Stellenabbau bei der Bahn: Angestellte berichten von Personalnot und Arbeitsstress

Der Bahnvorstandschef hat angekündigt, noch einmal 30.000 Stellen abzubauen. Unterstützt wird der Plan von GDL und EVG. Bahnbeschäftigte im Verwaltungsbereich haben dem Aktionskomitee Bahn berichtet, dass sie schon heute unter Personalnot und Arbeitsstress leiden.

Protesttransparent von Eisenbahnern gegen den Stellenabbau, DB Cargo Mainz, Februar 2024

In Berlin, Stuttgart, Duisburg und Frankfurt am Main haben Mitglieder des Aktionskomitees mit Beschäftigten in der Verwaltung der Deutschen Bahn gesprochen. In diesem Bereich soll der Rotstift zuerst angesetzt werden. Insgesamt sollen bei der Bahn in fünf Jahren 30.000 Vollzeitstellen abgebaut werden, wie Bahn-Vorstandschef Richard Lutz am 25. Juli in der Bilanzpressekonferenz angekündigt hat.

Der massive Kahlschlag hat die Unterstützung der Bahngewerkschaften EVG und GDL. Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Stellenstreichungen ausdrücklich zugestimmt, „wenn sie in der Verwaltung stattfinden und nicht im direkten Bereich“. Die EVG, Hausgewerkschaft der DB AG, äußert sich zurückhaltender, schreibt jedoch, dass sie es „grundsätzlich“ unterstützt, „wenn die DB AG Prozesse und Strukturen im Unternehmen auf den Prüfstand stellt und hinterfragt“, solange die „Personalanpassungen (…) planbar und sozialverträglich“ durchgeführt werden. Mit anderen Worten: Die EVG wird sich an der Zerschlagung der Arbeitsplätze bei der Bahn aktiv beteiligen.

Beide Gewerkschaften, EVG und GDL, haben ihre Spitzenvertreter im Aufsichtsrat der Bahn und kennen natürlich das entsprechende Strategiepapier mit den detaillierten Abbauplänen. Sie halten es jedoch vor den Beschäftigten sorgsam geheim. EVG und GDL sind bemüht, Stillschweigen zu bewahren, um keine Unruhe aufkommen zu lassen.

In allen vier Städten, in denen wir mit Beschäftigten sprachen, berichteten viele übereinstimmend, dass Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte das Thema herunterspielen oder ganz verschweigen. „Sie informieren uns nicht, was Sache ist“, so eine Frankfurter Reiseauskunft-Angestellte. Und ein Techniker: „EVG und GDL wollen nicht, dass in der Belegschaft darüber diskutiert wird.“

In dem Aufruf „Verteidigt die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen gegen Bundesregierung, DB-Konzern, GDL- und EVG-Apparat!“, der zu Hunderten verteilt wurde, bezeichnet das Aktionskomitees Bahn die Abbaupläne als „Frontalangriff auf alle Beschäftigten der Deutschen Bahn“, fordert die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung auf, sich seinem Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze anzuschließen, und stellt fest: „Wir lassen uns nicht spalten.“

Praktisch alle Beschäftigten nahmen einen Flyer mit, und viele fanden es wichtig, dass jemand die Initiative gegen den Stellenabbau ergreift. Die kurzen Gespräche machten jedoch auch deutlich, dass keine offizielle Stelle – weder Geschäftsführung, Betriebsrat oder Gewerkschaft – die Beschäftigten konkret über die Pläne informiert. Manche wussten noch gar nichts von dem Damoklesschwert, das über ihnen schwebt.

Immer wieder berichteten Beschäftigte von dem Personalmangel, der bereits heute in den Abteilungen vorherrscht: „Eher müssen noch Leute eingestellt werden!“ oder: „Bei uns wird doch händeringend nach Leuten gesucht“, sagten viele.

„Freie Stellen werden seit langem nicht besetzt“, sagte ein IT-Techniker in Frankfurt am Main. „Das führt bei den Beschäftigten zu Mehrarbeit und Überstunden, und es hat Konsequenzen.“ Wir trafen ihn in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs, wo sich zahlreiche Bahnbüros am Standort der früheren Adlerwerke befinden, darunter die DB-Fahrzeuginstandhaltung, DB-Systel und DB-InfraGo, sowie Verwaltungs- und Schulungsräume.

Ein Angestellter sagte: „Wir sind die Leute, die die Fahrpläne erstellen. Bei uns müssten eigentlich dringend Leute eingestellt werden.“ Wenn einer im Urlaub, der andere krank sei, dann sei das Chaos vorprogrammiert. Ein Mitarbeiter der Instandhaltung bestätigte, dass der Personalabbau Konsequenzen hat: „Wenn wir nicht hinterherkommen, dann sind die Waggons nicht einsatzfähig: dann fallen Züge aus.“

Auch in Duisburg berichteten Beschäftigte, die in der DB-Netz-Betriebszentrale arbeiten, von erheblichem Personalmangel. Dort steuern und planen die Fahrdienstleister den gesamten Güter- und Personalverkehr in NRW und darüber hinaus. Fast alle Abteilungen und Bereiche sind unterbesetzt, wie die Beschäftigten berichteten. Häufig müssen sie Überstunden machen und sogar ihre eigentlich freien Tage opfern.

Gleichzeitig berichteten mehrere, dass jetzt schon ein allgemeiner Einstellungsstopp greift, und andere wiesen auf die Vorbereitungen auf den Stellenabbau hin. In Stuttgart berichtete ein Verwaltungsangestellter von Wut und Unsicherheit in seinem Betrieb. Es herrsche ein angespanntes Klima. Er sagte: „Jeder überlegt, wer jetzt wohl auf der Liste steht.“

In Berlin berichtete eine junge Ingenieurin am S-Bahn-Nordbahnhof, dass ihr Vertrag als Werkstudentin bei der Bahn Ende August auslaufe. Dies, nachdem sie zwei Jahre lang bei der Bahn für 1.000 Euro monatlich gearbeitet habe. „Der Vertrag wird nicht mehr verlängert“, sagte sie, und sie werde auch nicht fest eingestellt. Voller Zorn wies sie darauf hin, dass derselbe Vorstand, der jetzt einen Einstellungsstopp verhängt, selbst Boni in Millionenhöhe kassiert. Tatsächlich hatte Ende 2023 der Bahnvorstand fast fünf Millionen Euro, Vorstandschef Lutz alleine mehr als 1,2 Millionen Euro, an Boni kassiert.

Zahlreiche Kollegen wiesen uns darauf hin, dass Stellen durch den Einsatz von KI zerstört werden könnten. „Das fürchten bei uns schon viele Kollegen“, sagte der Mitarbeiter, der in Frankfurt Fahrpläne erstellt. Auch eine Verwaltungsangestellte in Berlin berichtete von Versuchen, die Planungsabläufe vermehrt durch KI auszuführen. Sie sagte: „Aber die bisherigen Versuche klappen hinten und vorne nicht.“

Im Service-Bereich werden Arbeitsplätze heute schon abgebaut. Eine Reinigungskraft in Stuttgart sagte, dass sie zu zweit alle Aufgaben wie Putzen, Kaffeekochen, etc. auf vier Stockwerken bewältigen müssen, wofür bisher drei Personen zuständig waren. Die dritte Kollegin sei aus ihrem Team abgezogen worden.

In Frankfurt berichtete uns ein älterer Eisenbahner, der seit 43 Jahren bei der Bahn und 25 Jahre lang im Bahnbetrieb tätig war: „Im Hausservice werden 80 Prozent der Stellen auf Subunternehmen umgelagert, das wurde auf einer Betriebsversammlung angekündigt. Wir haben ja jetzt schon Leiharbeiter, und das ist richtig Ausbeutung. Sie kriegen weniger Lohn, kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, keine Fahrvergünstigung. Das ist nicht in Ordnung!“

Derselbe Eisenbahner bestätigte, dass ein Einstellungsstopp jetzt schon greift: „Junge Leute, die sich bei der Bahn bewerben, werden abgewiesen. Auf die Älteren machen sie Druck, damit wir vorzeitig in den Ruhestand gehen.“

Auch EVG-Gewerkschaftsmitglieder und Betriebsräte kritisierten uns gegenüber die Abbaupläne und äußerten Unzufriedenheit mit der Gewerkschaft. In Stuttgart sagte eine Betriebsrätin, dass sie nicht damit einverstanden sei, dass die Chefetage mit Zustimmung der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat Millionen kassiert. In Berlin äußerte eine Frau, im Gegensatz zur EVG sei die GDL doch viel militanter. Allerdings war ihr nicht bewusst, wie die GDL gegen den angeblichen „Wasserkopf“, die Verwaltung, hetzt, und dass GDL-Chef Weselsky eine Leihfirma für Lokführer gegründet hat.

Der Arbeitsplatzabbau in der Verwaltung ist nur der Anfang. Die geplanten 30.000 Stellenstreichungen zielen auch auf die Mitarbeiter auf der Schiene und in den Bahnhöfen. Auch bei DB Cargo hat der geplante massive Personalabbau schon begonnen. Dort sind aktuell bis zu 1.800 Stellenstreichungen vorgesehen.

Und im Duisburger Hauptbahnhof berichtete die Zugschefin eines ICE, dass sie soeben mit noch einem Zugbegleiter für einen gesamten ICE zuständig war. Geht es nach der Bahn, soll dies zum Normalfall werden: In einem vollbesetzten ICE mit 900 Fahrgästen werden dann nur noch zwei Zugbegleiter den ganzen Betrieb bewältigen müssen.

Viele Eisenbahner begrüßen die Initiative des Aktionskomitees Bahn, die Spaltung zu überwinden, die künstlich zwischen „produktivem“ Bereich und Verwaltung geschaffen wird. In Frankfurt sagte uns die Angestellte in der Reiseinformation: „Ich finde es schlecht, wenn man sagt, ein Teil des Konzerns klaut dem anderen die Arbeitsplätze weg – das sehe ich anders.“

Ein Techniker, der an künftigen Bahnprojekten arbeitet, erklärte: „Es ist richtig, dass ihr die Spaltung überwinden wollt. Jeder Arbeitsplatz, egal wo, muss verteidigt werden, denn jeder ist auf seinem Platz wichtig. Die Bahn ist ein großer Komplex.“ Auf Facebook schrieb ein Kollege: „Damals waren die Eisenbahner, egal was für Abteilungen, eine Einheit. Heute kommt es mir vor als wären wir Gegner.“

In Frankfurt sagte ein junger Mann, der eine Ausbildung zum Betriebsdienst macht, es sei „ein Unding, in Zeiten des Fachkräftemangels noch systematisch Leute abzubauen“. Es sei bekannt, dass die Bahn seit Jahrzehnten an der falschen Stelle spare: „Schon bei der Wiedervereinigung und dann 1994, bei der Privatisierung. Das war falsch. Kritische Infrastruktur gehört in Staatshand“, sagte er. „Die Regierung stellt sich groß hin und sagt: Wir wollen die Verkehrswende und weniger Autos, um das Klima zu schützen – und jetzt wird einmal mehr bei der Bahn abgebaut.“ Er versprach, die Positionen des Aktionskomitee Bahn auf der World Socialist Web Site zu studieren.

Das Aktionskomitee Bahn tritt für die prinzipielle Verteidigung jedes Arbeitsplatzes ein; seine Forderungen lauten:

  • Statt Stellen zu streichen, müssen 30.000 Kolleginnen und Kollegen neu eingestellt werden. Dazu müssen Beschäftigte aller Bahnunternehmen, egal ob auf der Schiene, im Güterverkehr, in der Technik oder Verwaltung, sich zusammenschließen, um unabhängig von EVG und GDL handeln zu können.
  • Die Rechte und Bedürfnisse der Beschäftigten, auch der Fahrgäste, sind wichtiger als die Profitinteressen der Bundesregierung und von Investoren, Aktionären und Spekulanten.
  • Stoppt alle Militärtransporte mit der Bahn! Keine Waffen und Munition für die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie den Völkermord in Gaza.
  • Internationaler Zusammenschluss aller Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. Stoppt die Privatisierung der staatlichen Bahnen und jeglicher kritischer Infrastruktur.

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