Lauterbach will Gesundheitssystem kriegstauglich machen

Mit der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verkündeten „Zeitenwende im Gesundheitswesen“ werden die Gesundheitsausgaben zugunsten der militärischen Aufrüstung weiter zusammengestrichen. Das gesamte Gesundheitssystem wird der Kriegspolitik der Ampel-Regierung untergeordnet.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) während einer Pressekonferenz am 14. Januar 2022 (AP Photo/Michael Sohn)

Anfang des Monats erklärte Lauterbach, das deutsche Gesundheitswesen müsse sich für „eventuelle militärische Konflikte“ wappnen. Für den Sommer kündigte der Gesundheitsminister einen Gesetzentwurf an, der eine Gesetzeslücke schließen soll, um auf einen „militärischen Bündnisfall“ vorbereitet zu sein. „Nach dem verbrecherischen russischen Angriff auf die Ukraine hat diese Herausforderung leider an Bedeutung gewonnen,“ so Lauterbach.

Dabei machte der SPD-Mann klar, dass sich Deutschland mit zunehmendem militärischen Engagement auf eine große Zahl von Opfern in der Bevölkerung einstellen müsse. „Im Krisenfall muss jeder Arzt, jedes Krankenhaus, jedes Gesundheitsamt wissen, was zu tun ist. Wir brauchen klare Zuständigkeiten – etwa für die Verteilung einer hohen Zahl an Verletzten auf die Kliniken in Deutschland.“

„Im Kriegsfall wird ein Großteil des Personals der Bundeswehrkrankenhäuser vor allem in Feldsanitätseinrichtungen Dienst leisten. Die Kapazitäten der Bundeswehrkrankenhäuser wären deshalb alleine nicht ausreichend, um über längere Zeit die Anzahl der nach Deutschland zurücktransportierten, verwundeten Soldatinnen und Soldaten behandeln zu können,“ erklärte die parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller (SPD).

Die „Zeitenwende“ in der Gesundheitspolitik ist Teil der aktuellen Kriegsvorbereitungen gegen Russland. Nachdem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verkündet hat, man müsse Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen, und Russland offen mit Krieg droht, zeigen die jüngst geleakten Gespräche hochrangiger deutscher Militärs, wie weit die Pläne bereits fortgeschritten sind.

Es ist bezeichnend, dass der Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums in enger Abstimmung mit der Bundeswehr erfolgt. Gleichzeitig wird auch die Wissenschaft nach den Bedürfnissen des Militärs ausgerichtet. Mit dem Verbot so genannter Zivilklauseln für Universitäten soll künftig die strikte Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung aufgehoben werden.

Zuletzt haben Lauterbach und die Ampel-Regierung massive Kürzungen im Gesundheitssystem auf den Weg gebracht. Zum einen wurde der Gesundheitsetat für das laufende Jahr zugunsten weiterer Mittel für die Aufrüstung gekürzt, zum anderen sorgt die Klinikreform für ein bisher nicht gekanntes Kliniksterben.

Zentraler Punkt der Reform ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken angeblich vom ökonomischen Druck befreien soll. Tatsächlich fließt aber kein zusätzlicher Cent in die Versorgung, was den Druck weiter erhöht. Unter dem Vorwand, man wolle „große Qualitätsdefizite“ durch mehr Spezialisierung vermindern, werden weitere Kürzungen und Schließungen im Krankenhausbereich durchgesetzt.

Vor kurzem machte Lauterbach erneut deutlich, dass es der Regierung um die großangelegte Schließung von Krankenhäusern geht. „Es ist ganz klar, dass wir ein Überangebot an Kliniken haben“, erklärte er. In angeblich „überversorgten“ Städten seien Belegungen der Betten von 50 bis 70 Prozent keine Seltenheit. „Das Personal fehlt uns für andere Einrichtungen. Daher haben wir zu viele Kliniken.“

Dabei verschweigt der Gesundheitsminister, dass der extreme Personalmangel auf jahrzehntelange Einsparungen zurückzuführen ist. Vor allem während der Corona-Pandemie ließ die Regierung Kliniken und Personal regelrecht ausbluten. Die allermeisten Krankenhäuser gehen laut einer Studie von einer Verschärfung des Personalmangels bei Pflegekräften aus. 86 Prozent der befragten Kliniken meinen, dass sich die Stellensituation auf den Allgemeinstationen in den nächsten drei Jahren verschlechtern wird.

Genau dies besagt eine am vergangenen Montag veröffentlichte Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Für die nahe Zukunft sehen die Kliniken schwarz“, heißt es dort.

Auf der DKG-Webseite tickt eine so genannte Defizituhr, die mittlerweile über 9,4 Milliarden Euro anzeigt. Für 2024 gehen 71 Prozent der Kliniken in Deutschland von einer weiteren Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation aus. Und in den kommenden zehn Jahren könnte laut Prognosen fast jede fünfte Klinik in Deutschland schließen.

Seit Ende 2022 haben mehr als 40 Kliniken Zahlungsunfähigkeit angemeldet, allein im Januar sind sechs dazu gekommen. In diesem Jahr könnten weitere 80 in die Insolvenz rutschen. Dringend benötigte Hilfen verweigert das Bundesgesundheitsministerium, um den „kalten Strukturwandel“ zu forcieren.

Einen Streitpunkt um die Krankenhausreform haben Bund und Länder Mitte Februar beigelegt. Es gab eine Einigung bei der sogenannten Transparenz für Klinikbehandlungen. Dies ist eine wichtige Vorstufe für die geplante Reform und den damit verbundenen Kahlschlag.

Während es oberflächlich um eine öffentliche Aufstellung über Leistungsangebote, Fallzahlen und personelle Ausstattung der Kliniken geht, schafft die Einigung tatsächlich die Grundlage für die Neueinteilung der Häuser nach „Leistungsgruppen“ und „Levels“. Damit werden vermutlich mehr als 300 Kliniken zu ambulanten Zentren abgestuft und verlieren damit ihren Status.

Dabei gilt es als sicher, dass die Kosten für die Reform vollständig auf die Versicherten abgewälzt werden. Dies geschieht vor allem über weiter steigende Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Alle hier gebildeten Rücklagen sollen dann ebenso den Kürzungsplänen zugute kommen.

Der Wirtschaftsweise Martin Werding erklärte gegenüber dem Handelsblatt provokativ, dass eine Verwendung von gebildeten Reserven für Investitionen in Krankenhäuser nicht ihrem Zweck entspräche. Es müsse sichergestellt werden, dass die Mittel tatsächlich für die angestrebte Strukturbereinigung der Kliniklandschaft verwendet werden, „einschließlich einer Reduktion der Zahl der Kliniken“.

Auch die im Januar angekündigte Notfallreform verfolgt das Ziel, Leistungen zu kürzen und die Kliniken zu reduzieren.

Hintergrund sind die untragbaren Verhältnisse in den Notaufnahmen, die zunehmend überlastet sind und künftig in neue sogenannte Integrierte Notfallzentren übergehen sollen. Pro 400.000 Einwohner soll es ein Zentrum geben. Zu diesen Zentren soll auch je eine ambulante Notdienstpraxis in unmittelbarer Nähe gehören. Darüber hinaus soll Telemedizin und die hausärztliche Versorgung an Wochenenden eine größere Rolle spielen.

Mit anderen Worten: die Überlastung der Notaufnahmen soll schlichtweg durch eine schlechtere Behandlung von Patienten kompensiert werden. Anstatt die Notaufnahmen personell und finanziell aufzustocken, dient der Entwurf als Vorlage für weitere Einschränkungen und Schließungen.

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