziele im Kampf gegen den Islamischen Staat in städtischen Gebieten wie Mosul (Irak) und Raqqa (Syrien) viel zu groß sei.“

Der Artikel der Times ist – wie alles, was sie veröffentlicht – sorgfältig ausgearbeitet und mit Blick auf den Schutz der Interessen des amerikanischen Staates überprüft. Während die Times Statistiken präsentiert, die nur durch vorsätzliche Tötung der Zivilbevölkerung erklärt werden können, ist sie darauf bedacht, dieses Geschehen nie mit den Aussagen israelischer Regierungsvertreter in Verbindung zu bringen, die das Töten von palästinensischen Zivilisten wiederholt als ihr Ziel bezeichnet haben.

Anfang dieses Monats sagte der israelische Präsident Isaac Herzog, dass die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens für die Angriffe vom 7. Oktober verantwortlich sei, und erklärte: „Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist... Es ist nicht wahr, dass die Zivilbevölkerung nichts weiß und nicht beteiligt ist. Das ist absolut nicht wahr.“

Auf die Frage, ob „sie dadurch zu legitimen Zielen werden“, antwortete Herzog: „Wenn Sie eine Rakete in Ihrer gottverdammten Küche haben und damit auf mich schießen wollen, darf ich mich dann verteidigen?“

Letzten Monat erklärte der israelische Premierminister Netanjahu: „Ihr müsst euch daran erinnern, was Amalek euch angetan hat“, und berief sich dabei auf die Bibelstelle, die befiehlt, „Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel zu töten“-

„Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend“, sagte Verteidigungsminister Yoav Gallant letzten Monat.

Craig Mokhiber, ehemaliger Direktor des New Yorker Büros des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, erklärte: „Explizite Absichtserklärungen von führenden Vertretern der israelischen Regierung und des Militärs lassen keinen Raum für Zweifel oder Diskussionen“, dass Israel den „Lehrbuchfall eines Völkermords“ begeht.

Mit anderen Worten: Israels Angriff unterscheidet sich von früheren Kriegen nicht nur durch das Ausmaß des Todes unter der Zivilbevölkerung, sondern auch durch die Bereitschaft der israelischen Offiziellen, zuzugeben, dass sie absichtlich so viele Zivilisten wie möglich töten wollen.

Außerdem wurde alles, was Israel getan hat, mit der Biden-Regierung abgestimmt. Alle 2.000-Pfund-Bomben, die Israel auf den Gazastreifen abgeworfen hat, wurden in den Vereinigten Staaten hergestellt und vom Pentagon geliefert. Aus der Sicht Israels und des US-Imperialismus besteht eines der Ziele der „Pause“ darin, das israelische Militär mit Nachschub zu versorgen, was die Biden-Regierung eifrig bewerkstelligt.

Während die Times versucht, Israels Angriff auf die Bevölkerung des Gazastreifens von der US-Invasion im Irak und in Afghanistan abzugrenzen, stellt der Völkermord im Gazastreifen in Wirklichkeit eine Fortsetzung und Ausweitung der Verbrechen des US-Imperialismus dar. In diesen Kriegen wurden mehr als eine Million Menschen getötet und Folter, Entführung und Vergewaltigung als staatliche Maßnahmen eingesetzt.

Nicht ein einziger gewählter Regierungsvertreter oder Militäroffizier wurde für diese gewaltigen Verbrechen angeklagt, geschweige denn ins Gefängnis gesperrt. Wie die Bilder von der Zerstörung des Gazastreifens zeigen, verüben der US- und der Weltimperialismus jetzt Verbrechen in noch größerem Ausmaß und bereiten sich darauf vor, auch diese noch zu übertreffen.

Um den Völkermord in Gaza zu stoppen, ist in der internationalen Arbeiterklasse der Aufbau einer Massenbewegung gegen Krieg erforderlich, die mit einer sozialistischen Perspektive ausgestattet ist. Eine zentrale Forderung dieser Bewegung muss sein, dass die Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen, darunter nicht nur israelische Regierungsvertreter und Militärs, sondern auch führende Politiker in Washington, Paris, London und Berlin, wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden müssen.

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