Nato-freundliche Medien verstärken Propagandanarrativ zum Terroranschlag in Moskau

Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf eine Moskauer Konzerthalle am Freitag, 22. März, tauchen immer neue Informationen auf, die auf eine Verwicklung der USA und der Ukraine hinweisen. Derweil verstärken die Nato-freundlichen Medien ihr Propagandanarrativ über den Anschlag.

Laut den Zahlen der russischen Behörden von Dienstagmorgen wurden bei dem Anschlag 139 Menschen getötet, und 93 befinden sich noch im Krankenhaus, neun von ihnen in kritischem Zustand.

Feuerwehrleute in der ausgebrannten Crocus City Hall am westlichen Rand Moskaus nach dem Anschlag. Bild aus einem Video des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation, veröffentlicht am Samstag, 23. März [AP Photo/AP Photo / Russlands etterforskingskomité]

Die vier mutmaßlichen Terroristen, die die russischen Behörden verhaftet haben, sind allesamt Immigranten aus Tadschikistan. Sie wurden in der Region Brjansk auf dem Weg zur ukrainischen Grenze aufgegriffen. Laut der Aussage von Russlands Präsident Wladimir Putin und des russischen Geheimdiensts FSB hatten sie Verbindungen auf der ukrainischen Seite, wo ihr Grenzübertritt vorbereitet worden sei.

Am Montag erklärte Wladimir Putin, auch die russischen Behörden seien zu dem Schluss gekommen, dass radikale Islamisten an dem Anschlag beteiligt waren: „Wir wissen, wer diese Gräueltat gegen Russland und sein Volk verübt hat. Uns interessiert, wer sie angeordnet hat (...) Natürlich muss die Frage beantwortet werden, warum die Terroristen nach ihrem Verbrechen versucht haben, in die Ukraine zu gehen. Wer hat dort auf sie gewartet?“

Die russische Staatszeitung Iswestija berichtete am Montag, zwei der Terroristen hätten während eines Aufenthalts in der Türkei „Anweisungen erhalten“. Zudem hätten alle vier den Anschlag während des heiligen muslimischen Fastenmonats Ramadan verübt – nicht aus religiösem Fundamentalismus, sondern für Geld. Laut den russischen Behörden sollten die vier Männer für den Anschlag 500.000 Rubel erhalten, d.h. etwa 5.400 Dollar. Am Montagabend deuteten die russischen Ermittler auch an, dass die vier Männer gestanden hätten, für wen sie arbeiteten; doch wurden diese Informationen noch nicht veröffentlicht.

Obwohl offenbar vieles darauf hinweist, dass die Terroristen als Söldner für eine noch nicht identifizierte dritte Partei tätig waren, haben die Nato-freundlichen Medien dies völlig ignoriert. Stattdessen haben sie ein vages Bekennerschreiben zum zentralen Element ihres Narrativs gemacht, das wenige Stunden nach Bekanntwerden des Anschlags in den Sozialen Medien auftauchte: Darin hat die aus Afghanistan operierende islamistische Terrororganisation IS-K (Islamischer Staat – Khorasan) die Verantwortung für den Anschlag übernommen. 

So stellte die New York Times die Schlussfolgerung der französischen Regierung („Ein Ableger des Islamischen Staats hat den Angriff geplant und ausgeführt“) als bewiesene Tatsache hin, die „Putins Version offenbar widerspricht“. Ohne irgendwelche Beweise zu liefern, die die Verbindung zur Ukraine widerlegen würden, warf die Times den russischen Medien vor, dass sie „Bestrebungen forcieren, der Ukraine die Schuld zu geben“. Dabei bezieht sich die Times lediglich auf Äußerungen amerikanischer und ukrainischer Regierungsvertreter und das erwähnte Bekennerschreiben des IS-K.

Die Financial Times veröffentlichte einen besonders aggressiven Artikel mit dem Titel „Putins Besessenheit von der Ukraine hat ihn für die Gefahren im eigenen Land blind gemacht“. Darin prangert sie Putins Äußerungen über eine Verbindung zur Ukraine als Beweis dafür an, dass der russische Präsident „in Lügen und Paranoia gefangen“ sei. Ohne auch nur den Anschein von Objektivität behauptete die FT: „Russlands Vorwürfe, Kiew – und damit die USA – seien die Drahtzieher hinter dem Amoklauf, sind reine Fantasie.“

Die Autorin, Hanna Nolta, ist Leiterin des Eurasien-Programms des James Martin Center for Nonproliferation Studies am Middlebury College, das für seine engen Beziehungen zu CIA und Militär berüchtigt ist. Leiter des James Martin Center ist ein gewisser William Potter, Professor am Institute for International Studies dieses Colleges, das regelmäßig Anwerbeveranstaltungen für die CIA organisiert. Potter ist auch Mitglied des US Council of Foreign Relations und ehemaliger Berater der Denkfabrik RAND Corporation, die enge Beziehungen zum US-Militär unterhält. 

Wie die gesamte imperialistische Propaganda über den Ukrainekrieg beruht auch das von der New York Times und der Financial Times verbreitete Narrativ auf einer völligen Verschleierung und Verdrehung von Fakten und Zusammenhängen. Die grundlegendsten Fragen, etwa nach dem Timing des Anschlags, werden nicht gestellt. Über wesentliche Fakten wie die möglichen Verbindungen der Terroristen in die Türkei wird einfach nicht berichtet, und wer Zweifel an der „offiziellen Linie“ äußert, wird praktisch als Verrückter hingestellt. Inzwischen wird jede Diskussion über politische und historische Zusammenhänge fast gänzlich aus der Diskussion verbannt.

Tatsächlich weisen mehrere bürgerliche Journalisten und Vertreter von Denkfabriken, die sonst unerschütterlich hinter dem Nato-Kriegskurs gegen Russland stehen, auf Verbindungen hin, welche das Narrativ der New York Times und der Financial Times vollständig untergraben. Tomas Avenarius, ein langjähriger Auslandskorrespondent der Süddeutschen Zeitung, stellte die Behauptung, eine Beteiligung Kiews sei „absurd“, in Frage und wies darauf hin, dass islamistische Fundamentalisten aus dem Kaukasus in der Ukraine seit Jahren auf der Seite Kiews gegen Russland kämpfen.

Guido Steinberg, ein ehemaliger Berater der Bundesregierung, der heute für die Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) arbeitet, erklärte am Samstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „[D]ie Ukraine [ist] in den letzten Jahren auch zu einem kleinen Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen geworden. Als der IS im Irak und Syrien kurz vor der Niederlage stand, da wurde unter IS-Funktionären zumindest darüber geredet, ob denn nicht Personal in die Ukraine geschickt werden sollte, ganz einfach weil die Situation dort so chaotisch war, weil die Behörden so korrupt waren. Und es gibt einige Hinweise darauf, dass die Ukraine mindestens [vom IS] als Transitgebiet in den letzten Monaten und Jahren genutzt wurde.“

Allerdings erwähnt keiner dieser Journalisten und Berater die vernichtende und ins Auge springende Tatsache: dass gerade die Beteiligung des IS-K der wohl stärkste Beweis dafür ist, dass die USA hinter dem Anschlag stecken.

Der IS-K ist, genau wie viele islamistische Terrororganisationen im Nahen Osten, zum größten Teil ein Geschöpf des US-Imperialismus. Sogar Hamid Karsai, das langjährige Oberhaupt der ehemaligen, von den USA unterstützten Marionettenregierung in Afghanistan, erklärte 2018 in einem Interview mit Voice of America: „Ich betrachtete Daesh [das arabische Akronym für den IS] als ein Werkzeug [der USA]. Ich mache überhaupt keinen Unterschied zwischen Daesh und Amerika.“ Im Jahr 2021, kurz nach dem Sturz des US-Marionettenregimes in Afghanistan inmitten des US-Truppenabzugs, berichtete das Wall Street Journal, dass die von den USA ausgebildeten Aufstandsbekämpfungs-Einheiten und das Geheimdienstpersonal dem IS-K beitreten würden, um gegen die Taliban zu kämpfen.

Die USA haben mindestens seit den 1980er-Jahren systematisch militante Islamisten ausgebildet und bewaffnet, vor allem in Afghanistan nach dem Einmarsch der Sowjetunion. Diese vom verstorbenen Zbigniew Brzezinski formulierte Afghanistan-Strategie verfolgte das Ziel, „die Sowjetunion [auf dem Schlachtfeld] ausbluten zu lassen“. Gleichzeitig zielte der Aufbau von islamistisch-fundamentalistischen Kräften mit Milliarden von Dollar darauf ab, die Sowjetunion mit ihrem großen muslimischen Bevölkerungsanteil von innen zu destabilisieren, um ihren Zerfall zu beschleunigen. Diese Strategie hatte besonders in Tadschikistan enorme Auswirkungen.

Hier führten die stalinistische Zerstörung der Sowjetunion und die Wiedereinführung des Kapitalismus zu einem brutalen Bürgerkrieg, in dem die islamistische Opposition gegen die vom Kreml unterstützte Regierung kämpfte. Diese islamistische Opposition unterhielt Verbindungen zu den afghanischen Mudschahiddin.

Der Bürgerkrieg in Tadschikistan, der von 1992 bis 1995 andauerte, hatte zehntausende Tote und die Zerstörung des Landes zur Folge. Es ist die ärmste aller ehemaligen Sowjetrepubliken. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Etwa die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts stammt ausschließlich von Überweisungen von Gastarbeitern, von denen etwa eine Million in Russland leben. Etwa sieben Millionen Tadschiken leben in Afghanistan, verglichen mit fast zehn Millionen in Tadschikistan selbst. Es ist allgemein bekannt, dass sich in den letzten Jahrzehnten Menschen aus den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken dem IS und anderen islamistischen Terrororganisationen angeschlossen haben.

Wie die WSWS erklärte, deuten die grundlegenden Fakten des Anschlags und sein breiterer politischer und historischer Kontext allesamt darauf hin, dass es sich um eine Provokation des US-Imperialismus und seiner Stellvertreter in der Ukraine handelt. Angesichts des militärischen Debakels auf dem Schlachtfeld in der Ukraine sollte der Anschlag das Putin-Regime destabilisieren, die Opposition in der Oligarchie und dem Staatsapparat ermutigen und nationalistische und religiöse Unruhe schüren. Die New York Times möchte ihre Leser die Erfahrungen der US-Kriege und des nationalistischen Schürens von religiösen und ethnischen Spannungen im Nahen Osten in den letzten 40 Jahren vergessen machen, doch der Terroranschlag in Moskau zeigt, dass die gleiche Strategie, die den Nahen Osten und Zentralasien verwüstet hat, jetzt zur Destabilisierung des Landes mit dem zweitgrößten Atomarsenal der Welt eingesetzt wird. 

Das Putin-Regime, selbst ein Produkt der stalinistischen Reaktion gegen die Oktoberrevolution, ist für diese Operationen des Imperialismus hochgradig anfällig. Als Reaktion auf den Terroranschlag schürt es russischen Nationalismus und Stimmung gegen Immigranten. Dies verdeutlicht, dass der einzige tragfähige Weg, um der immer gefährlicheren Entwicklung des imperialistischen Kriegs um die Neuaufteilung der Welt entgegenzutreten, der Kampf für die internationale Vereinigung und unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse ist.

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