Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat 1973 – 1985

Die Entwicklung der WRP-Politik in Nahen Osten

Die Workers Revolutionary Party gab die Theorie der Permanenten Revolution nicht über Nacht auf. Sie tat dies mittels einer Reihe pragmatischer Manöver, durch die die WRP- Führung Verbindungen zu arabischen bürgerlichen Regimen knüpfen wollte. Dabei scherten sich Healy, Banda und Slaughter immer weniger um politische Prinzipienfragen. Die WRP ging bei ihrer Arbeit im Nahen Osten niemals davon aus, das Internationale Komitee der Vierten Internationale aufzubauen und entfernte sich immer weiter von ihrem angeblichen Ausgangspunkt – der Verteidigung der PLO und des Rechts der Palästinenser auf Selbstbestimmung –, um nach und nach Bündnisse mit sämtlichen Regimen im Nahen Osten einzugehen.

Die WRP setzte ihre Beziehungen zur PLO in immer zynischerer Weise dazu ein, ihre Verhandlunsposition beim Feilschen mit den arabischen bürgerlichen Führern zu stärken. Entsprechend dieser Entwicklung musste sie ihren praktischen Opportunismus zwangsläufig in offene Revisionen des trotzkistischen Programms übersetzen und im Schlepptau des Stalinismus der arabischen und halbkolonialen Bourgeoisie die Führungsrolle im antiimperialistischen Kampf zuschreiben. Diese Revisionen öffneten ihrerseits den wahrhaft grotesken politischen Verrätereien Tür und Tor, die ab 1979 stattfanden.

Am 29. April 1976 unterzeichnete die Workers Revolutionary Party ein Abkommen mit der libyschen Regierung. Weder über Inhalt noch über das bloße Bestehen dieses Dokuments wurde das Internationale Komitee der Vierten Internationale unterrichtet. Das IK entdeckte es erst im November 1985, als die von ihm eingesetzte Kontrollkommission begonnen hatte, die politische Degeneration der WRP zu untersuchen.

Dieser beispiellose Verstoß gegen den demokratischen Zentralismus hatte zur Folge, dass das Internationale Komitee keinerlei Kontrolle darüber hatte, was die britische Sektion im Nahen Osten trieb. Eine Zeit­lang wurde ihre Hinterzimmerdiplomatie durch formal richtige Erklärungen zur politischen Lage in diesem Gebiet abgedeckt. Ein Beispiel dafür ist die im November 1976 verfasste Stellungnahme des IK gegen die syrische Invasion des Libanon und das Massaker von Tel al- Zaatar. Entworfen vom Politischen Komitee der WRP, war es eine der letzten trotzkistischen Erklärungen des IKVI zum Nahen Osten:

Die jüdischen und arabischen Arbeiter müssen gemeinsam diese aggressive Verschwörung niederschlagen. Die Kriegsgefahr kann nur gebannt werden durch den völligen Sieg der arabischen Völker gegen den Zionismus, den Sturz des rassistischen israelischen Staates, und die Errichtung eines demokratischen sozialistischen Palästinas. Die arabische herrschende Klasse kann und wird in diesem Kampf eine verräterische und feige Rolle spielen; sie wird zwischen dem Imperialismus und den arabischen Arbeitern und Bauern schwanken. Dies ist die unbestreitbare Lehre aus der syrischen Invasion des Libanon. ...

Die Befreiung der arabischen Nation vom Imperialismus und die endgültige Zerschlagung des Zionismus kann man nicht den reaktionären arabischen Kapitalisten und Großgrundbesitzern überlassen. Es ist die Aufgabe der arabischen und jüdischen Arbeiter unter der Führung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. (News Line, 13. November 1976, S. 9)

Die Resolution schloss mit dem Aufruf, „in allen arabischen Ländern und in Israel“ Sektionen des IKVI aufzubauen.

Im Juli 1977 unterzeichnete die WRP ein gemeinsames Kommunique mit der libyschen Regierung. Das IKVI erfuhr davon erst, als es in der News Line veröffentlicht wurde. Dies war der Beginn einer kleinbürgerlichen Lobhudelei für Oberst Gaddafi, auf die wir weiter unten genauer eingehen werden.

Im darauffolgenden Jahr weitete die WRP ihre Aktivitäten in fieberhaftem Tempo auf andere Länder des Nahen Ostens aus. Zunächst nahm sie Verbindung zu den Baathisten in Syrien und im Irak auf. Im Falle des Irak wählte sie einen besonders üblen Zeitpunkt, denn die Baathisten waren gerade in einen erbitterten Kampf gegen die Kommunistische Partei des Irak verwickelt. Die WRP versuchte diese Auseinandersetzung zu ihren Gunsten auszunutzen, indem sie auf unsägliche Weise die Hinrichtung von Mitgliedern einer Partei der Arbeiterklasse verteidigte.

Am 2. Februar 1979 berichtete die News Line unter der Überschrift „Verschwörung aufgedeckt“ beifällig, dass 21 Mitglieder der irakischen KP hingerichtet worden seien, weil sie „widerrechtliche Zellen in der Armee“ gebildet hätten. Am 8. März 1979 antwortete die WRP auf einen Leserbrief, der gegen diesen Klassenverrat protestierte, mit einer ganzseitigen, nicht namentlich unterzeichneten Erklärung. Darin behauptete sie, dass „die Arabische Sozialistische Baath-Partei im Nahen Osten eine hundertmal fortschrittlichere Rolle gespielt hat als der Stalinismus“. Sie beurteilte damit die politischen Tendenzen nicht mehr vom Klassenstandpunkt aus und vergaß gleichzeitig, dass die Trotzkisten den Stalinismus im Nahen Osten immer vor allem deswegen kritisiert hatten, weil er prinzipienlose und opportunistische Beziehungen zu den bürgerlichen Nationalisten unterhielt. Auf dieser Grundlage hatte das Internationale Komitee 1971 Kritik an der Kommunistischen Partei des Sudan geübt und protestiert, als der Henker Numeiri ihre Führer hinrichten ließ. Aber 1979 griff die WRP aus genau dem entgegengesetzten Grund die irakische KP an und verteidigte den Mord an ihren Mitgliedern – weil diese sich nicht vollkommen an das opportunistische Abkommen zwischen den Baathisten und den Stalinisten gehalten hatten!

Tatsache ist, dass die KP-Mitglieder aufgrund militärischer Gesetze hingerichtet wurden, die die irakische KP selbst diskutiert, für gut befunden und mitgetragen hat. Bis zum heutigen Tag hat die irakische KP noch nicht gefordert, dass diese Gesetze, die den Aufbau geheimer Zellen in der Armee verbieten, zurückgenommen werden. Kein einziges Mal hat sie in Zweifel gezogen, dass die verhafteten Offiziere der Vergehen (!)schuldig sind, die ihnen zur Last gelegt werden.

Es liegt auf der Hand, dass Moskau hier versuchte, Zellen in den irakischen Streitkräften aufzubauen, um das Regime zu untergraben. Jetzt muss es die Folgen tragen. ...

Es ist ein trotzkistisches Prinzip, dass wir alle Arbeiter, seien es Stalinisten, Revisionisten oder Sozialdemokraten, gegen Angriffe des kapitalistischen Staates verteidigen.

Aber das hat, wie die Tatsachen beweisen, mit den Ereignissen im Irak nichts zu tun. (ebd. S. 10)

Und als sei das noch immer nicht genug, warnte die Erklärung den Leser, der gegen die Hinrichtungen protestiert hatte, er solle „sich auf diese revolutionären Erwägungen stützen, wenn er nicht eine Schachfigur in der zynischen Verschwörung zwischen Stalinisten und Imperialisten im Nahen Osten werden“ wolle. (S. 10)