Im Mercedes-Werk im Berliner Stadtteil Marienfelde entwickelt sich eine Auseinandersetzung zwischen Beschäftigten und IG Metall, die sich in einer wachsenden Zahl von Gewerkschaftsaustritten ankündigt. Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei unterstützen den wachsenden Widerstand gegen den IG Metall-Apparat und schlagen den Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees vor, um darüber zu diskutieren, wie der Kampf gegen Entlassungen und Sozialabbau geführt werden muss und warum eine neue Organisationsstruktur notwendig ist.
Das Werk in Marienfelde produziert aktuell mit rund 2500 Beschäftigten Teile für Verbrennungsmotoren. Die Fertigung konventioneller Antriebe wird aber schrittweise reduziert, Teile der Werksflächen werden verkauft. Dafür sollen Hochleistungs-Elektromotoren (Axialflussmotoren) für AMG-Modelle vom Band laufen. Zudem sollen in Marienfelde Softwarelösungen und der Einsatz von humanoiden Robotern für die globale Fahrzeugproduktion entwickelt und getestet werden.
Der Betriebsrat verhandelt seit Jahren ununterbrochen über den Kahlschlag, den er und sein Apparat durchsetzen. Die bis vor kurzem geltende „rote Linie“ von mindestens 2000 Arbeitsplätzen, die zu sichern seien, hat der Betriebsratsvorsitzender Fevzi Sikar schon wieder beiseitegeschoben.
Die Beschäftigten treten daher in Scharen aus der Gewerkschaft aus. Sie wollen nicht länger eine Organisation finanziell unterstützen, die ihnen seit Jahren nur Reallohnverluste einbringt und kontinuierlichen Arbeitsplatzabbau als „Standortsicherung“ verkauft.
Doch diese Abstimmung mit den Füßen reicht nicht aus. Denn der IG Metall-Apparat setzt trotzdem seine enge Zusammenarbeit mit der Konzernspitze fort und unterstützt massive soziale Angriffe. Arbeiter müssen den Kampf für ihre Rechte und Forderungen selbst in die Hand nehmen. Dazu sind neue Kampforganisationen notwendig; Organisationen, die Arbeiterrechte höher stellen als Profitinteressen und die durch Vernetzung über Standorte, Unternehmen, Branchen und Ländergrenzen hinweg die nationalistische Politik der IG Metall durchbrechen.
Die Zeiten der sogenannten „Sozialpartnerschaft“, in denen die Gewerkschaften ihm Rahmen und im Interesse der nationalen Wirtschaft den Kapitalbesitzern einige Zugeständnisse für ihre Mitglieder abtrotzen konnten, sind vorbei. Überall auf der Welt versucht eine steinreiche Finanz- und Wirtschaftsoligarchie ihre Krise durch Krieg an allen Fronten zu lösen: militärischen Krieg zur Kontrolle von Ressourcen, Märkten und wichtigen Handelsrouten, Handelskrieg gegen ihre Rivalen auf dem Weltmarkt und Klassenkrieg gegen ihre Beschäftigten und die arbeitende Bevölkerung. Das gilt nicht nur für die USA, sondern ebenso für Europa und insbesondere für Deutschland.
Die IG Metall unterstützt all das. In den letzten ein bis zwei Jahren sind in der Auto- und Zulieferindustrie zigtausende Arbeitsplätze abgebaut worden. Unzählige Werke wurden geschlossen, Produktionsanlagen stillgelegt und verlagert. Unter jeder Vereinbarung, die die Vernichtung Tausender und Zehntausender Arbeitsplätze besiegelt, stehen die Namen von IG Metall-Funktionären.
Bei Volkswagen haben die IG Metall und ihr Betriebsrat es im vergangenen Jahr fertiggebracht, den Abbau von 35.000 Stellen und Lohnsenkungen von 20 Prozent zum „Weihnachtswunder“ für die Beschäftigten zu erklären. Die Umwandlung von Auto- in Panzerfabriken findet die volle Unterstützung der IG Metall!
Die Opposition und Abwendung der Autoarbeiter von der IG Metall ruft nun Gruppen auf den Plan, die sich als „links“ und „kämpferisch“ bezeichnen. So hat die anonyme Gruppe „Autoarbeiter für eine kämpfende IG Metall“ im November am Mercedes-Werk in Marienfelde einen Flyer verteilt, der „Für eine starke, kämpfende IG Metall!“ aufruft.
Der Flyer schildert die korrupten Machenschaften der IG Metall und ihrer Betriebsfunktionäre und erklärt dann: „Davon angewidert wenden sich etliche Metaller von unserer Gewerkschaft ab.“ Das ist für die Verfasser das Hauptproblem. Ihr Ziel ist es, die Austrittswelle zu stoppen und möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in der IG Metall zu halten.
Sie schreiben: „Wir können nicht mehr zählen, wie viele Kollegen wir zu überzeugen versucht haben, nicht aus der IG Metall auszutreten.“ Sie sehen also ihre Aufgabe darin, Arbeiter, die sich nicht länger von der IG Metall an der Nase herumführen lassen wollen, wieder einzufangen. Wie die Gewerkschaftsbürokraten es selbst oft tun, um Dampf abzulassen, sprechen sie von zukünftigen Kämpfen, wollen aber vor allem den Gewerkschaftsapparat erhalten. Ihr Flugblatt endet mit den Worten: „Tretet wieder in die IGM ein, um unseren Kampf zu unterstützen!“
Wir lehnen das entschieden ab! Die Behauptung, man müsse sich zuerst dem Diktat der Gewerkschaftsbürokratie unterwerfen, um dann innerhalb der Gewerkschaft gegen die Führung zu kämpfen, ist falsch und dient nur einem Zweck: Einen wirksamen Kampf gegen die IGM-Führung zu sabotieren. Jedes Gewerkschaftsmitglied weiß, dass die mafiösen Strukturen des IGM-Apparates jede Kritik im Keim ersticken. Oppositionelle werden mit legalen oder illegalen Manövern eingeschüchtert und mundtot gemacht.
Es geht nicht darum, den IGM-Apparat zu reformieren, er muss überwunden werden. Nur wenn man die Zwangsjacke der Bürokratie durchbricht, ist es möglich einen ernsthaften Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen zu führen.
Die Gruppe, die sich eine kämpfende IG Metall wünscht, hat das allerdings überhaupt nicht vor. Denn welchen „Kampf“ schlägt sie in den Reihen der Gewerkschaft vor? „Unterschreibt unsere Petition an den Vorstand der IG Metall!“ rufen sie auf. Mit einer solchen Bittschrift soll dann ein Streik gegen das Job-Massaker erreicht werden.
Die Beschreibung „Rebellion auf den Knien“ wäre dafür noch beschönigend. Nachdem sie in vielen Absätzen den Verrat der Belegschaftsinteressen seitens der IG Metall bejammert und beklagt haben, dass die „Zukunftsverträge“, die die Gewerkschaft unterschreibt, nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen, fordern sie eine Unterschrift unter eine zu nichts verpflichtende Petition mit einigen Forderungen und Bitten an den IGM-Vorstand. Damit entlarvt sich diese Gruppe als Hilfstruppe der Gewerkschaftsbürokratie. Mit linken Phrasen gegen die „Bosse“ und kleinlauter Kritik am allzu offensichtlichen Verrat der IG Metall deckt sie die rechte Politik der Gewerkschaft ab.
Statt nutzloser Petitionen, die die Arbeiter zu Bittstellern degradieren, braucht die weitverbreitete Kampfbereitschaft der Arbeiter eine klare Orientierung.
Deshalb ist der Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees so wichtig, die sich bereits in mehreren Betrieben in mehreren Ländern gebildet haben. Sie schaffen eine neue Organisationsstruktur, die es ermöglicht, die große wirtschaftliche und politische Kraft der Arbeiterklasse zu entfalten und ihr Selbstbewusstsein über die eigene Stärke zu entwickeln. Es sind die vielen Millionen Beschäftigten in der Produktion und Verwaltung, die den gesellschaftlichen Reichtum schaffen. Die Arbeiterklasse ist die produzierende und wertschaffende Kraft in der Gesellschaft. Ihre Rechte stehen höher als die Profitinteressen der Aktionäre und Spekulanten.
Die zentrale Strategie der Aktionskomitees muss Internationalismus sein. Jeder in der Autoindustrie weiß, dass es angesichts der Globalisierung der Produktion keine nationale Wirtschaft mehr gibt und es Arbeiter überall mit denselben Problemen zu tun haben. Trotzdem verbreiten die Gewerkschafts-Bürokraten mit ihren Forderungen nach einer nationalen Industriepolitik und Standortsicherung das Gift des Nationalismus. Sie spalten die Arbeiterklasse und spielen Arbeiter in einem Land gegen die anderer Länder oder sogar anderer Regionen aus.
Wer also behauptet, die Wegwendung von der IG Metall und der Kampf gegen den IGM-Apparat sei deshalb falsch, weil er die AfD stärke, dreht die Dinge auf den Kopf. Es sind gerade die rechte nationalistische Politik der Gewerkschaft und ihre Unterdrückung jedes ernsthaften Kampfs zur Verteidigung der Arbeiterrechte, die den Einfluss der Rechtsextremen stärken. Die Forderungen nach Durchsetzung deutscher Interessen, Verteidigung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, Strafzöllen und Handelskriegsmaßnahmen gleichen sich im IGM- und AfD-Vorstand wie ein Ei dem anderen.
Wir setzen diesem reaktionären Nationalismus die internationale Einheit der Arbeiter entgegen. Durch den Aufbau von Aktionskomitees wird die weltweite Zusammenarbeit und Vernetzung mit den Beschäftigten der anderen Mercedes-Werke, der gesamten Auto- und Zulieferindustrie und der ganzen Arbeiterklasse eingeleitet.
Gleichzeitig bilden die Aktionskomitees eine Plattform, um darüber zu diskutieren, wie die unmittelbaren Probleme im Betrieb in direktem Zusammenhang zur militärischen Aufrüstung und zum Krieg stehen. In den Aktionskomitees werden Pläne ausgearbeitet und diskutiert, wie der Kampf gegen Massenentlassungen mit der Mobilisierung gegen Krieg und Aufrüstung verbunden und koordiniert wird.
Diese Ausrichtung des Kampfs gegen Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen – antikapitalistisch und international – ist nicht nur ein Schlag gegen die IG Metall, sondern gleichzeitig auch gegen die nationalistischen Kräfte in und um die AfD und das „Zentrum Automobil“.
Wir laden alle Autoarbeiterinnen und -arbeiter, weit über Mercedes und Marienfelde hinaus, ein, mit uns Kontakt aufzunehmen und die notwendigen nächsten Schritte zu diskutieren. Schreibt uns eine Whatsapp unter +491633378340 und füllt das untenstehende Formular aus.
