Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat 1973 – 1985

Der Prozess gegen den Observer

Wenn man die politische Entartung der Workers Revolutionary Party zurückverfolgt, so stößt man auf ein politisch aufschlussreiches Ereignis in den letzten Tagen der Labour-Regierung – den Prozess der Workers Revolutionary Party gegen die Zeitung Observer. Im September 1975, drei Jahre vor dem Prozess, war das Schulungszentrum der WRP nach einem verleumderischen Artikel im Observer von der Polizei durchsucht worden. In dem Artikel war behauptet worden, auf dem Grundstück der Schule gebe es Waffenverstecke. Die WRP erhob völlig zu Recht eine Verleumdungsklage und im Oktober-November 1978 fand der Prozess statt. Weder Banda noch Healy sagten für die WRP aus. Statt dessen überließen sie es drei anderen Parteimitgliedern – Corin Redgrave, Vanessa Redgrave und Roy Battersby – sowie dem Anwalt der Partei, die Prinzipien der Partei darzulegen. Angesichts der Anschuldigung des Observers versuchten die Anwälte der Zeitung natürlich, die Aufmerksamkeit der Geschworenen auf die Haltung der WRP zur Frage der Gewalt zu richten. Dies war für marxistische Revolutionäre keine unerwartete Situation. Immer wieder haben Marxisten kompromisslos das Recht der Massen verteidigt, gegen die organisierte Staatsgewalt der herrschenden Klasse revolutionäre Gewalt anzuwenden, und sich andererseits unmissverständlich gegen den individuellen Terrorismus ausgesprochen.

Doch das Auftreten der WRP-Angeklagten vor Gericht war eine schamlose und kriecherische Kapitulation vor der bürgerlichen öffentlichen Meinung. Die Zeugen der WRP – die in diesem Prozess nicht als Angeklagte, sondern als Kläger auftraten – taten alles in ihrer Macht stehende, um sich als ehrbare Damen und Herren darzustellen, die einem aufrechten, gesetzestreuen Kleinbürger-Diskussionsclub beigetreten waren. Bei aller Fairness gegenüber Lady Vanessa (sie trägt den Orden ‚OBEʻ des britischen Königshauses) und Sir Corin wollen wir jedoch nicht verschweigen, dass diese begabten Bühnenkünstler nur die ihnen von Healy zugedachten Rollen spielten. Sie hatten die Anweisung, den Prozess nicht für revolutionäre Agitation und Propaganda zu benutzen. Ihre Ansprachen richteten sich an Seine Lordschaft auf dem Richterstuhl und an die kleinbürgerlichen Geschworenen. Als sie nach ihrer Haltung zur Gewalt gefragt wurden, antworteten sie so, als seien die revolutionären Prinzipien des Marxismus mit der Theologie der Quäker in Einklang zu bringen.

Entgegen allen revolutionären Prinzipien ließ die WRP zu, dass ihr Anwalt, Mr. John Wilmers, in dem Prozess den Ton angab. Wilmers schusterte seine Darstellung mit Vorbedacht so zurecht, dass das Gericht und dessen Vorurteile möglichst besänftigt werden sollten. Die News Line vom 25. Oktober 1978 gab seine einleitende Rede folgendermaßen wieder:

Die Kläger ‚glauben leidenschaftlich an den Marxismusʻ, fuhr Mr. Wilmers fort.

,Sie wollen eine Revolution in diesem Lande herbeiführen, jedoch im Sinne einer grundlegenden Veränderung und nicht etwa durch Schießereien auf den Straßen.

Sie sprechen davon, die Arbeiterklasse zum Sturz des Kapitalismus und zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu mobilisieren.

Aber Gewalt und Zwang lehnen sie grundsätzlich ab.

Sie sind der Meinung, dass sie ihre Ziele durch Propaganda und Aufklärung der Bevölkerung über ihre Anschauungen erreichen können.ʻ

Diese einleitende Rede, die die Zeugen der WRP in den folgenden Wochen weder in Frage stellten noch berichtigten, kam einer Zurückweisung des Marxismus gleich. Am Donnerstag, den 26. Oktober, berichtete News Line über Corin Redgraves Zeugenaussage vom Vortag. Sie war ein Hohn auf marxistische Prinzipien.

Am Nachmittag wurde Mr. Redgrave vom Vertreter der Verteidigung, Mr. Colin Ross Munro, ins Kreuzverhör genommen und zur Politik der Workers Revolutionary Party befragt.

Nach dem Kampf um die Arbeitermacht befragt, sagte Mr. Redgrave, dieser werde mit friedlichen, legalen und verfassungsmäßigen Methoden geführt.

‚Kein bewaffneter Aufstand unter Führung der WRPʻ, fragte der Anwalt.

‚Wir jedenfalls arbeiten nicht daraufhinʻ, antwortete Mr. Redgrave.

Mr. Redgrave erklärte dem Gericht, die Partei werde die Anwendung von Waffengewalt in Betracht ziehen –, ‚um Gewalt gegen Gewalt zu setzenʻ – falls in Großbritannien ein faschistischer Staat entstehen sollte.

Das wäre eine Situation, in der alle Formen der Demokratie abgeschafft wären und die Mehrheit der Bevölkerung ihre demokratischen Grundrechte eingebüßt hätte.

In dieser Aussage wurden alle grundlegenden Lehren des Marxismus über den Klassencharakter der bürgerlichen Demokratie feige über den Haufen geworfen. Die Möglichkeit, zu den Waffen zu greifen, wurde auf den Kampf gegen einen faschistischen Staat beschränkt – das heißt, auf einen Zeitpunkt nach der Niederlage des Proletariats. Doch es sollte noch schlimmer kommen:

Auf die Frage, woher denn die Arbeiterklasse Waffen für einen Aufstand bekommen würde, antwortete Mr. Redgrave, möglicherweise von Teilen der Armee, die ihrerseits demokratische Rechte verteidigen wollten.

‚So war das schon in der Vergangenheit bei demokratischen Rechten, z.B. bei den Ereignissen in Portugal.ʻ

Man muss dabei bedenken, dass diese Aussage auf dem Höhepunkt der Agitation der WRP für den Sturz der Labour-Regierung gemacht wurde, als die Partei erklärte, sie befinde sich mitten im Kampf um die Macht. Doch als er die Möglichkeit hatte, öffentlich zu sprechen und sich an die Masse der Arbeiterklasse zu wenden, lehnte Redgrave nicht nur die revolutionäre Gewalt ab, sondern beteuerte sogar seinen unverbrüchlichen Glauben an die Armee des britischen Imperialismus und an dessen Staat. Zumindest entlarvte die Aussage, dass die WRP trotz allen Wortgeklingels über den Sturz der Regierung und des Kampfs um die Macht eine regelrechte Ehrfurcht vor dem kapitalistischen Staat hatte. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich die Zeugen sehr vorsichtig ausdrücken mussten, um die Partei vor gerichtlichen Angriffen zu schützen, überschlugen sie sich immer wieder förmlich in Bemühungen, den Staat zu beruhigen. Sie gingen so weit, dass sie ohne Not Erklärungen abgaben, die nur dazu dienen konnten, die Massen zu betrügen und ihr politisches Bewusstsein zu untergraben.

Redgrave schreckte nicht einmal davor zurück, zu erklären, Arbeitermilizen seien nur in Gebieten nötig, wo es nicht genügend Polizeistreifen gebe! Am 28. Oktober 1978 veröffentlichte die News Line weitere Aussagen von Corin Redgrave, der als Hauptsprecher für die WRP auftrat: „‚Ich habe nie Gewalt gepredigt. Ich habe nie Gewalt angewandt, und ich bin gegen Gewalt. Das ist der Kurs, den meine Partei stets vertreten hatʻ, sagte er.“

Am Ende des Prozesses sprachen sich die Geschworenen zugunsten der Kläger aus und fällten den Spruch, der Observer habe Unwahrheiten verbreitet. Doch der Richter verweigerte den Redgraves und den anderen WRP-Klägern das eine, wonach sie so lechzten – gesellschaftliches Ansehen. Doch die eigentliche Ironie des Falles ist, dass das Verhalten der WRP-Kläger ihrem Ruf mehr schadete als alle Anschuldigungen des Observers.