Parteitag in Magdeburg: Warum das BSW keine Anti-Kriegs-Partei ist

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erzielte nach seiner Gründung vor zwei Jahren bei den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen beachtliche Ergebnisse, weil es die weitverbreitete Stimmung gegen den Aufrüstungswahnsinn aufgriff und sich als Anti-Kriegspartei inszenierte. Doch die Popularität fiel ebenso schnell wieder in sich zusammen, als das BSW die Kürzungen und die Staatsaufrüstung in Koalitionen mit den Kriegsparteien CDU und SPD selbst aggressiv vorantrieb.

Sahra Wagenknecht spricht auf dem BSW-Parteitag in Magdeburg [Photo by youtube / BSW Bund]

Auf dem Parteitag vom letzten Wochenende reagierte die Partei, die sich zukünftig „Bündnis für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft“ (BSW) nennen wird, indem sie ihre Anti-Kriegs-Rhetorik fortsetzte, um Wählerstimmen zurückzugewinnen, zugleich aber bekräftigte, ihr rechtes, kapitalistisches Programm rücksichtslos zu verfolgen. Damit entlarvt sie ihr ganzes Gepolter gegen Krieg als leeres Geschwätz.

Die Hauptredner sparten nicht mit markigen Worten gegen Krieg und Aufrüstung. „Unsere Kinder kriegt ihr nicht!“, rief die Co-Vorsitzende des BSW, Amira Mohamed Ali, schon in der Eröffnungsrede ins Mikrofon und begrüßte die Schulstreiks gegen die Wehrpflicht. Sie geißelte „Bedrohungsrhetorik und Kriegspropaganda“ und warnte vor einem Atomkrieg.

Auch Wagenknecht selbst sprach gegen die Militarisierung Deutschlands und warf der Opposition im Bundestag vor, die Kriegspolitik der Regierung zu unterstützen. „Also die grünen Latte-macchiato-Militaristen, die überbieten ja sogar noch die Union in ihrer neu gewonnenen Waffeneuphorie. Die AfD gehört auch zum Fanclub der Rüstungslobby. Und auf der anderen Seite die Linke, ja, wie ehrlich ist das denn? Die redet von Abrüstung, aber stimmt dann im Bundesrat dieser riesigen, größten Aufrüstung der deutschen Geschichte zu.“

Was Wagenknecht geflissentlich verschwieg, ist der Umstand, dass auch das BSW in Koalitionen mit den Kriegsparteien CDU und SPD eingetreten ist und auf Landesebene durch massive Sozialkürzungen das Geld eintreibt, das auf Bundesebene dann in die horrende Aufrüstung fließt.

So setzte der BSW-Finanzminister in Brandenburg, Robert Crumbach, die Streichung von 345 Lehrerstellen und die Verschlechterung des Betreuungsschlüssels in der Kita gegen massive Proteste durch. Die Polizei erhält hingegen 100 zusätzliche Stellen.

Auch in Thüringen kürzt das BSW im Sozialbereich, beim ÖPNV und in der Kultur. Wagenknecht feierte diese Kürzungsorgien sogar, wenn sie erklärte: „Unsere Finanzminister haben Haushalte vorgelegt, die deutlich mehr Spielräume für Investitionen geschaffen haben, als sie irgendeine andere Partei geschaffen hätte.“

Der eklatante Widerspruch zwischen Parteitags-Gerede und realer Politik ergibt sich daraus, dass das BSW in jeder Hinsicht prokapitalistisch und proimperialistisch ist.

„Wir als BSW richten uns mit unserem Protest nicht gegen die Bundeswehr“, erklärte Wagenknecht auf dem Parteitag und betonte, dass diese gut ausgestattet werden müsse. Das BSW kritisiert den Krieg gegen Russland nicht wegen der räuberischen Interessen des deutschen Kapitalismus, der sich wie im 20. Jahrhundert die enormen Ressourcen des Landes militärisch einverleiben will. Es kritisiert, dass dieses Ziel gegenwärtig nicht durch einen Krieg gegen die Atommacht Russland zu erreichen sei.

Aber in Hinblick auf die Unterstützung deutscher Kapitalinteressen ist die Partei eindeutig. „Wenn unsere Wirtschaft eine Zukunft haben soll, dann brauchen wir bezahlbare Energie und wir brauchen gute Handelsbeziehung mit möglichst vielen Partnern, mit den USA, aber auch mit den Brics-Staaten“, erklärte etwa Mohamed Ali in ihrer Rede. Dieses Streben nach Absatzmärkten und Energie verfolgt das deutsche Kapital als exportorientierte und rohstoffarme Macht in der Mitte Europas seit jeher. Im 20. Jahrhundert hat es deshalb zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen und die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen.

Auch heute verschärfen sich angesichts der kapitalistischen Krise die Konflikte zwischen den Großmächten um die Neuaufteilung der Welt. In diesen Konflikten stellt sich das BSW eindeutig auf die Seite des deutschen Kapitals und behauptet wie alle Kriegspropagandisten, dass dies auch im Interesse der Arbeiter in Deutschland sei.

„Schluss mit der Unterwürfigkeit und dem Vasallentum gegenüber Washington“, heißt es im Leitantrag des Parteitags. „Wir kämpfen für ein souveränes Europa, das seine Sicherheitsinteressen selbst definiert und auf der Grundlage von Interessenausgleich und gemeinsamer Sicherheit mit allen Nachbarn, einschließlich Russlands, eine stabile Friedensordnung schafft.“ Dazu brauche Deutschland „technologische und digitale Souveränität“ und „eine strategische Industriepolitik, die Abhängigkeiten in Zukunftsbranchen überwindet“.

Das ist exakt das Programm, das hinter der Aufrüstungsorgie der Bundesregierung steht. Denn wie soll das deutsche Kapital seine Souveränität behaupten, Absatzmärkte und Rohstoffe sichern und damit Abhängigkeiten abbauen, wenn nicht durch militärische Gewalt? Der Kapitalismus hat wieder einen Punkt erreicht, an dem die imperialistischen Gegensätze offen aufeinanderprallen. Das zeigt sich auch an den extremen Spannungen zwischen Deutschland und den USA. Wer diese kapitalistischen Bedingungen akzeptiert und sich hinter das eigene Kapital stellt, folgt der Logik des Kriegs.

Die einzige realistische Grundlage für eine Bewegung gegen einen dritten Weltkrieg ist der Kampf gegen den Kapitalismus. Nur wenn die großen Banken und Konzerne enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden, kann eine Katastrophe verhindert werden. Das erfordert nichts Geringeres als die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse – also all jener, die den gesellschaftlichen Reichtum schaffen und die ganze Last von Krieg und Krise zu tragen haben – für eine sozialistische Perspektive.

Dieser Perspektive stehen Wagenknecht und ihr BSW absolut feindlich gegenüber. Die Rettung des Kapitalismus ist Teil der politischen DNA Wagenknechts. Als sie im Frühsommer 1989 der stalinistischen SED beitrat, hatte sich diese längst auf die Restauration des Kapitalismus orientiert. Wagenknecht übernahm in der Nachfolgepartei PDS die Rolle, den kapitalistischen Kurs mit Phrasen aus der stalinistischen Mottenkiste abzudecken.

Als die PDS wegen ihrer Kürzungspolitik in den östlichen Bundesländern tief in die Krise geriet, spielten Wagenknecht und ihr jetziger Ehemann Oskar Lafontaine eine entscheidende Rolle dabei, die Partei mit den abgehalfterten SPD-Bürokraten der WASG zur Linkspartei zu fusionieren, um die Empörung über die Agenda 2010 der SPD aufzufangen und in prokapitalistische Kanäle zu lenken.

Heute nehmen Wagenknechts Bemühungen, den Kapitalismus angesichts wachsender Opposition gegen Krieg und Kürzungen zu retten, offen rechte Formen an. Weil es keinerlei Spielraum mehr für sozialen Ausgleich gibt, ersetzt sie begrenzte soziale Forderungen durch stinkenden Nationalismus und offen unternehmerfreundliche Rhetorik.

Schon vor dem Parteitag hatte Wagenknecht in der Springerpresse einen Gastbeitrag veröffentlicht, der im Stil der AfD gegen „Geld für Arbeitsmuffel“ und „unkontrollierte Zuwanderung“ hetzte und ganz unverblümt eine „rechte Agenda“ forderte. Ein solches „im Ursprungssinn rechtes“ Programm zeichne sich dadurch aus, dass die Besitzstände der Mittelschichten – offenbar gegen Flüchtlinge und Arbeitslose – geschützt werden müssten, so Wagenknecht.

Auch der Parteitag war von dieser Agenda geprägt. Forderungen nach höheren Löhnen oder einer Erhöhung der Reichensteuer kommen höchstens noch am Rande vor. Im Zentrum stehen hingegen Forderungen, die von der FDP abgeschrieben sein könnten – etwa die Forderung nach einer „gerechten Leistungsgesellschaft mit fairen Aufstiegschancen und einer starken Mitte“, wie es im Leitantrag heißt. Um das zu erreichen, will das BSW vor allem die deutsche Industrie alimentieren.

Am deutlichsten zeigt sich der reaktionäre Charakter des BSW in der Hetze gegen Migranten. Während das Unternehmertum in den höchsten Tönen gelobt wird, werden die verzweifelten Menschen, die vor den Kriegen der Nato fliehen, zu Sündenböcken für die sozialen Probleme gemacht. Wagenknecht erklärte in ihrer Rede, dass es angesichts des Asylrechts „zu Problemen kommt auf dem Wohnungsmarkt, bei der Kriminalität und in der Schattenwirtschaft“. Verantwortlich für die soziale Katastrophe sind also nicht die Aufrüstung und die Milliardengeschenke an die Reichen, sondern die Schwächsten der Gesellschaft.

Es verwundert angesichts dieser Agenda nicht, dass sich das BSW schon als Mehrheitsbeschaffer für die AfD angeboten hat. Am 10. November hatte Wagenknecht auf einer Pressekonferenz verkündet, dass das BSW für die Einsetzung von Expertenregierungen plädiert, die sich auf wechselnde Mehrheiten stützen. Das BSW würde dann auch mit der faschistischen AfD Mehrheiten bilden, so Wagenknecht.

Von den pazifistischen Phrasen wird bei einer Regierungsbeteiligung im Bund nichts übrigbleiben. Denn die handfesten Kapitalinteressen, die das BSW formuliert, wiegen sehr viel schwerer als das Gerede von Diplomatie. Eben das kann man jetzt schon live in Brandenburg und Thüringen beobachten. Die Sozialkürzungen setzte das BSW dort in trauter Gemeinschaft mit den Kriegsparteien reibungslos in die Tat um. Anschließend lancierte es einen Streit über den Staatsvertrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, um die eigenen Taten zu kaschieren.

Wer gegen Krieg kämpfen will, darf sich nicht an Wagenknechts rechter und kapitalistischer Agenda orientieren, sondern muss sich am Aufbau einer internationalen und sozialistischen Anti-Kriegs-Bewegung beteiligen. Für diese Perspektive kämpft in Deutschland die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) zusammen mit ihren Schwesterparteien der Vierten Internationale auf der ganzen Welt.

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