HU Berlin: Studentische Vollversammlung beschließt Kampf gegen Kürzungen und Militarismus

Am Donnerstag vergangener Woche beschloss eine von den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) initiierte Vollversammlung an der Berliner Humboldt-Universität, an der über 100 Studierende teilnahmen, den Kampf gegen die Kürzungspläne des Berliner Senats zu intensivieren und auszuweiten.

Ein Teil der Sprecherinnen und Sprecher bei der HU-Vollversammlung gegen die Sparpläne des Berliner Senats, 23. Januar 2025

Der Beschluss der Vollversammlung stellt explizit einen Zusammenhang zwischen dem Generalangriff auf Bildung und Wissenschaft und der von Bundes- und Landesregierung vorangetriebenen Militarisierung der ganzen Gesellschaft her: „Eine Zusammenarbeit mit militärischen Einrichtungen sowie eine Forschung, die diesen zugute kommen könnte, muss explizit ausgeschlossen werden. Die vom Senat beschlossenen Sparmaßnahmen dürfen nicht zu einer Militarisierung der Universität führen.“ Dazu fordert der Beschluss eine Änderung der Universitätsverfassung.

An der Podiumsdiskussion nahmen StuPa-Abgeordnete der IYSSE-Fraktion teil, sowie Vertreterinnen und Vertreter der Uni-Beschäftigten, des Studierendenwerks und der Studierendenschaft und zahlreiche Studierende aus dem Publikum.

Tamino, StuPa-Abgeordneter der IYSSE, spricht bei der HU-Vollversammlung gegen die Sparpläne des Berliner Senats, 23. Januar 2025

Marcel, Referent für Soziales des Refrat (AStA), sprach von einem „Angriff auf alle Studierenden“, mit dem Ziel, „die Universitäten exklusiver zu machen und soziale Ungleichheit zu fördern“. Während die Beiträge der Studierenden massiv steigen sollen, drohe der Wegfall der Beratung und Kinderbetreuung des Studierendenwerks, die Abschaffung ganzer Studiengänge und die Erhöhung der Essenspreise in den Mensen um 30 Prozent.

Schon jetzt wurde dem Studierendenwerk ein Drittel seiner Mittel gestrichen. Insgesamt wolle der Senat in diesem Jahr drei Milliarden und im nächsten Jahr noch einmal mindestens zwei Milliarden Euro einsparen. Hunderte Millionen Euro sollen aus laufenden Hochschulverträgen gestrichen werden. Indem der Senat die Universitäten auffordert, Rücklagen abzubauen, werde deren politische Abhängigkeit weiter erhöht, so Marcel.

„Die Unis stehen mit dem Rücken zur Wand, ihnen droht, dass sie keine Ausbildung mehr gewährleisten können“, erklärte Constanze Baum, Sprecherin für den akademischen Mittelbau und Mitglied im Akademischen Senat (AS) der HU. „Ein großer Teil unserer Lehrkräfte und wissenschaftlichen Mitarbeitenden sind befristet beschäftigt und können nur hoffen, eines Tages einen der umkämpften Lehrstühle zu erringen. Viele Leute haben keine Vorstellung, was die Kürzungen für jeden einzelnen bedeuten: Stellensperrungen, weniger Seminare, Kolleginnen und Kollegen sind doppelt und dreifach überlastet und müssen mit einer Zweidrittelstelle ihre Familie versorgen. Wir haben die Sorge, dass wir ganze Fächer verlieren.“

Josta Hamann, AS-Sprecherin der HU-Mitarbeitenden in Technik und Verwaltung, berichtete, dass ganze Universitätsgebäude aufgrund der Kürzungen bereits geschlossen werden mussten und stellte fest: „Wir haben jetzt schon prekäre Arbeitsbedingungen und stehen zudem ebenfalls vor Stellensperrungen. Die Qualität der Lehre leidet, Praktika sind nicht mehr durchführbar, die Bausubstanz marode – Vieles ist einfach nicht mehr zu wuppen. Wir müssen die Tarifverhandlungen im Herbst mitdenken und Druck ausüben auf den Senat, dass er die Kürzungen insgesamt zurücknimmt.“

Ein Student des Master-Studiengangs Public Health im ersten Semester berichtete, dass er möglicherweise in sein Heimatland zurückkehren müsse, weil dem Studiengang sämtliche öffentliche Gelder gestrichen worden seien und seine Fortführung in Frage stehe. Ähnliches drohe für Fachrichtungen wie Italianistik und Japanologie.

Für das Studierendenwerk erklärte Pressesprecherin Jana Judisch: „Wir sind wirklich wütend. Ein Drittel unseres Budgets ist bereits weg, obwohl wir allein bei den Wohnheimen einen Sanierungsstau in dreistelliger Millionenhöhe haben. Ihnen als Studierenden wird dafür die Rechnung serviert. So etwas hat es in 50 Jahren nicht gegeben. Wenn so eine Kürzung erneut geschieht, wie vom Senat geplant, dann gibt es uns nicht mehr. Dann sind wir weg vom Fenster. Wir müssen gemeinsam protestieren und ordentlich Krawall machen. Bildung ist ein öffentliches Gut!“

Die völlig bankrotte Perspektive der Gewerkschaft Verdi fasste Julia Dück, Gewerkschaftssekretärin für Hochschulen und Archive in Berlin, zusammen. Sie erklärte: „Wir müssen uns fragen, was wir angesichts der Lage tun können. Die Hochschulleitungen haben bereits ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, in dem es heißt, dass aus laufenden Verträgen nicht gekürzt werden darf. Sie könnten dagegen klagen. Diese Karte sollten sie ziehen, das ist der beste Hebel, den wir im Moment haben. Aber dafür brauchen wir Druck von unten.“ Diesen Druck auf die Universitätsleitungen und die Parteien, die hinter den Kürzungen stehen, solle eine große Demonstration in Berlin kurz vor der Bundestagswahl ausüben.

HU-Student Tamino, StuPa-Abgeordneter der IYSSE, widersprach dieser Perspektive. „Wir haben diese Vollversammlung initiiert, weil wir der Meinung sind, dass wir die Kürzungen nicht als reine Angelegenheit der Unis sehen dürfen, sondern als Teil des größten Sozialkahlschlags der Bundesrepublik. Er steht im Zeichen der militärischen Aufrüstung und des Krieges. Diese Vollversammlung muss Auftakt einer Bewegung sein, die sich direkt gegen diese Angriffe richtet. Wir müssen uns mit den Beschäftigten im Kulturbereich, in der Industrie – wo derzeit Massenentlassungen stattfinden –, in der Pflege und anderen Bereichen zusammenschließen. Wir schlagen vor, Arbeitsgruppen zu gründen, um diese Bewegung zu koordinieren.“

IYSSE-Sprecher Gregor fügte hinzu: „Die Kürzungen sind Teil des Klassenkampfs. Die Milliardäre und Multimillionäre bereichern sich am Bildungskahlschlag – so, wie sie sich auch am Krieg in der Ukraine und dem Völkermord in Gaza bereichern. Für diese gesellschaftliche Klasse steht der Senat. Er unterstützt den Bund, der hunderte Milliarden Euro in die Aufrüstung kanalisiert. Wir können nicht an die Einsicht der Herrschenden appellieren, sondern müssen uns unseren Verbündeten in der Arbeiterklasse zuwenden. Es müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, die von der Gewerkschaftsbürokratie unabhängig sind und keinen Deal mit der Regierung suchen. Das Geld für Bildung, Gesundheit und Soziales muss von den Milliardären genommen werden, von der Polizei und vom Militär, die diese Privilegien aufrecht erhalten und überall gewaltsam durchsetzen.“

Im Anschluss unterstützten eine Reihe von Studierenden die Forderung, den Kampf gegen die Kürzungen mit dem Kampf gegen Krieg, Staatsaufrüstung und soziale Ungleichheit zusammenzubringen und auf breite Teile der arbeitenden Bevölkerung auszuweiten. „Wir dürfen nicht nur einen Stopp der Kürzungen fordern, sondern müssen mehr Geld fordern – und zwar mindestens zweimal so viel, wie sie kürzen wollen“, rief eine Studentin. Ein zweiter Student widersprach der Regierungspropaganda, dass Opposition gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine einer Unterstützung Putins gleichkomme. Auch die Forderung, anstelle der Etats für Bildung und Erziehung die Mittel des Militärs und der Polizei zu streichen, fand breiten Anklang.

Am Dienstag schloss sich das Studierendenparlament der HU den Forderungen der Vollversammlung einstimmig an.

Wir rufen alle Studierenden und Mitarbeitenden der Universitäten in Berlin und weltweit auf: Werdet aktiv und gründet Aktionskomitees an euren Unis und Betrieben, um dem Bildungs- und Sozialkahlschlag entgegenzutreten! Schließt euch den IYSSE an!

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