Nahostkrieg eskaliert: USA töten Milizenführer im Irak

An einer Beerdigung in der Provinz Bagdad (Irak) tragen Mitglieder einer Gruppe schiitischer Militanter den Sarg eines Kämpfers, der am 4. Januar 2024 bei einem US-Luftangriff getötet wurde

Der illegale Raketenangriff der USA auf Bagdad am 4. Januar, leitete die jüngste Eskalation des amerikanisch-israelischen Amoklaufs im gesamten Nahen Osten ein.

Pentagon-Sprecher Generalmajor Pat Ryder bestätigte, dass die USA Mushtaq Jawad Kazim al-Jawari bewusst getötet haben. Laut den irakischen Volksmobilisierungskräften war al-Jawari Befehlshaber der vom Iran unterstützten Milizgruppe Harakat Hisbollah al-Nujaba. Bei dem Angriff am Donnerstag wurden außer ihm selbst auch ein irakischer Regierungsvertreter getötet und fünf Menschen verwundet.

Vertreter der irakischen Regierung verurteilten den Angriff und machten deutlich, dass die USA kein Mandat zu Angriffen innerhalb von Irak haben. Damit ist der Angriff eine Verletzung der irakischen Souveränität und ein völkerrechtswidriger Akt der Aggression.

Die USA sind 2003 in den Irak einmarschiert und haben ihn besetzt. Im Jahr 2006 wurde der damalige irakische Staatschef Saddam Hussein von US-Stellvertreterkräften nach einem (laut Amnesty International) „unfairen Prozess“ hingerichtet.

Zwar sind noch immer 2.500 US-Soldaten im Irak stationiert, doch die irakische Regierung betonte, dass die USA kein Recht haben, innerhalb des Landes militärische Angriffe durchzuführen. Das irakische Außenministerium verurteilte den „unverfrorenen Angriff“ auf das militärische Hauptquartier des Irak „auf das Schärfste“.

In einer Erklärung hieß es: „Der Angriff auf eine Sicherheitseinheit, die in Verbindung mit dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte steht und der Autorität des Staates unterliegt, ist eine gefährliche Eskalation. ... Wir bekräftigen, dass sich der Irak das Recht vorbehält, kompromisslos Stellung zu beziehen und alle Maßnahmen zu ergreifen, die jeden abschrecken, der versucht, seinem Territorium und seinen Sicherheitskräften zu schaden.“

Ein irakischer Regierungsvertreter bezeichnete den Angriff als „eklatante Verletzung der Souveränität und Sicherheit des Irak“, der sich „durch nichts von einem Terroranschlag unterscheidet“.

Pentagon-Sprecher Ryder behauptete absurderweise: „Es ist wichtig, festzustellen, dass der Angriff der Selbstverteidigung diente.“

Am gleichen Tag, an dem Ryder die Verantwortung der USA für den Angriff im Irak zugab, übernahm die sunnitische Terrorgruppe Islamischer Staat die Verantwortung für den Bombenanschlag vom Mittwoch im iranischen Kerman. Bei einer Gedenkfeier für Generalmajor Qassim Suleimani, der vor vier Jahren im Irak durch eine US-Drohne getötet wurde, waren durch diesen Anschlag 84 Menschen ums Leben gekommen.

Diese Anschläge sind der Grund für die einwöchige Reise von US-Außenminister Antony Blinken in den Nahen Osten, wozu auch ein wichtiger Besuch in Israel gehört.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärte am Donnerstag, dies sei Blinkens vierter Besuch im Nahen Osten innerhalb von drei Monaten. Blinken werde „die Türkei, Griechenland, Jordanien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Israel, das Westjordanland und Ägypten“ besuchen.

Zur gleichen Zeit treten israelische Regierungsvertreter offen für die ethnische Säuberung des Gazastreifens durch die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung ein.

Am Dienstag forderte der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, in einem Twitter-Post die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus dem Gazastreifen. Er erklärte, die „Auswanderung von Hunderttausenden aus dem Gazastreifen wird es den Bewohnern der Enklave möglich machen, nach Hause zurückzukehren, in Sicherheit und unter dem Schutz der [Israel Defense Forces] Soldaten zu leben“.

Zuvor hatte der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich am Sonntag erklärt: „Wir müssen im Gazastreifen die Emigration fördern. ... Wenn es im Gazastreifen statt zwei Millionen nur 100.000 oder 200.000 Araber gibt, dann wird die ganze Diskussion am Tag danach ganz anders aussehen.“

Die israelische Botschafterin im Vereinigten Königreich, Tzipi Hotovely, weigerte sich am Montag in einem Interview in der britischen LBC-Talkshow, zu dementieren, dass Israel die Absicht habe, „den gesamten Gazastreifen zu zerstören“.

Sie erklärte: „Ich möchte wirklich erwähnen, dass es im Gazastreifen eine Stadt aus unterirdischen Tunneln gibt. Und um an diese unterirdische Tunnelstadt zu kommen, müssen diese Gebiete zerstört werden. ... Jede Schule, jede Moschee, jedes zweite Haus hat Zugang zu diesen Tunneln. Und natürlich auch Munition.“

Der LBC-Moderator Iain Dale fragte: „Das ist also ein Argument dafür, den gesamten Gazastreifen, jedes einzelne Gebäude darin zu zerstören?“

Hotovely antwortete darauf: „Haben Sie eine andere Lösung?“

Vertreter der US-Regierung haben versucht, sich von Smotrichs und Ben Gvirs Äußerungen zu distanzieren und fälschlicherweise zu behaupten, diese würden nicht die offizielle Position der israelischen Regierung repräsentieren.

Zahlreiche öffentliche Äußerungen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu widersprechen dieser Behauptung. So erklärte er bei einem Treffen seiner Parlamentsfraktion: „Was die freiwillige Zuwanderung angeht... Das ist die Richtung, in die wir uns bewegen.“

Unter vier Augen hat Netanjahu Lobbyarbeit bei Ländern wie Ägypten und der Demokratische Republik Kongo geleistet, um die Umsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens in deren Staatsgebiet in die Wege zu leiten.

Am Mittwoch berichtete die Times of Israel: „Die ,freiwillige‘ Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen wird langsam zur entscheidenden offiziellen Politik der Regierung. Einer ihrer höchsten Vertreter erklärte, Israel habe mit mehreren Ländern über deren potenzielle Aufnahme Gespräche geführt.“

Bei der täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus wurde der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats John Kirby am Donnerstag um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen mehrerer UN-Vertreter gebeten, Israel würde systematisch Kriegsverbrechen begehen.

Ein Reporter fragte ihn: „Haben Sie bisher irgendetwas unternommen, um festzustellen, ob sich Israel an die Regeln der Kriegsführung hält?“

Darauf antwortete Kirby: „Mir ist nicht bekannt, dass die US-Regierung irgendeine formelle Einschätzung vornimmt, um zu analysieren, ob sich unser Partner Israel an das Völkerrecht hält.“

Nach dieser Aussage erklärte Kirby: „Ich möchte Ihnen nur sagen, dass wir nichts gesehen haben, das uns davon überzeugen würde, dass wir eine andere Herangehensweise bräuchten.“

US-Präsident Joe Biden hatte bereits am 12. Dezember zugegeben, dass Israel wahllose Bombenangriffe durchgeführt hat, die per Definition ein Verstoß gegen Regeln der Kriegsführung sind, die verlangen, dass Anstrengungen unternommen werden, um zivile Opfer zu begrenzen.

Kirbys Erklärung bedeutet, dass die USA aller bisherigen Kriegsverbrechen Israels billigt, einschließlich der systematischen Bombardierung dicht besiedelter Gebiete, bei der fast 30.000 Menschen getötet wurden, der Vertreibung von 1,9 Millionen Menschen, dem vorsätzlichen Aushungern der Bevölkerung des Gazastreifens und der vorsätzlichen Angriffe auf Häuser, Schulen, Krankenhäuser und religiöse Gebäude.

Am Donnerstag veröffentlichte Tariq Habash vom Bildungsministerium einen offenen Brief, in dem er seinen Rücktritt von der Biden-Regierung ankündigte und sie dafür verurteilte, Israels Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens ermöglicht zu haben.

In Habashs Brief heißt es: „In den letzten drei Monaten hat unsere Regierung Beihilfe zur willkürlichen Gewalt gegen Palästinenser im Gazastreifen geleistet. Mehr als 22.000 Zivilisten wurden getötet, Tausende weitere unter Trümmern verschüttet und die große Mehrheit aus ihren Häusern vertrieben.

Gleichzeitig hat der Präsident öffentlich die Integrität der palästinensischen Angaben zur Zahl der Toten in Frage gestellt, die unser eigenes Außenministerium, die Vereinten Nationen und zahlreiche humanitäre Nichtregierungs-Organisationen häufig zu Grunde legen. Unsere Vertreter bei den Vereinten Nationen haben wiederholt gegen die große Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft gestimmt, und u.a. ihr Veto gegen Resolutionen eingelegt, die einen Waffenstillstand fordern. Und führende Mitglieder unserer Regierung haben sogar unbestätigte Behauptungen wiederholt, welche die Palästinenser systematisch entmenschlichen.“

Am Donnerstag schlug das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) Alarm, weil sich im Gazastreifen aufgrund der massenhaften Hungersnot Krankheiten ausbreiten. So sind im Gazastreifen mehr als 180.000 Fälle von Infektionen der oberen Atemwege und 136.000 Fälle von Durchfall gemeldet worden, die Hälfte davon bei Kindern unter fünf Jahren.

Ebenfalls am Donnerstag erklärte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Turk, er sei „sehr beunruhigt über die Äußerungen hochrangiger israelischer Regierungsvertreter zu Plänen, die Zivilbevölkerung des Gazastreifens in Drittstaaten umzusiedeln. ... 85 Prozent der Menschen im Gazastreifen sind bereits Binnenvertriebene. Sie haben das Recht zur Rückkehr in ihre Häuser. Das Völkerrecht verbietet die Zwangsumsiedlung von geschützten Personen innerhalb eines besetzten Gebiets oder die Deportation aus einem besetzten Gebiet.“

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