Der neue Bericht des World Inequality Lab ist das Ergebnis einer vierjährigen umfassenden Untersuchung. Er kommt zu dem Schluss, dass die wirtschaftliche Ungleichheit weiterhin extrem zunimmt. Enormer Reichtum konzentriert sich bei einer kleinen Handvoll Milliardäre und „Centimillionäre“, also Menschen mit einem dreistelligen Millionenvermögen.
Im Vorwort des Berichts heißt es:
Die hier vorgestellten Daten sind erschreckend. Die reichsten 10 % der Weltbevölkerung besitzen fast drei Viertel des gesamten Vermögens, während die ärmste Hälfte kaum 2 % besitzt. Weniger als 60.000 Multimillionäre kontrollieren heute dreimal so viel Vermögen wie die Hälfte der Menschheit zusammen. In den meisten Ländern besitzen die unteren 50 % selten mehr als 5 % des nationalen Vermögens.
Das World Inequality Lab wurde gegründet, um die globale Ungleichheit zu untersuchen. Die Initiative ging ursprünglich von den Ökonomen Thomas Piketty, Gabriel Zucman und Emmanuel Saez aus, die gemeinsam eine Reihe von Studien über die Konzentration von Vermögen und Einkommen verfasst haben.
Dem Bericht zufolge ist der Anteil der reichsten 0,001 Prozent am weltweiten Vermögen seit 1995 von 4 Prozent auf 6 Prozent gestiegen, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung nur 2 Prozent kontrolliert. Multimillionäre haben ihr Vermögen in den letzten drei Jahrzehnten um etwa 8 Prozent pro Jahr gesteigert, fast doppelt so stark wie die untere Hälfte der Bevölkerung.
Der Bericht charakterisiert dies als „außergewöhnliche Anhäufung an der Spitze. Das Ergebnis ist eine Welt, in der eine winzige Minderheit über beispiellose Finanzmacht verfügt, während Milliarden von Menschen selbst von grundlegender wirtschaftlicher Stabilität ausgeschlossen bleiben.“
In Bezug auf das Einkommen stellt der Bericht ein Ausmaß an Ungleichheit fest, das kaum zu begreifen ist. Laut seiner Analyse „verdienen die obersten 0,1 % genauso viel wie die unteren 50 % insgesamt. Das bedeutet, dass eine Gruppe von Menschen, die nicht größer ist als die Bevölkerung Singapurs, das gleiche Einkommen erzielt wie die Hälfte der Weltbevölkerung”. An der Spitze „verdienen die obersten 0,000001 % (etwa 5.600 Menschen) im Durchschnitt ein Achtel dessen, was die unteren 50 % zusammen erhalten. Mit anderen Worten: Eine kleine Konzerthalle voller Menschen hat ein Jahreseinkommen, das mit dem von Milliarden von Menschen vergleichbar ist.“
Die brutale Unterdrückung der großen Mehrheit der Menschheit durch eine Handvoll imperialistischer Mächte wurde vor mehr als einem Jahrhundert von W. I. Lenin in seinem Werk Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus analysiert. Der Weltungleichheitsbericht macht deutlich, dass sich zwar die Mechanismen weiterentwickelt haben, die zugrunde liegenden Ausbeutungsverhältnisse jedoch verschärft haben.
Wie der Bericht erklärt: „Während die Kolonialmächte einst Ressourcen abbauten, um Defizite in Überschüsse umzuwandeln, erzielen die heutigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften ähnliche Ergebnisse durch das Finanzsystem.“ Ärmere Nationen sind gezwungen, Ressourcen nach außen zu transferieren – über Schuldendienst, Gewinnrückführung und Finanzströme – und sind „eingeschränkt in ihrer Fähigkeit, in Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur zu investieren“.
Es ist eine erschreckende Tatsache, dass diese Abflüsse mehr als 1 Prozent des weltweiten BIP ausmachen, „etwa dreimal so viel wie die Entwicklungshilfe, die in die entgegengesetzte Richtung fließt“.
Auch innerhalb der Länder werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Der Bericht stellt fest, dass in fast allen Regionen der Welt das oberste 1 Prozent wohlhabender ist als die unteren 90 Prozent zusammen.
Der Bericht stützt sich auf Schriften und Forschungen von mehr als 200 Wissenschaftlern und wurde mit Unterstützung der Europäischen Union und des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen erstellt.
Diese Unterstützung durch einen Teil der globalen kapitalistischen Elite erklärt vielleicht die Bescheidenheit der von den Autoren des Berichts befürworteten Reformen – höhere Steuern für Reiche und globale Finanzströme, mehr Ausgaben für Bildung, Gesundheitsversorgung und Klimawandel, insbesondere in den armen Ländern der Welt. Die Ungleichheit innerhalb jedes Landes wird in dem Bericht weniger betont, vorherrschend ist die in linksliberalen Kreisen übliche Perspektive auf den „globalen Norden und Süden“.
In dem 200-seitigen Dokument des World Inequality Lab kommen die Begriffe „Kapitalismus“ oder „Sozialismus“ nirgendwo vor. Aus den vorgelegten Daten ergibt sich jedoch ein klarer und unbestreitbarer Grund für die Enteignung der kapitalistischen Oligarchie.
Unter dem kapitalistischen System kontrollieren etwa 56.000 Milliardäre und Hundertmillionäre das Schicksal der 8 Milliarden Menschen, die diesen Planeten bewohnen. Ihr Reichtum, das Produkt der kollektiven Arbeit der Menschheit, muss konfisziert und die Weltwirtschaft neu organisiert werden, um den Bedürfnissen der Menschen zu dienen, nicht privaten Profiten.
Das im Weltungleichheitsbericht dokumentierte extreme Wachstum der sozialen Ungleichheit wurde von allen Parteien der herrschenden Klasse in allen Ländern und politischen Systemen gefördert und überwacht. Der Bericht selbst zeigt eine gewisse Feindseligkeit gegenüber Teilen der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und stellt fest, dass „Mitte des 20. Jahrhunderts Wähler mit geringerem Einkommen und geringerem Bildungsniveau weitgehend linke Parteien unterstützten, während wohlhabendere und besser ausgebildete Gruppen eher rechts orientiert waren, was zu einer klaren Klassenkluft und einer zunehmenden Umverteilung führte. Heute ist dieses Muster zerbrochen.“
Dies wirft die Frage auf, warum sich die Arbeiter von den sogenannten „linken Parteien“ abgewandt haben. Es ist die Folge des Zusammenbruchs der alten sozialdemokratischen und bürgerlichen „linken“ Parteien, die längst jegliches Engagement für eine Politik der sozialen Reformen aufgegeben haben und damit der extremen Rechten die Möglichkeit eröffneten, soziale Missstände auszunutzen.
Der Ungleichheitsbericht enthält zwar eine Reihe von Reformvorschlägen, wie die Besteuerung der Reichen und die Bereitstellung von Ressourcen für Bildung, Gesundheitswesen und andere Sozialprogramme, schweigt sich jedoch darüber aus, warum solche Maßnahmen von den herrschenden Klassen aller kapitalistischen Länder abgelehnt werden. Als Reaktion auf die sich verschärfende Krise des kapitalistischen Systems hat die herrschende Elite einen Krieg gegen alle sozialen Errungenschaften begonnen, welche die Arbeiter im 20. Jahrhundert in erbitterten Kämpfen errungen haben.
Der Bericht räumt ein, dass die Besteuerung der Superreichen zusammengebrochen ist, was „nicht nur die Steuergerechtigkeit untergräbt, sondern den Gesellschaften auch die für Bildung, Gesundheitsversorgung und Klimaschutz erforderlichen Ressourcen entzieht“.
Mit anderen Worten: Die Kontrolle der Gesellschaft durch die Finanzoligarchie (ein weiteres Wort, das in dem 200-seitigen Bericht nicht vorkommt) ist nicht nur ungerecht. Sie ist das Haupthindernis für das Funktionieren einer humanen und zivilisierten Gesellschaft, da sie der Gesellschaft die Ressourcen für notwendige Dienstleistungen entzieht und sie in die Taschen der Reichen fließen lässt.
Das Ziel des Berichts scheint darin zu bestehen, Teile der herrschenden Elite davon zu überzeugen, Reformen durchzuführen, solange noch Zeit dafür ist. „Eine progressive Besteuerung ist daher von entscheidender Bedeutung“, heißt es in dem Bericht, da sie „die Legitimität der Steuersysteme stärkt, indem sie sicherstellt, dass diejenigen mit den größten Mitteln ihren gerechten Anteil beitragen“.
Die Antwort der herrschenden Klasse auf das Wachstum der Opposition, auf das Entstehen eines sozialistischen Bewusstseins und des Klassenkampfs ist jedoch die Hinwendung zu Diktatur und Faschismus. Die Realität ist, dass Demokratie mit einer Gesellschaftsordnung unvereinbar ist, in der ein winziger Teil der Bevölkerung den größten Teil des Reichtums und der Ressourcen kontrolliert.
Nirgendwo wird dies deutlicher als in den Vereinigten Staaten, wo die Trump-Regierung den konzentriertesten Ausdruck oligarchischer Herrschaft darstellt. Trumps Regime baut das öffentliche Bildungswesen ab, zerstört die öffentliche Gesundheitsinfrastruktur, streicht Sozialprogramme und hebt alle Beschränkungen auf, die für Unternehmen und Finanzspekulationen galten. Gleichzeitig baut es einen autoritären Staatsapparat auf, um diese soziale Konterrevolution durchzusetzen. Die gleichen Prozesse sind weltweit zu beobachten.
Die Oligarchen werden sich nicht durch höfliche Appelle dazu bewegen lassen, ihren Reichtum aufzugeben. Was erforderlich ist, ist eine politische Massenbewegung der internationalen Arbeiterklasse, um den Kapitalismus abzuschaffen und die politische Macht zu übernehmen. Das bedeutet die Enteignung der Oligarchie. Das Vermögen der Milliardäre muss beschlagnahmt, die Unternehmen unter demokratische Kontrolle gestellt und die Weltwirtschaft neu organisiert werden – nicht zum privaten Vorteil, sondern um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.
Der Kampf für Gleichheit ist der Kampf für den Sozialismus. Er erfordert den Aufbau einer revolutionären Führung, die in der Arbeiterklasse verwurzelt und mit einem wissenschaftlichen Verständnis der Krise des Kapitalismus ausgestattet ist. Wir fordern alle Arbeiter und Jugendlichen auf, die empört sind über die Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Systems, sich der Socialist Equality Party und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale anzuschließen, der Weltpartei der sozialistischen Revolution.
