Perspektive

US-Faschisten nutzen Hurrikan für antisemitische Kampagne

Faschistische und rechtsextreme Gruppen verbreiten antisemitische Angriffe auf Vertreter von US-amerikanischen Behörden und Ministerien, die für die Rettungs- und Bergungsmaßnahmen nach dem Hurrikan Helene Ende September zuständig waren. Dies geht aus einem Bericht hervor, den eine in Großbritannien ansässige Forschungsgruppe am 8. Oktober veröffentlichte.

Die Washington Post, die den Bericht in den USA bekannt machte, führte die Personen auf, die gezielt ins Visier genommen wurden: Alejandro Mayorkas, Minister für innere Sicherheit, Jaclyn Rothenberg, Direktorin für öffentliche Angelegenheiten bei der Bundesagentur für Katastrophenschutz (FEMA), und Esther Manheimer, Bürgermeisterin von Asheville (North Carolina), der am stärksten von Helene betroffenen Stadt. Alle Betroffenen haben einen jüdischen Hintergrund.

Die Zeitung stellte fest: „Die Angriffe, darunter abenteuerliche Behauptungen, dass sich jüdische Beamte verschwören würden, um Katastrophen zu inszenieren, Rettungsmaßnahmen zu sabotieren oder sogar das Eigentum der Opfer zu beschlagnahmen, werden größtenteils von Elon Musks X angeheizt.“

Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) ist eine in London ansässige Denkfabrik, die Informationen über die Online-Aktivitäten faschistischer und neonazistischer Gruppen sammelt. Ihrem Bericht zufolge gingen 33 rechtsextreme Beiträge auf X über die Hurrikan-Hilfe viral und wurden mehr als 160 Millionen Mal angesehen. Zehn davon waren offen antisemitisch und erzielten 17 Millionen Views.

Im Bericht des ISD heißt es:

Einige der größten Accounts, die Unwahrheiten über die Reaktion auf den Hurrikan verbreiten – darunter solche mit mehr als 2 Millionen Followern – haben sich aktiv an anderen Formen der Verbreitung von Falsch- und Desinformationen sowie Hass beteiligt. Dazu gehören ausländerfeindliche Verschwörungstheorien, falsche Behauptungen über Wahlbetrug und antisemitische Äußerungen im Zusammenhang mit der so genannten „Great-Replacement-Theorie“.

Weiter heißt es:

Wir registrierten eine sich gegenseitig verstärkende Dynamik zwischen Konten, die Falschinformationen über den Hurrikan Helene verbreiten, und Konten, die falsche Behauptungen über haitianische Migranten in Springfield (Ohio), den ordnungsgemäßen Verlauf der jüngsten US-Wahlen, jüdische US-Bürger und eine umfassende Invasion in der Ukraine in die Welt setzen.

Unwahrheiten über die Reaktion auf den Hurrikan haben ernst zu nehmende Drohungen und Aufrufe zu Gewalt gegen Bundesbehörden hervorgebracht. So wird dazu aufgerufen, Milizen zu entsenden, um die FEMA wegen der vermeintlichen Verweigerung von Hilfe zu bekämpfen. Es wird gedroht, dass Einzelpersonen FEMA-Beamte und Notfallhelfer „erschießen“ würden.

Der ehemalige Präsident Donald Trump küsst die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, 9. März 2024 [AP Photo/Mike Stewart]

Die Beschreibung des ISD trifft auf jede Wahlkampfveranstaltung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und seines Vizes J. D. Vance zu. Beide verbreiten das Gerücht, dass die Biden-Regierung Katastrophenhilfe in stark republikanisch geprägten Gebieten zurückhalte. Die Hilfen würden von „echten“ Amerikanern zu „illegalen“ Migranten umgeleitet. Außerdem wird verbreitet, dass das Gespann Trump-Vance die Wahl nur dann verlieren könne, wenn es den Demokraten gelinge, Millionen „Illegale“ an die Urnen zu bringen.

Die Flut von Desinformationen hat die Aufräumarbeiten nach Helene behindert und die Sturmopfer abgeschreckt, Bundeshilfe zu beantragen. Sie hat auch zu Gewaltandrohungen gegen Vertreter der Zentralregierung und der Kommunen geführt. Die Bürgermeisterin von Asheville, Esther Manheimer, schrieb in einer E-Mail an die Post: „Die Priorität unserer Stadtverwaltung ist die Bewältigung dieser Krise und die Erfüllung der unmittelbaren Bedürfnisse in Asheville und im westlichen North Carolina.“ Sie fügte hinzu, dass die antisemitischen Äußerungen „ein persönliches Sicherheitsrisiko darstellen, während wir versuchen, das zu tun, was nötig ist, um diese Katastrophe zu bewältigen“.

X, früher Twitter, spielt eine entscheidende Rolle. Der Eigentümer von X, Elon Musk, der reichste Milliardär der Welt, ist ein führender Unterstützer des faschistischen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner Donald Trump. Letzte Woche trat Musk gemeinsam mit Trump bei einer Kundgebung in Butler (Pennsylvania) auf. Als Musk 2022 die Kontrolle über Twitter übernahm, stellte er die Konten Hunderter Faschisten und Antisemiten wieder her, die wegen Hasspropaganda gesperrt worden waren. Viele dieser Konten wurden von den im ISD-Bericht genannten Personen betrieben, ein weiteres Beispiel ist das Konto der faschistischen republikanischen Kongressabgeordneten Marjorie Taylor Greene.

Nach dem Hurrikan Helene twitterte Greene, dass der Sturm von Wissenschaftlern im Dienst der Regierung Biden gezielt auf stark republikanisch geprägte Gebiete in Florida, Georgia, North Carolina und South Carolina geleitet worden sei, um die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Monat zu drücken. Greene tat 2018 die berühmt-berüchtigte Äußerung, dass „jüdische Weltraumlaser“ die Waldbrände in Kalifornien verursacht hätten. Letzte Woche schrieb sie auf X: „Ja, sie können das Wetter steuern“. Wer das leugne, sei selbst Teil der Verschwörung.

Der antisemitische Inhalt der jüngsten Flut rechter Propaganda ist alles andere als subtil. Ein virales Posting listete führende Mitarbeiter der Heimatschutzbehörde (DHS) und der Katastrophenschutzagentur (FEMA) auf, die Juden sind, und geiferte: „Kein Wunder, dass die FEMA so langsam ist, wenn es darum geht, weißen Amerikanern auf dem Lande zu helfen!“ Eine andere vom ISD zitierte Aussage lautet: „Das DHS ist also im Grunde nur ein talmudischer Klientelverein, der Weiße durch unzählige Dunkelhäutige ersetzt, sofern er sich die Mühe macht, überhaupt etwas kompetent zu tun“, illustriert mit einem Porträt Adolf Hitlers.

Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten von US-Präsident Biden, Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris (Demokraten) und anderen hochrangigen Regierungsvertretern ebenso bemerkenswert wie aufschlussreich. Auf einer Pressekonferenz zum Hurrikan Milton am Mittwoch prangerten sie Trump und andere Republikaner an, weil sie Verschwörungstheorien über die Verteilung von Hilfsgütern nach dem Hurrikan Helene verbreiteten, und verurteilten Greenes Hirngespinste über die Steuerung des Wetters. Aber den Antisemitismus erwähnten sie mit keinem Wort.

Seit mehr als einem Jahr stellen die Biden-Administration, die Republikaner und die Demokraten im Chor mit den Medien die Proteste gegen den israelischen Völkermord in Gaza als „antisemitisch“ dar. Dies ist zur ideologischen Speerspitze einer Kampagne geworden, mit der Studenten, Professoren und alle anderen, die sich über den Massenmord an den Palästinensern empören, verfolgt und eingeschüchtert werden sollen. Der Vorwurf des Antisemitismus ist in diesem Fall verleumderisch und provokativ, insbesondere angesichts dessen, dass sich sehr viele Menschen jüdischer Herkunft an den Protesten gegen den Völkermord beteiligen.

Aber gegen den wirklichen, brutalen Antisemitismus der neonazistischen Rechten, einschließlich Verweisen auf „große Nasen“ und andere antijüdische Klischees, sagen Biden und Harris kein Wort – selbst dann nicht, wenn ihre eigenen Berater und Beamten ins Visier geraten.

Dies zeigt einmal mehr, dass das Hauptanliegen der Biden-Harris-Regierung darin besteht, ihre Kriegspolitik zu verstärken: gegen Russland in der Ukraine, gegen den Iran im Nahen Osten und schließlich gegen China. Die Demokraten behalten sich den Vorwurf des Antisemitismus vor, um Gegner dieser imperialistischen Kriege zu verleumden, und haben den Begriff seines wahren politischen Inhalts beraubt.

Ein Vorgehen gegen wirklichen Antisemitismus, dessen natürliche Heimat die faschistische Rechte ist, würde die erhoffte Allianz der Demokraten mit ihren republikanischen „Kollegen“ untergraben. Es wäre ein Hindernis für die Erhöhung der US-Militärhilfe für die Ukraine, die direkte Beteiligung von Nato-Truppen an diesem Krieg, und für die weitere Subventionierung Israels als militärische Speerspitze der imperialistischen Intervention im Nahen Osten.

Darüber hinaus bieten die Demokraten durch ihr Schweigen zum tatsächlichen Antisemitismus den Faschisten die Möglichkeit, das Versagen des kapitalistischen Systems und seiner beiden Parteien auszunutzen, die keine ernsthaften Maßnahmen gegen die zunehmenden, durch den Klimawandel verursachten Wetterkatastrophen ergreifen.

Millionen Menschen, die von diesen Katastrophen heimgesucht werden und selbst dann, wenn sie mit dem Leben davon kommen, ihre Häuser und ihr ganzes Hab und Gut verlieren, erfahren am eigenen Leib die Diskrepanz zwischen der sozialen Not und der vom Staat bereitgestellten Hilfe. Sie sehen die Gleichgültigkeit der Spitzenbeamten – Präsidenten, Gouverneure, Kabinettsmitglieder –, die Milliarden in Kriege und Unternehmenssubventionen stecken, während sie den von den Stürmen betroffenen Menschen nur Almosen hinwerfen. Die Faschisten bieten einen Sündenbock für diese soziale Verwüstung an, und Trump versucht, die Krise auszunutzen, um ins Weiße Haus zurückzukehren.

Eine echte Alternative zu Krieg, sozialer Ungleichheit und Umweltzerstörung kann nur aus einem Kampf gegen ihre eigentliche Ursache hervorgehen, d. h. gegen das kapitalistische Profitsystem. Dazu ist es notwendig, die Arbeiterklasse unabhängig von allen bürgerlichen Parteien zu mobilisieren und mit dem Programm der sozialistischen Weltrevolution zu bewaffnen.

Loading