Herbe Verluste der Regierungsparteien in den französischen Kommunalwahlen

Die Parteien der Regierung der sogenannten Mehrheitslinken ( gauche plurielle) haben in den französischen Kommunalwahlen herbe Verluste erlitten, obwohl sie der gaullistischen Rechten Paris und Lyon abnehmen konnten.

Vor dem ersten Wahlgang vom 11. März sagten die Umfragen und Medienkommentatoren noch eine "rosa Welle" voraus, in der die Sozialistische Partei (PS), die Kommunistischen Partei (PCF), die Grünen, die Bürgerbewegung ( Mouvement des Citoyens - MDC) und die Bewegung der radikalen Linken ( Mouvement Radicale de Gauche - MRG), aus denen die Mehrheitslinke besteht, die Kontrolle über eine Reihe von wichtigen Städten und Rathäusern gewinnen würde.

Nach der zweiten Wahlrunde vom letzten Sonntag ist die Presse jedoch dazu übergegangen, von einer "blauen Welle" zu sprechen, in der die Gaullisten des Rassemblement pour la Republique(RPR), der Union Pour la Démocratie(UDF) und der Liberalen Demokraten (DL) ein viel besseres Ergebnis als vorausgesagt erreichten.

Die Sozialistische Partei von Premierminister Lionel Jospin hat die Kontrolle über eine Reihe von Großstädten und Kommunen an die rechte Opposition verloren. Umgekehrt waren es nur zehn Städte, die die Gaullisten an die Mehrheitslinken abtreten mussten. Die Regierungsparteien haben 23 Städte mit über 30.000 Einwohnern, darunter sechs mit über 100.000 Einwohnern verloren. Obwohl die Rechten im Fall von Paris und Lyon in verschiedenen Stadtbezirken eine Reihe von Sitzen verloren haben, konnten sie doch ihr Gesamtergebnis in beiden Städten leicht verbessern.

Fast alle Regierungsminister, die zur Wahl standen, wurden geschlagen. Die meisten Pressekommentatoren sind der Meinung, dass der Grund dafür, dass die Gaullisten Paris verloren haben - die Hauptstadt wird nun zum erstenmal von einem sozialistischen Bürgermeister regiert - und auch Lyon nicht halten konnten, hauptsächlich der tiefen Spaltung unter den rechten Parteien selbst geschuldet war und nicht einer wachsenden Unterstützung für die Koalitionsregierung. Darüber hinaus hatte der Kandidat der Sozialistischen Partei in Lyon im zweiten Wahlgang auch einen Flügel der Rechten aufgefordert, für ihn zu stimmen - was auch geschah.

Die PCF, bisher die zweitwichtigste Partei in Jospins Koalitionsregierung, hat ebenfalls zahlreiche Gemeinden verloren, darunter Nîmes, die einzige Stadt mit über 100.000 Einwohnern, die sie bisher regierte. Die PCF stellt nun nur noch in 31 Städten mit über 30.000 Einwohnern den Bürgermeister (von denen sich 22 in der Region Paris befinden); nach der letzten Kommunalwahl von 1995 waren es noch 41. Auch verlor die PCF die Kontrolle über eine ganze Reihe von kleineren Gemeinden, so dass sie aus einigen Gebieten ganz verschwunden ist. Sogar in den alten PCF-Hochburgen der Pariser Vorstädte, wo sie beträchtlichen Einfluss genoss, ist ihre Position erschüttert. Außerdem kontrolliert sie jetzt in der Île de France - im Großraum Paris - nur noch zwei Städte mit über 20.000 Einwohnern. Dabei machte die Kontrolle, die die Kommunistische Partei über die Rathäuser vieler mittelgroßer Städte ausübte, den Wesenskern ihrer politischen Bedeutung aus.

Die Grünen sind die einzige Partei der Mehrheitslinken, die in dieser Wahl hinzugewonnen haben. Die Grünen haben die Mehrheit in 15 Städten und in einem Stadtbezirk von Paris gewonnen, und in einer ganzen Reihe weiterer Städte sind sie zum erstenmal ins Rathaus eingezogen. Nachdem sie im ersten Wahlgang schon viele Stimmen gewonnen hatten, entschieden sich die Grünen, in vielen Städten, in denen sie früher ihre Kandidaten zugunsten der besser platzierten SP zurückgezogen hätten, diese auch in die zweite Runde zu schicken. Die Medien betrachten sie jetzt als zweitwichtigste Partei der Mehrheitslinken; und in Anbetracht dieser Tatsache haben die Grünen auf aggressive Weise von der Sozialistischen Partei bessere Posten und Konzessionen verlangt.

Die Rechtsextremen waren in der Lage, ihre Kontrolle über die Städte zu verteidigen, die sie in den Wahlen von 1995 erobert hatten - Orange, Vitrolles und Marignane - aber im Ganzen verschlechterte sich ihr Ergebnis gegenüber den letzten Wahlen. Während die Nationale Front (FN) 1995 noch in 185 Städten mit über 30.000 Einwohnern am zweiten Wahlgang teilnahm, hatten die FN und das abtrünnige Mouvement Nationale Republicain(MNR) nur in 41 von insgesamt 205 Städten dieser Größenordnung Kandidaten aufgestellt.

Was die Wahlbeteiligung in der ersten Runde betrifft, so haben die Analysen gezeigt, dass sich bei den traditionell gaullistischen Wählern ein höherer Prozentsatz an der Wahl beteiligte als im Lager der Mehrheitslinken. Laut einer Einschätzung enthielten sich 37 Prozent der Wähler aus dem Regierungslager der Stimme, während unter denjenigen, die mit den Rechten sympathisierten, 28 Prozent nicht zur Wahl gingen. Die Wahlenthaltung unter der Wählerschaft der Mehrheitslinken nahm im zweiten Wahlgang sogar noch um zwei Prozent zu.

Diejenigen, die im ersten Wahlgang für die Parteien stimmten, die von der französischen Presse als die "Linksextremen" bezeichnet werden - Lutte Ouvrière(Arbeiterkampf - LO), Ligue Communiste Revolutionnaire(kommunistischer revolutionärer Bund - LCR) und die Parti des Travailleurs(Arbeiterpartei - PT) - sowie auch die sogenannten "Bürgerlisten", zogen im zweiten Wahlgang ihre Kandidaten nicht zugunsten der Mehrheitslinken zurück, wie es in früheren Wahlen gemacht wurde. Dies war in Städten wie Toulouse und Straßburg der Fall, wo die Mehrheitslinke nicht auf die Wähler dieser Partei zählen konnte, wodurch schließlich die Rechte gewann.

Trotz ihrer Spaltung profitierten die Gaullisten von der andauernden Krise der Rechtsextremen, deren Stimmen sie in den meisten Fällen für sich verbuchen konnten. Die RPF ( Rassemblement pour la France), eine antieuropäische und französisch chauvinistische Partei, die oft mit den rechten Listen verbündet war (in Paris unterstützte sie den amtierenden Bürgermeister Jean Tiberi), fungierte als Brücke zwischen den Rechtsextremen und den Gaullisten. Die traditionell rechten Parteien haben es geschafft, mit einer aggressiven Kampagne für Recht und Ordnung große Teile der FN- und der MNR-Wählerschaft zurückzugewinnen.

Ein Blick auf die sozialen Hintergründe der Stimmenverteilung zeigt, dass die Regierungsparteien Stimmen unter den privilegierteren städtischen Schichten gewonnen haben. Dies begünstigte jedoch vor allem die Grünen. "Erfolg unter den städtischen Eliten und in den Hochburgen des höheren Managements, aber Niederlage in den Arbeiterstädten und in den Schlafstädten, das ist die Bilanz der Linken in der Regierung", schreibt ein Kommentator der französischen Tageszeitung Libération am Tag nach dem zweiten Wahlgang.

Dies ist kaum überraschend angesichts der Tatsache, dass während des ganzen Wahlkampfs sämtliche parlamentarischen Parteien sich weigerten, die sozialen Probleme der Arbeiterklasse auch nur zu erwähnen, und sich stattdessen an die Wirtschaft und an die privilegierten Schichten der oberen Mittelklasse wandten.

Aus diesem Grund war die Wahlenthaltung im allgemeinen in den Arbeiterbezirken höher und besonders hoch unter der Jugend. Besorgt über die wachsende Entfremdung breiter Bevölkerungsschichten von der Regierung sprechen nun viele Kommentatoren von einem "Bruch zwischen dem Volksvotum und der pluralen Linken".

Die Unzufriedenheit des "Volksvotums", oder besser gesagt der Arbeiterklasse mit der Mehrheitslinken hat seit 1997, als Jospin an die Macht kam, erheblich zugenommen. Damals hatte Jospin versucht, die Stimmen der Arbeiterklasse zurückzugewinnen, und gerade dies war die wichtigste Funktion der PCF in der Koalition.

Die Kommunalwahlen finden unter Bedingungen statt, wo die politische Landschaft immer mehr in zwei Teile auseinander bricht. Keine einzige der Parteien, die an der Wahl teilnahmen, war in der Lage, in irgend einer Wahl der vergangenen sechs Jahre mehr als 25 Prozent der Stimmen zu gewinnen. Die schweren Verluste der PCF werden deren Krise noch verschärfen und ihre Desintegration beschleunigen; eine Neugründung der Stalinisten unter dem Namen Neue Kommunistische Partei (NPC) ist für Oktober diesen Jahres geplant.

Nach den diesjährigen Wahlen steckt die Jospin-Regierung mehr denn je in der Krise. Die Koalition steht vor einer Erschütterung, weil Jospin nicht bereit ist, sich noch länger auf die PCF zu stützen, die selbst zutiefst gespalten ist. Während die Grünen 1997 nur eine Hilfskraft darstellten, sind die Umweltschützer jetzt zur zweiten Partei einer regierenden Koalition aufgestiegen.

Siehe auch:
Die Kommunalwahlen in Frankreich
(17. März 2001)
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