Nach Ermordung internationaler Helfer durch Israel und USA: Netanjahu-Regierung bemüht sich um Schadensbegrenzung

Nach der gezielten Tötung von sieben Mitarbeitern der World Central Kitchen (WCK) durch die israelischen Streitkräfte am Montag haben das Weiße Haus und die internationalen Medien alles daran gesetzt, jedermann davon zu überzeugen, dass sich die Politik Israels gegenüber den Palästinensern im Gazastreifen grundlegend geändert hat. Die Ankündigung von Premierminister Benjamin Netanjahu vom Freitag, dass ein zusätzlicher Grenzübergang für Hilfslieferungen in den Norden des Gazastreifens geöffnet werde und vorübergehende Lieferungen den israelischen Hafen Ashdod verlassen dürften, wurde weithin als neues humanitäres Engagement für 2,3 Millionen hungernde Menschen im Gazastreifen gewertet.

Mitglieder der Familie Abu Draz mit den Leichen ihrer bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens getöteten Angehörigen in ihrem Haus in Rafah im südlichen Gazastreifen, Donnerstag, 4. April 2024 (AP Photo/Fatima Shbair) [AP Photo/Fatima Shbair]

In Wirklichkeit handelt es sich um eine Geste zur Gesichtswahrung, die darauf abzielt, einen Ausbruch öffentlicher Empörung in der ganzen Welt über Israels barbarische Kriegsverbrechen zu unterdrücken und es dem US-Imperialismus gleichzeitig zu ermöglichen, sich heuchlerisch als hemmende Kraft in dem laufenden Völkermord aufzuspielen. Die Ankündigung Netanjahus war eng mit Washington abgestimmt und erfolgte nur wenige Stunden nach einem Telefonat zwischen Biden und Netanjahu. In Medienberichten wurde das Gespräch als angespannt dargestellt, wobei Biden angeblich auf die Verabschiedung „spezifischer, konkreter und messbarer“ Schritte zur Linderung der humanitären Krise drängte. Führende Vertreter der Biden-Regierung, darunter der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, machten jedoch deutlich, dass sich an der Lieferung von Waffen an Israel nichts ändern werde und dass Washington Israel weiter „eisern“ unterstütze. In Bezug auf Netanjahus Ankündigung am Freitag erklärte Biden gegenüber einem Reporter unverblümt: „Ich habe sie gebeten, das zu tun, was sie jetzt tun.“

Die Öffnung eines zusätzlichen Grenzübergangs und einer vorübergehenden Seeroute nach Gaza ist sinnlos, wenn es keine Helfer gibt, die die dringend benötigten Lebensmittel und medizinischen Hilfsgüter liefern. Die israelischen Streitkräfte haben letzte Woche alle Hilfslieferungen des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) in den nördlichen Gazastreifen eingestellt. Nach dem Massaker an den Helfern haben WCK, American Near East Refugee Aid (ANERA) und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihre Hilfsaktionen in Gaza eingestellt. WCK sollte eine zentrale Rolle in dem maritimen Hilfskorridor von Zypern aus spielen, den die Regierung Biden im März anpries, als sie Pläne zum Bau eines Schwimmdocks vor der Küste der Enklave bekannt gab. Die Regierung Zyperns erklärte am Montag, dass ein von WCK organisiertes Schiff aus dem Gazastreifen mit 332 Tonnen Hilfsgütern zurückgekehrt sei, ohne diese entladen zu haben.

Aus den Daten der israelischen Regierungsbehörde Cogat, die den Zugang zum Gazastreifen kontrolliert, geht hervor, dass WCK für 60 Prozent der Hilfslieferungen von Nichtregierungsorganisationen im Gazastreifen verantwortlich war, bevor die Organisation ihre Tätigkeit einstellte. Berichten zufolge hat ANERA seit Oktober im Schnitt 150.000 Mahlzeiten pro Tag ausgeliefert. Die VAE haben 25 Prozent der gesamten ausländischen Hilfe geleistet.

Andere Hilfsorganisationen, die noch tätig sind, haben darauf hingewiesen, dass es mehr oder weniger unmöglich sei, ihre Aktivitäten aufrechtzuerhalten. „Wir gehen auf eine Mission, bei der uns gesagt wird, dass wir sicher sind, und dann werden wir stundenlang aufgehalten, unsere Mitarbeiter werden verhört, sie werden in Gefahr gebracht oder getötet, und das ist nicht akzeptabel“, kommentierte Tess Ingram, eine Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks UNICEF.

Selbst wenn man Israels Propaganda über die Hilfslieferungen im Rahmen von Netanjahus jüngster Ankündigung für bare Münze nimmt, werden diese weiterhin weit hinter dem zurückbleiben, was erforderlich ist. Das israelische Armeeradio berichtete, dass nun 350 Hilfsgütertransporter pro Tag den Gazastreifen erreichen könnten, statt wie bisher nur 200. Das wären gerade einmal 70 Prozent der 500 Hilfstransporter, die vor dem israelischen Angriff täglich in Gaza eintrafen. Indessen wird die Behauptung, dass derzeit 200 Lastwagen pro Tag ankämen, von unabhängigen Quellen zurückgewiesen. Oxfam gibt an, dass täglich im Schnitt 105 Lastwagen den Gazastreifen erreichen.

Seit Beginn des genozidalen Angriffs Israels haben Regierungsvertreter keinen Hehl aus ihrer Absicht gemacht, den Gazastreifen ethnisch zu säubern und Hunger als Kriegswaffe einzusetzen. Das zionistische Regime hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es entschlossen ist, einen großen Teil der Bevölkerung des Gazastreifens zu töten und den Rest gewaltsam zu vertreiben. Entsprechende Äußerungen reichen von der berüchtigten Aussage von Verteidigungsminister Yoav Gallant, der die Palästinenser als „menschliche Tiere“ bezeichnete, bis zur Bemerkung des ehemaligen Leiters des israelischen Nationalen Sicherheitsrats Giora Eiland, dass „schwere Epidemien im Süden des Gazastreifens den Sieg näher bringen und die Zahl der Opfer unter den IDF-Soldaten verringern“ würden, und der Forderung von Finanzminister Bezalil Smotrich nach der „freiwilligen Auswanderung der Araber aus dem Gazastreifen in die Länder der Welt'.

In diesem Zusammenhang ist die plausibelste Erklärung für das Massaker an den WCK-Mitarbeitern, dass es auf eine wohlüberlegte Entscheidung zurückgeht, die auf höchster Ebene des israelischen Staates in Absprache mit Washington getroffen wurde und darauf abzielte, die Hilfslieferungen nach Gaza zu sabotieren und damit den Völkermord zu verschärfen. Die drei eindeutig gekennzeichneten Fahrzeuge wurden getrennt voneinander auf einer Strecke von 2,4 Kilometern beschossen. Biden und Netanjahu versuchen nun, die diplomatischen Folgen zu bewältigen.

Nach Angaben der Hilfsorganisation OXFAM haben die rund 300.000 Menschen, die vermutlich im nördlichen Gazastreifen festsitzen, seit Januar mit nur 12 Prozent der empfohlenen täglichen Kalorienzufuhr überlebt. Die 245 Kalorien, die im Durchschnitt verbraucht werden, entsprechen weniger als einer Dose Ackerbohnen. Die von Israel seit Beginn der Bombardierung des Gazastreifens zugelassenen Hilfslieferungen decken nur 41 Prozent des empfohlenen Kalorienbedarfs der gesamten Bevölkerung ab. In der Pressemitteilung der Hilfsorganisation vom 3. April heißt es:

Die israelische Regierung weiß seit fast zwei Jahrzehnten genau, wie viele Kalorien täglich benötigt werden, um Unterernährung im Gazastreifen zu verhindern, und berechnet dies in ihrem Dokument „Food Consumption in the Gaza Strip - Red Line“ nach Alter und Geschlecht. Dabei wurde nicht nur ein höherer Wert von 2.279 Kalorien pro Person zugrunde gelegt, sondern auch die lokale Nahrungsmittelproduktion im Gazastreifen berücksichtigt, die das israelische Militär inzwischen praktisch ausgelöscht hat.

Nach Angaben der UN und des Palästinensischen Roten Halbmonds sind schätzungsweise 50.000 Kinder akut unterernährt. Bislang sind 31 Kinder an Unterernährung gestorben und es wird erwartet, dass diese Zahl mit dem Einsetzen der Hungersnot noch steigen wird. Der Geschäftsführer von Oxfam International, Amitabh Behar, erklärte, was für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt immer offensichtlicher wird:

Israel entscheidet sich bewusst dafür, Zivilisten auszuhungern. Stellen Sie sich vor, wie es ist, nicht nur tagein, tagaus mit 245 Kalorien zu überleben, sondern auch mit ansehen zu müssen, wie es Ihren Kindern oder älteren Verwandten ergeht. Und das alles auf der Flucht, mit wenig bis gar keinem Zugang zu sauberem Wasser oder einer Toilette, im Wissen, dass die meiste medizinische Hilfe verschwunden ist, und unter der ständigen Bedrohung durch Drohnen und Bomben.

Die Bomben, die der US-Imperialismus und seine europäischen Verbündeten an Israel geliefert haben, gehen weiterhin auf Gaza nieder. Mindestens 54 Palästinenser wurden am Freitag in einem Zeitraum von 24 Stunden getötet, womit sich die offizielle Zahl der Todesopfer auf 33.091 erhöht hat. Später am Freitag wurde ein Haus im Flüchtlingslager Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens angegriffen und zerstört. Dabei wurden drei Menschen getötet. Nach den jüngsten Zahlen des UNRWA wurden seit Beginn des Völkermords 62 Prozent aller Wohnungen im Gazastreifen entweder zerstört oder beschädigt.

Trotz dieser schrecklichen Verbrechen sind die imperialistischen Mächte nach wie vor fest entschlossen, sich an der „Endlösung“ der palästinensischen Frage zu beteiligen. Der amerikanische Imperialismus unterstützt den Völkermord als Teil eines umfassenderen Plans, mit Unterstützung Israels einen Krieg in der gesamten Region gegen den Iran zu führen, um seine Vorherrschaft über den energiereichen Nahen Osten zu festigen.

Bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates am Freitag stimmten sowohl die Vereinigten Staaten als auch Deutschland gegen eine Resolution, in der ein Stopp der Waffenverkäufe an Israel gefordert wurde. In der nicht bindenden Erklärung, die mit 28 gegen 6 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen wurde, wird auch gefordert, dass Israel für mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen zur Rechenschaft gezogen wird.

Washington und Berlin können solche Vorschläge nicht unterstützen, denn bei einem echten Kriegsverbrechertribunal müssten dann neben Netanjahu auch Präsident Biden, Außenminister Blinken, Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock auf der Anklagebank sitzen. Während die Biden-Regierung seit Oktober über 100 Lieferungen von Hochleistungswaffen nach Israel geschickt hat, verzehnfachte Deutschland seine Waffenlieferungen an Israel, nachdem Netanjahus rechtsextreme Regierung den Völkermord begonnen hatte. An diesem Montag und Dienstag findet vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Anhörung in einem von Nicaragua angestrengten Verfahren statt, in dem Deutschland der Beihilfe zum Völkermord beschuldigt wird, weil es Waffen an Israel geliefert und Regierungsvertreter erklärt haben, dass sie das zionistische Regime bei den Massakern an der Zivilbevölkerung vorbehaltlos unterstützen.

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