Israelische Regierungsvertreter verschärfen ihre Drohungen, Rafah anzugreifen

Am Sonntag bekräftigten der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant Israels Absicht, Rafah anzugreifen. In dieser südlichsten Stadt des Gazastreifens haben mehr als eine Million Vertriebene Zuflucht gefunden.

In einer Fernsehansprache wies Netanjahu Forderungen nach einem dauerhaften Waffenstillstand zurück und bekräftigte seine Absicht, Rafah anzugreifen.

Ein israelischer Soldat vor einer Panzerkolonne in einem Aufmarschgebiet nahe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels am 5. Mai 2024 [AP Photo/Tsafrir Abayov]

Netanjahu erklärte: „Die Hamas hält an ihren extremen Positionen fest, vor allem an der Forderung, wir sollen sämtliche Truppen aus dem Gazastreifen abziehen, den Krieg beenden und die Hamas an der Macht lassen... Das kann Israel nicht akzeptieren...

Der Sieg ist die einzige Möglichkeit, unsere Existenz und unsere Zukunft zu garantieren.“

Mit diesen Äußerungen hat Netanjahu die Behauptungen der Biden-Regierung, Israel strebe einen „Waffenstillstand“ an, als absurd entlarvt. Die Bedingungen, die Israel anbietet, würden auf eine Verzögerung des geplanten Angriffs auf Rafah um einige Woche hinauslaufen, verbunden mit einer dauerhaften militärischen Besatzung des Gazastreifens. Dies sind die Bedingungen, die US-Außenminister Antony Blinken als „äußerst großzügig“ bezeichnete.

Nach Netanjahus Rede machte Verteidigungsminister Yoav Gallant deutlich, dass Israel Rafah angreifen wird, wenn die Führung der Hamas die angebotenen Bedingungen nicht akzeptiert: „Wir erkennen alarmierende Anzeichen dafür, dass die Hamas tatsächlich nicht die Absicht hat, ein Abkommen mit uns einzuhalten. Das bedeutet, dass wir in Rafah und dem gesamten Gazastreifen in der nahen Zukunft aktiv werden.“

Er erklärte weiter, Israel bereite eine „mächtige Operation“ in Rafah vor, und „der Befehl werde sehr bald kommen“.

Der israelische Minister für die Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, forderte am Sonntag: „Netanjahu, gehen Sie jetzt nach Rafah!“ Zuvor hatte Finanzminister Bazalel Smotrich bei einer Kundgebung in Jerusalem gerufen: „Rafah jetzt!“

Diese Drohungen gingen einher mit einer Eskalation der Bombenangriffe auf Rafah. In den letzten 24 Stunden wurden mindestens 16 Menschen durch israelische Luftangriffe auf Rafah getötet, die sich gegen mindestens zwei Ziele in der Stadt richteten.

Am Sonntag reiste eine Delegation der Hamas nach tagelangen Verhandlungen in Kairo ohne Einigung ab. Reuters berichtete unter Berufung auf einen anonymen Beamten: „Die aktuelle Verhandlungsrunde in Kairo steht kurz vor dem Scheitern.“

Am selben Tag kündigte die israelische Regierung an, sie habe den Betrieb des Senders Al Jazeera in Israel eingestellt. Die Netanjahu-Regierung beschlagnahmte die Ausrüstung von Al Jazeera, blockierte ihre Übertragungen und unterband den Zugriff auf seine Website in Israel. Später am Sonntag durchsuchte die israelische Polizei die Büroräume von Al Jazeera in Ost-Jerusalem.

Das Al Jazeera Media Network verurteilte den Schritt als „kriminellen Akt“, der „gegen internationales und humanitäres Völkerrecht verstößt“.

Die Pressestelle der Regierung von Gaza erklärte, das Verbot von Al Jazeera in Israel sei „ein Skandal und ein eklatanter Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und das Recht auf Meinungsäußerung“. Weiter hieß es:

Wir verurteilen das beschämende Schweigen vieler Länder, die sich für Hüter der Welt und der Menschenrechte halten, während sie einen Völkermord-Krieg führen und sich an dem Krieg beteiligen, um Medienschaffende, Journalisten und ihre Medien zum Schweigen zu bringen.

Reporter ohne Grenzen verurteilten ebenfalls die Stilllegung und erklärten, sie „verurteilen die freiheitsgefährdenden Gesetze, die einen Fernsehsender wegen seiner Berichterstattung über den Krieg in Gaza zensieren, aufs Schärfste“.

Der Direktor bei Human Rights Watch (HRW) für Israel und Palästina, Omar Shakir, verurteilte die Entscheidung zur Stilllegung von Al Jazeera mit den Worten: „Ihre Büros in Gaza wurden bombardiert. Im Westjordanland wurde ihr Personal verprügelt. Sie wurden im Westjordanland und in Gaza getötet... Statt die Berichterstattung über seine Gräueltaten in Gaza zum Schweigen zu bringen sollte Israel aufhören, sie zu begehen.“

Der israelische Journalist Gideon Levy erklärte in einem Interview mit Al Jazeera: „Ich kann Ihnen als Zuschauer, nicht als Kommentator oder Autor, sagen, dass die Berichterstattung von Al Jazeera English in den letzten sieben Monaten zu den wichtigsten Informationsquellen über die Ereignisse in Gaza gehörten... Den Sender stillzulegen, bedeutet, die Möglichkeit einer freien Presse zu beenden.“

Levy, der als Berichterstatter für die israelische Zeitung Haaretz tätig ist, erklärte: „Al Jazeera ist ein Sender aus Katar, und Katar gehört zu den Ländern, die sich für eine Einigung [d.h. für einen Waffenstillstand in Gaza] einsetzen. Netanjahu hat in den letzten zwei, drei Tagen alles in seiner Macht Stehende getan, um eine Einigung zu sabotieren.“

Am Sonntag gab Israel außerdem die Schließung des Grenzübergangs Karem Abu Salem in Rafah bekannt, des bisher wichtigsten Grenzübergangs für humanitäre Hilfslieferungen nach Gaza.

Am selben Tag griff Israel eine Einrichtung des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) an, und behauptete, sie werde als „Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas“ genutzt.

Der Generalkommissar des UNRWA, Philippe Lazzarini, warnte in einer Erklärung, Israel verstärke „die Einschränkungen für humanitäre Lieferungen und die Angriffe auf humanitäre Helfer und Konvois“.

Er stellte fest:

Allein in den letzten zwei Wochen haben wir zehn Vorfälle verzeichnet, bei denen auf Konvois geschossen, UN-Personal verhaftet, eingeschüchtert, nackt ausgezogen und mit Waffen bedroht wurde, und Konvois aufgrund langer Verzögerungen an Kontrollpunkten im Dunkeln fahren oder umkehren mussten.

Die Leiterin des Welternährungsprogramms, Cindy McCain, warnte am Samstag, im Norden des Gazastreifens herrsche bereits eine „ausgewachsene Hungersnot“, die sich auf andere Teile des Landes ausdehnt. Sie erklärte: „Es ist grauenhaft. Es ist so schwer, das mit anzusehen, und so schwer, das zu hören.“

Während Israel seinen Völkermord in Gaza verschärft hat, rufen die US-Medien immer aggressiver zu Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung des Gazastreifens auf. Der Leserbriefredakteur des Wall Street Journal, Elliot Kaufman, forderte in einer Kolumne offen die ethnische Säuberung des Gazastreifens und verurteilte die öffentliche Haltung Ägyptens und der Biden-Regierung, die sich gegen die „Zwangsvertreibung der Palästinenser“ ausgesprochen hatten.

Kaufman schrieb: „Wenn man hört, dass die Bewohner von Gaza ,eingeschlossen‘ sind, ist das eine politische Entscheidung der Biden-Regierung. Es hätte nicht so sein müssen.“

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