Tarifrunde bei der Deutschen Bahn: EVG will Streiks verhindern

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will vermeiden, dass streikende Eisenbahnerinnen und Eisenbahner den Bundestagswahlkampf dominieren. Das hat sie letzte Woche zum Start der Tarifverhandlungen zwischen ihr und der Deutschen Bahn AG (DB) deutlich gemacht.

Die aktuelle Tarifrunde betrifft rund 192.000 Beschäftigte der DB, einschließlich der Tochterunternehmen wie DB Fernverkehr, DB Regio, DB Cargo und DB InfraGO. Nur den Busbereich hat sie abgekoppelt, hier verhandeln EVG und DB noch separat.

In einem ziemlich einmaligen Vorgehen hatte die EVG, noch bevor auch nur ein erstes Angebot auf dem Tisch lag, angeboten, auf Streiks zu verzichten. Die stellvertretenden EVG-Vorsitzenden Kristian Loroch und Cosima Ingenschay, die die Verhandlungen leiten, machten klar, dass sie die Tarifverhandlungen noch vor den Bundestagswahlen beenden wollen. Die Co-Verhandlungsführerin der EVG, Ingenschay erklärte: „Wir haben wenig Zeit bis zur vorgezogenen Bundestagswahl und erwarten ein ernsthaftes Angebot, damit wir schnell vorankommen”.

Die Tarifverhandlungen erfolgen erstmals in der so genannten Friedenspflicht, also vor Ablauf des alten Tarifvertrags, der noch bis Ende Februar gilt. „Angesichts der zunehmend schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation in Deutschland und den immer lauter werdenden politischen Rufen nach Bahn-Zerschlagung, ist es uns wichtig, jetzt einen Tarifvertrag zu verhandeln, der für Beschäftigungssicherung auch über den Regierungswechsel hinaus sorgt“, erklärte Ingenschay. „Wenn unsere Kolleginnen und Kollegen nicht zum Spielball der Politik werden sollen, geht das nur jetzt. Im März ist es dafür womöglich zu spät“. Einen Tarifvertrag unter erschwerten Rahmenbedingungen innerhalb von drei bis vier Wochen zu verhandeln, sei herausfordernd, aber machbar, so Ingenschay.

Dieser absurde Gedankengang kann nur Bürokratenhirnen entspringen, die überhaupt nicht daran denken, dass Arbeiter für ihre Interessen kämpfen und diese auch durchsetzen werden. Für Ingenschay und ihresgleichen im EVG-Apparat sind die Eisenbahner Bittsteller, die um die Gunst der jeweils Regierenden betteln. Und offensichtlich sind sie der Meinung, die aktuelle Regierung aus SPD und Grünen sei den Eisenbahnern mehr gewogen als die kommende.

In Wirklichkeit sind SPD und Grüne nicht weniger verantwortlich für den Kahlschlag bei der Bahn und die Zerstörung der Eisenbahn-Infrastruktur als die CDU oder FDP. In den letzten 27 Jahren war die SPD 23 Jahre lang in der Regierung.

Im Frühjahr des letzten Jahres hatte Bahn-Chef Richard Lutz, der über ein Jahreseinkommen von 2,2 Millionen Euro verfügt, den Abbau von 30.000 Stellen angekündigt und dies Ende des Jahres konkretisiert. Der Vorstand um Lutz agiert im Interesse der Bundesregierung, der die DB AG zu 100 Prozent gehört. Um ihre Aufrüstungs- und Kriegspläne zu finanzieren, dreht die Scholz-Regierung für die Bahn immer weiter an der Sparschraube. Die EVG trägt nicht nur den Personalabbau bei der Bahn mit, sondern auch die Angriffe auf die Arbeitsbedingungen und die Löhne.

Mit der Kapitulation noch vor Beginn der Tarifverhandlungen macht die EVG die eigenen Mitglieder nun selbst zum „Spielball der Politik“. Da kann Ingenschay noch so häufig betonen, dass es „keinen Abschluss um jeden Preis“ geben werde.

Damit die DB mitzieht, hat die EVG ihre Forderungen bewusst niedrig gehalten. Das Angebot der EVG an die DB umfasst eine Lohnerhöhung von lediglich 5 Prozent. Mit einer Einmalzahlung von 500 Euro ausschließlich für EVG-Mitglieder – genannt EVG-Zusatzgeld – rechnet die EVG die Forderung auf 7,6 % schön. Für „besonders belastete Schichtarbeitende“ fordert die Gewerkschaft zusätzliche 2,6 Prozent, mit der Option, einen Teil davon in bis zu drei freie Tage umzuwandeln.

Für die Auszubildenden und Studierenden werden 150 Euro mehr im Monat sowie eine Erhöhung des Mietkostenzuschusses auf 80 Prozent, maximal 450 Euro im Monat gefordert.

Zudem fordert die EVG Verbesserungen in der Entgeltstruktur von einigen Berufsgruppen, die in der Vergangenheit unterdurchschnittliche Entgelterhöhungen erhielten. In der letzten Tarifrunde seien für drei von sechs betroffenen Tätigkeitsbereichen Anpassungen vereinbart worden. Jetzt sollten die noch offenen Funktionsgruppen 2, 4 und 6 folgen. Neben den Lohnforderungen will die EVG auch eine Beschäftigungssicherung („langfristigen Kündigungsschutz“) abschließen.

Die DB hat das Angebot dankend angenommen und geliefert: 4 % mehr Geld bei einer Laufzeit von 37 Monaten, das EVG-Zusatzgeld in Höhe von 2,6 % für ausgewählte Schichtarbeitende ab 2027. Eine Anpassung der Entgeltstruktur für die drei Funktionsgruppen wurde nicht angeboten.

Die EVG hat sich ausdrücklich bedankt, dass die DB ihr Tochterunternehmen DB Cargo, dass von Zerschlagung bedroht ist, mit in die Verhandlungen aufnimmt. Die EVG hat in vorauseilendem Gehorsam Abstriche für die Kolleginnen und Kollegen der DB Cargo angeboten: „Wir wissen um die schwierige Situation bei DB Cargo. Wir sind auch bereit darüber zu sprechen, was zu tun ist, wenn die von der Kommission gesetzten Vorgaben nicht eingehalten werden können.“

Die Europäische Kommission hat DB Cargo eine staatliche Beihilfe von 1,9 Milliarden Euro unter der Bedingung genehmigt, dass die DB-Tochter einen „umfassenden Umstrukturierungsplan“ zur Kostensenkung umsetzt, sprich Arbeitsplatzabbau und Steigerung der Arbeitshetze. Gleichzeitig darf die DB ab 2025 keine Verluste von DB Cargo mehr ausgleichen, da der Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrag gekappt wird.

Die zweite Verhandlungsrunde ist bereits für nächste Woche Dienstag, den 4. Februar, geplant. Bereits am Tag zuvor ruft die EVG zu einer großen Demonstration in Berlin unter dem Motto „Zukunft Bahn” auf. Das soll der EVG dazu dienen, Druck abzulassen.

Der ist hoch. Seit Jahren sind die Bahn-Beschäftigten Opfer steigender Arbeitshetze durch Personalmangel und marode Infrastruktur. Auch die Löhne sind real gesunken, weil die EVG seit Jahren miserable Abschlüsse unterzeichnet, insbesondere 2021 mit ihrem „Sanierungstarifvertrag“.

Ingenschay selbst berichtete, dass in einer „Blitz-Umfrage unter den Mitgliedern zur Tarifrunde gut 80 Prozent der Befragten“, das wären über 150.000 Beschäftigte, deutlich gemacht haben, dass sie, „zum Arbeitskampf bereit“ wären.

Doch diesen will die EVG unbedingt vermeiden. 150.000 streikende Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die das gesamte Land lahmlegen, würde große Unterstützung bekommen und Millionen andere inspirieren und mobilisieren; diejenigen, die sich gegenwärtig in Tarifkämpfen befinden, wie im öffentlichen Dienst und bei der Post, oder diejenigen, die mit Angriffen auf Arbeitsplätze und Löhne konfrontiert sind, wie bei VW, Mercedes, Thyssenkrupp, BASF, Evonik usw.

Der Wahlkampf sähe dann ganz anders aus. Eine solche Bewegung würde die Pläne der Berliner Parteien durchkreuzen, eine rechte Regierung für Milliardenkürzungen zu installieren, um damit Aufrüstung und Krieg zu finanzieren.

Deshalb müssen Bahnbeschäftigte die Dinge selbst in die Hand nehmen. Im Sommer 2023 hatte sich das Aktionskomitee Bahn gegründet. In der Gründungsresolution heißt es:

Das Aktionskomitee Bahn ist ein Zusammenschluss von Bahnbeschäftigten mit und ohne Gewerkschaftsbuch, die nicht länger bereit sind, die Vorherrschaft des EVG-Apparats zu akzeptieren. Nicht die EVG-Funktionäre, von denen viele im Aufsichtsrat sitzen und gekauft sind, entscheiden, sondern die Basis. Unser Ziel ist es, die massiven Angriffe auf unsere Löhne und Arbeitsbedingungen abzuwehren. Unsere Rechte auf angemessenen Lohn und erträgliche Arbeitsbedingungen stehen höher als die Profitinteressen des Bahnvorstands, der Investoren und Spekulanten.

Wir rufen alle Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Bahn und der anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen auf, die prinzipielle Verteidigung der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen einschließlich auskömmlicher Löhne und Gehälter aufzunehmen – gegen die alte und die neue Bundesregierung, die Konzern und die Gewerkschaftsapparate.

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