78 Leichen sind bislang aus einer aufgegebenen Goldmine im südafrikanischen Stilfontein geborgen worden, gegen die die Regierung des African National Congress eine monatelange Blockade verhängt hatte. Weitere 248 abgemagerte und ausgemergelte Bergleute konnten in den letzten Tagen lebend geborgen werden – während einer halbherzigen Rettungsaktion, zu der die Regierung per Anordnung des Obersten Gerichts in Pretoria gezwungen werden musste.
Richter Ronel Tolmay, der die Rettung vor einigen Tagen angeordnet hatte, erklärte mit Blick auf die Empörung der Bevölkerung: „Wir wollen nicht, dass dies als der dunkelste Punkt in unsere Geschichte eingehen wird.“
Doch der ANC hat sich bereits eines schrecklichen Verbrechens schuldig gemacht. In der Mine von Stilfontein arbeiteten Tausende von verzweifelten, verarmten Menschen, als im Sommer Sicherheitskräfte anrückten. Ihr Vorgehen war Teil der Operation Vala Umgodi („Das Loch stopfen“), deren Ziel es ist, die etwa 30.000 „illegalen“ Bergleute aus den aufgegebenen Gruben im ganzen Land zu vertreiben.
Die Polizei verhinderte die Lieferung von Lebensmitteln und Wasser, um die Bergarbeiter „auszuräuchern“ und verhaftete innerhalb von fünf Monaten etwa 1.500 Menschen, die an die Oberfläche kamen. Sie wurden u.a. wegen illegalen Bergbaus, Landfriedensbruchs und illegaler Zuwanderung angeklagt. Viele waren zu schwach, um herauszuklettern, und starben noch bevor die Rettungsaktion, bei der kein Regierungsangestellter die Mine betrat, sie erreichen konnte.
Diese Arbeiter sind von der ANC-Regierung ermordet worden. Deren barbarisches Vorgehen ist eine vernichtende Anklage gegen den bürgerlichen Nationalismus und alle Kräfte, die den ANC in der Vergangenheit unterstützt haben, darunter die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) und der Gewerkschaftsdachverband Congress of South African Trade Unions (COSATU).
Der Bergbau in aufgegebenen Gruben in Südafrika ist eine Folge der sozialen Verwüstung, die die Schließung eines Großteils der südafrikanischen Bergbauinfrastruktur ausgelöst hat. Die allgemeine Armut im Land hat zur Entstehung eines riesigen informellen Sektors und einer von kriminellen Syndikaten ausgebeuteten Arbeiterschaft geführt.
Während der Apartheid basierte die lukrative südafrikanische Bergbauindustrie auf der zügellosen Ausbeutung schwarzer Arbeiter, die unter extremer rassistischer Diskriminierung und litten und darin eingeschränkt wurden, sich zu organisieren. Der Bergbau wurde von der Chamber of Mines organisiert, um zu verhindern, dass die Löhne durch den Wettbewerb zwischen den Minenbesitzern um Beschäftigte nach oben getrieben wurden. Unterstützt wurde dies durch die Anwerbung einer großen Zahl von Wanderarbeitern aus den Nachbarländern.
Ein starker Rückgang der Goldpreise, zu niedrige Investitionen und veraltete Maschinen sowie die Erschöpfung der am leichtesten zugänglichen Vorkommen übten Ende der 1980er enormen Druck auf die Industrie aus. Auf die ebenfalls zunehmende Gewerkschaftstätigkeit im Zusammenhang mit der Revolte der Bevölkerung, die der Apartheid ein Ende setzte, reagierten die Minenbesitzer mit Schließungen und Massenentlassungen. Zwischen 1990 und 2020 wurden in diesem Industriezweig rund 300.000 Arbeitsplätze abgebaut, sodass viele Kommunen jegliche Einkommensquellen verloren.
Die neue ANC-Regierung und ihr Dreierbündnis mit der SACP und der COSATU war verantwortlich für diesen Krieg gegen die Arbeiterklasse und beförderte einige weitere privilegierte Mitglieder der schwarzen Bevölkerung Südafrikas in die Reihen der Superreichen – darunter auch in die Reihen der Minenbesitzer. Patrice Motsepe, der Besitzer von African Rainbow Minerals und Harmony Gold Mining, der im Jahr 2008 der erste schwarze Milliardär Südafrikas wurde (heute besitzt er 2,8 Milliarden Dollar), ist beispielhaft für diesen Prozess.
Andere Nutznießer mit hunderten Millionen Dollar Vermögen sind Tokyo Sexwale, der beträchtliche Anteile an Diamantminen besitzt, und der Kohleminenbesitzer Sipho Nkosi, der ehemalige Präsident der Chamber of Mines. Vermögen aus der Bergbauindustrie haben auch zum immensen Reichtum von Staatspräsident und Regierungschef Cyril Ramaphosa beigetragen.
Die schwarze Arbeiterklasse, die noch immer 80 bis 85 Prozent der Bergleute ausmacht, arbeitet derweil weiterhin unter den brutalen Bedingungen, die durch das Massaker von Marikana im Jahr 2012 internationale Aufmerksamkeit erregten. Zehntausende müssen in den außerordentlich gefährlichen, aufgegebenen Minen arbeiten, um ein kümmerliches Dasein fristen zu können, wobei sie weitgehend der Gnade krimineller Syndikate ausgeliefert sind, die laut Schätzungen jedes Jahr Milliarden Dollar daraus ziehen.
Diese Zama Zama („Riskier es“ oder „Wühler“) genannten Bergleute sind Teil der riesigen informellen Wirtschaft Südafrikas, die ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeitskräfte ausmacht. Sie genießen nicht einmal den grundlegendsten Schutz und dienen als extrem auszubeutende Arbeitskräfte. Unter diesen Bedingungen können kriminelle Netzwerke florieren, oft mit Hilfe politischer Verbindungen zu verschiedenen Ebenen des Staats.
Sie werden von der südafrikanischen Kapitalistenklasse und ihren politischen Vertretern als völlig entbehrlich angesehen und mit unverhohlener Brutalität und Verachtung behandelt. Der Minister für Bodenschätze, Gwede Mantashe, fragte letzte Woche hinsichtlich der Bergarbeiter in Stilfontein provokativ: „Wenn man freiwillig ein Risiko eingeht, warum sind Menschenrechte dann [Teil der Frage]?“
„Wenn man auf den Eisenbahngleisen schläft, und ein Zug kommt und überfährt einen, können wir das als Menschenrechtsfrage behandeln? Können wir es als humanitäres Problem behandeln? Illegaler Bergbau ist nichts anderes als das.“
Um Fremdenfeindlichkeit zu schüren, fügte er mit Blick auf die Arbeitsmigranten in der Mine hinzu: „Das ist kriminelle Aktivität. Es ist ein Angriff auf unsere Wirtschaft, der hauptsächlich von Ausländern ausgeht.“ Laut Behördenangaben stammen die meisten der verhafteten Bergarbeiter von Stilfontein aus Mosambik, Simbabwe und Lesotho.
Die ANC-Regierung hat großen Wert darauf gelegt, in dieser Legislaturperiode hart gegen Zuwanderung vorzugehen. Im letzten April hat sie eine Grenzschutzbehörde ins Leben gerufen, die bereits 410.000 Menschen verhaftet und abgeschoben hat. Genau wie Vala Umgodi zielt sie auf die Kriminalisierung und den Missbrauch der schwächsten Arbeiter im südlichen Afrika ab, die auf der Suche nach Arbeit regelmäßig Grenzen überqueren müssen.
Mantashe schloss mit den Worten: „Solange es kriminelle Aktivitäten gibt, gibt es einen Tatort... Sie [die Regierung] sollte den Kampf gegen den illegalen Bergbau verschärfen.“
Der nationale Sprecher der südafrikanischen Polizei äußerte sich ähnlich deutlich: „Unser Mandat lautete, Kriminalität zu bekämpfen, und genau das haben wir getan. Wenn die Polizei diesen illegalen Bergarbeitern Nahrungsmittel, Wasser und Versorgungsgüter zur Verfügung gestellt hätte, dann hätte sie Kriminalität geduldet und gefördert.“
Der Regierungspartner des ANC, die Democratic Alliance, unternahm einen lahmen Versuch, sich von den Todesfällen zu distanzieren, und fragte, „warum die Situation so außer Kontrolle geraten konnte.“ Sie klagte jedoch gleichzeitig, die Polizei habe „nicht die Feuerkraft..., um den illegalen Bergbau in den Griff zu bekommen.“
Der Generalsekretär von COSATU North West, Kopano Konopi, machte den Staat verantwortlich, allerdings nur für die Verzögerung der „Rettungsaktion“, und erklärte gegenüber dem TV-Sender eNCA:
Der Staat hat sich dazu verpflichtet, die Sache zu übernehmen. Jetzt ist mehr als ein Monat vergangen, und erst jetzt sehen wir, dass der Staat handelt und die Rettung der Menschen unter Tage übernimmt... Wäre diese Aktion bereits letztes Jahr angelaufen, als wir es gefordert haben... dann hätten wir viele Menschenleben gerettet.
Er fügte hinzu: „Es gibt mehr Fragen als Antworten, und wir sind etwas enttäuscht.“
Der Sekretär der SACP North West, Madoda Sambatha, forderte im November Bürgergruppen auf, die Bergleute zum Verlassen zu bewegen, machte aber gegenüber dem Sender Newzroom Africa deutlich: „Wir unterstützen das Programm, das die Regierung mit der Operation Vala Umgodi verfolgt.“
Er fügte hinzu:
Ich würde nicht sagen, dass sie in der Falle sitzen... Das einzige Problem, das uns hierher bringt, ist, dass ihre Arbeit illegal ist, dass ihre Arbeit von keinem Gesetz erlaubt ist. Deshalb müssen sie gefunden und nach draußen gebracht werden... Die Polizei arbeitet an der Umsetzung einer Maßnahme der Regierung.
Das Massaker von Stilfontein beweist auf eindrückliche Weise Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution: unter der Führung der nationalen Bourgeoisie in Ländern, deren kapitalistische Entwicklung durch imperialistische Unterdrückung und Ausbeutung verzögert wurde, kann keine der grundlegenden sozialen und demokratischen Fragen gelöst werden, mit denen die Arbeiterklasse konfrontiert ist.
Der ANC ist seit 30 Jahren an der Macht und konnte nicht einmal allen seinen Bürgern eine reguläre Arbeit bieten. Er kriminalisiert und tötet sogar Arbeiter, die tun, was sie können, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Niedergang seines politischen Ansehens äußert sich im sinkenden Stimmanteil bei den letzten beiden Wahlen – im Jahr 2023 hat der ANC seine Mehrheit verloren.
Nicht nur in Südafrika, sondern auch in allen anderen Ländern des südlichen Afrikas wächst unter Arbeitern und der armen Landbevölkerung die Unzufriedenheit, da sie mit der gleichen Situation konfrontiert sind. In Botswana wurde letzten Monat die Botswana Democratic Party nach 58 Jahren abgewählt. In Namibia verliert die South West Africa People's Organisation (SWAPO) an Stimmen. Im Mosambik wurde die Partei FRELIMO nur unter weit verbreiteten Vorwürfen der Wahlmanipulation zum Sieger der letzten Wahlen erklärt und hat seither mehr als 300 Demonstranten getötet.