Pistorius droht Russland mit Krieg

Der Nato-Krieg gegen Russland um die Ukraine nimmt immer offener die Form einer umfassenden Kriegsmobilisierung der imperialistischen Mächte an. Wenige Tage nach der Ankündigung von Steadfast Defender – das größte Nato-Manöver seit Ende des Kalten Kriegs – erklärte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius in mehreren Interviews, dass sich Deutschland auf einen direkten Krieg mit der Atommacht Russland vorbereiten müsse.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) spricht während einer Pressekonferenz bei der Übung Griffin Storm 2023 auf dem Truppenübungsplatzes in Pabrade in Litauen [AP Photo/Mindaugas Kulbis]

Es geht darum, „dass wir uns in die Lage versetzen müssen, einen Krieg zu führen der uns aufgezwungen wird, keinen den wir beginnen, das versteht sich von selbst“, sagte er in im heute-journal am Montag. „Aber wenn wir angegriffen werden, müssen wir Krieg führen können und das ist entscheidend und darauf müssen wir uns vorbereiten.“

Das gesamte Interviewgespräch machte deutlich, wie konkret die herrschende Klasse über Kriegsszenarien diskutiert, die den Tod von Millionen und die Zerstörung des gesamten Kontinents zur Folge haben würden. Sollte Moskau etwa einen Aufstand der russischen Minderheit in den baltischen Staaten organisieren oder diese angreifen, müsste Deutschland militärisch reagieren und in der Lage sein, einen umfassenden Krieg zu führen.

„Das ist genau der Punkt“, führte Pistorius aus. Deswegen stelle man gegenwärtig eine deutsche Kampfbrigade mit 5000 Soldaten in Litauen auf, „um gleich vor Ort präsent zu sein“. Die Brigade werde 2027 „einsatzbereit sein“. Eine russische Aggression könne Militärexperten zufolge in fünf Jahren erfolgen, aber das sei „eine Schätzung“ und „genau wissen tut das niemand“. In jedem Fall müsse man „die nächsten drei bis fünf Jahre... intensiv nutzen, um uns zu wappnen“.

In einem weiteren Interview mit dem Tagesspiegel erklärte Pistorius ebenfalls, dass ein „Angriff durch Russland“ in „einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren“ möglich sei. Den Aufruf des schwedischen Heimatschutzministers „sich für einen Krieg zu wappnen – und zwar jetzt“, halte er deshalb für „verständlich“. Aber auch die Deutschen müssten „wieder mit der Gefahr leben lernen und uns vorbereiten – militärisch, gesellschaftlich und beim Zivilschutz“.

Das kommt einer Kriegserklärung an Russland gleich. Der deutsche Verteidigungsminister, der zum Ziel erklärt hat, Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen, spricht jetzt öffentlich über den möglichen Beginn eines direkten Kriegs mit Russland. Die Propaganda vom „Verteidigungskrieg“ stellt dabei die Wirklichkeit auf den Kopf und entspricht den alten Lügen des deutschen Imperialismus. Auch die deutschen Aggressionen im Ersten Weltkrieg und Zweiten Weltkrieg – darunter der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, der 30 Millionen Sowjetbürgern das Leben kostete – wurden von den deutschen Eliten im Kaiserreich und unter den Nazis als „Selbstverteidigung“ oder „aufgezwungene Notwehr“ bezeichnet.

Heute ist der deutsche Imperialismus – im Bündnis mit den anderen führenden Nato-Mächten – erneut der Aggressor. Mit der systematischen militärischen Einkreisung Russlands und dem anti-russischen Putsch in Kiew hat die Nato die reaktionäre Intervention des Putin-Regimes erst provoziert. Nun eskaliert sie den Konflikt immer weiter, um das rohstoffreiche Land in einen noch größeren Krieg zu zwingen und es militärisch zu unterwerfen.

Unabhängig davon, welche genauen Zeitpläne Pistorius und den anderen Nato-Kriegstreibern vorschweben, allein die Ankündigung, dass sich Deutschland und die Nato auf Krieg vorbereiten, wird die Eskalation befeuern. Die russische Regierung und Militärführung wird sich angesichts der Drohungen gezwungen sehen, sich selbst auf einen umfassenden Krieg vorzubereiten und einem möglichen Angriff der Nato zu erwidern, der immer konkretere Formen annimmt wird.

Die Großübung Steadfast Defender, die gegenwärtig anläuft, ist das größte Nato-Manöver seit dem Ende des Kalten Kriegs. Laut Angaben der Nato werden bis Ende Mai 90.000 Soldaten mobilisiert, darunter etwa 40.000 aus den USA, 20.000 aus Großbritannien und 12.500 Soldaten der Bundeswehr. An der Kriegsübung werden mehr als 50 Kriegsschiffe teilnehmen, 80 Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Drohnen und über 1000 gepanzerte Fahrzeuge, darunter 133 Kampfpanzer und 533 Schützenpanzer.

Geographisch erstreckt sich das Manöver über Skandinavien und die baltischen Staaten bis nach Polen, Rumänien und Deutschland. Die Bundeswehr rühmt sich, dass Deutschland mit der Übung „Führungsverantwortung“ übernimmt und „als riesige Drehscheibe für die erforderlichen Truppenaufmärsche nationaler und internationaler Kräfte“ dient.

Auch bei weiteren Waffenlieferungen für die Ukraine prescht Berlin voran. In diesem Jahr werde Deutschland die Unterstützung für Kiew massiv ausweiten, erklärte Pistorius bei einem Treffen der Ukraine Defence Contact Group, dem so genannten Ramstein-Format am Dienstag. U.a. sei geplant, sechs Mehrzweckhubschrauber SEA KING Mk41 aus Bundeswehrbeständen zu liefern. Die Lieferung beinhalte dabei ein umfangreiches Zubehör- und Ersatzteilpaket sowie eine fliegerische und technische Ausbildungsunterstützung.

Der Sea King werde „den Ukrainern in vielen Bereichen helfen: bei der Aufklärung über dem Schwarzen Meer bis hin zum Transport von Soldaten.“ Im Krieg gegen Russland bleibe „Luftverteidigung die Priorität Nummer 1“. Er freue sich deshalb, dass Deutschland zusammen mit Frankreich „die Verantwortung in der Fähigkeitskoalition Luftverteidigung übernehmen und gemeinsam mehr als 20 Partner koordinieren“ werde. Auch für 2024 verfolge man das Ziel, 10.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten in Deutschland auszubilden.

Auch die offizielle Liste der Bundesregierung über militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine wird immer länger und zeigt, in welchem Ausmaß Deutschland bereits jetzt in der Ukraine Krieg gegen die russische Armee führt. Im Abschnitt „in Vorbereitung/Durchführung“ werden u.a. die folgenden Posten gelistet.

  • 105 Kampfpanzer LEOPARD 1 A5
  • 30 Schützenpanzer MARDER
  • 42 Armoured Personnel Carriers (APC)
  • 15 Flakpanzer GEPARD
  • 9 Luftverteidigungssysteme IRIS-T SLM

Hinzu kommen Bergepanzer, Brückenlegepanzer und Minenräumpanzer und unterschiedliche Arten von Munition, darunter allein 250.000 Schuss Artilleriemunition 155 mm und 259.680 Schuss Gepard-Munition.

Pistorius prahlte im Interview mit dem Tagesspiegel damit, dass Deutschland „bei der Militärhilfe nach den USA der zweitgrößte Unterstützer“ Kiews ist, „und damit der größte in Europa“. Laut den offiziellen Angaben der Bundesregierung betrugen die Mittel des sogenannten „Ertüchtigungstitels“ 2023 insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro (nach zwei Milliarden Euro im Jahr 2022). Und die Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die nächsten Jahr belaufen sich sogar bereits auf rund 10,5 Milliarden Euro. Die gigantischen Summen sind dabei nur ein Bruchteil der Gelder, die insgesamt in die Kriegsaufrüstung fließen.

Was sind die Faktoren, die die herrschende Klasse in den totalen Krieg treiben? In einer aktuellen Perspektive zur Nato-Kriegseskalation schreiben wir:

„Wie auch in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts stehen die imperialistischen Führungseliten unter dem Eindruck, dass ihnen wenig Zeit bleibt und dass sie den starken politischen Faktoren, die gegen sie wirken – der militärischen Situation und dem internationalen Klassenkampf – nur durch eine rasche Eskalation entgegentreten können.“

Das gilt insbesondere für den deutschen Imperialismus. Auf das Debakel der ukrainischen Offensive, die trotz Zehntausender toter Soldaten keine nennenswerten Erfolge brachte, und die Möglichkeit einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus, reagiert die herrschende Klasse, indem sie immer aggressiver für Krieg und eine unabhängigere deutsch-europäische Großmachtpolitik trommelt. „Wir brauchen mehr europäische Handlungsfähigkeit – ganz unabhängig vom Ausgang der US-Wahlen. Gerade die Rüstungsindustrie müssen wir leistungsfähiger machen“, fordert Pistorius im Tagesspiegel.

Am meisten fürchten die Eliten, dass die Arbeiterklasse ihre Kriegspläne durchkreuzt. Seit Monaten protestieren weltweit Millionen gegen den Völkermord Israels im Gazastreifen, der von der herrschenden Klasse in Deutschland zynisch im Namen des „Nie wieder“ unterstützt wird. In Deutschland streiken nach massiven Bauernprotesten aktuell die Lokführer und Millionen demonstrieren gegen die rechtsextreme AfD und den scharfen Rechtsruck der herrschenden Klasse insgesamt.

Um den Kampf gegen Faschismus und Krieg zu führen, muss die Opposition in eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus entwickelt und mit einer klaren sozialistischen Führung und Perspektive bewaffnet werden. Genau dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) gemeinsam mit ihren Schwesterparteien in ganz Europa und international bei den anstehenden Europawahlen im Juni. In der Wahlerklärung der SGP heißt es:

„Die einzige legitime Schlussfolgerung, die aus dem Vernichtungskrieg und dem Holocaust, den schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, gezogen werden kann, ist diese: die Arbeiterklasse darf Krieg und Faschismus nie wieder zulassen und muss die Wurzel dieses Grauens, den Kapitalismus, ein für alle Mal beseitigen… Wir fordern:

  • Stoppt den Nato-Krieg in der Ukraine! Keine Sanktionen und Waffenlieferungen!
  • Zwei Weltkriege sind genug! Stoppt die Kriegstreiber!
  • 100 Milliarden für Kitas, Schulen und Krankenhäuser statt für Rüstung und Krieg!“
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