Frankreich: Sozialistische Partei stellt rechtes Wahlprogramm vor

Inmitten der sich ausweitenden Krise der gaullistischen Regierung unter Präsident Jacques Chirac und Ministerpräsident Dominique de Villepin hat die französische Sozialistische Partei ihren Programmentwurf für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr vorgestellt.

Während die Gaullisten von Massenprotesten erschüttert wurden und die Chirac-Villepin-Regierung von einem Skandal zum nächsten taumelt, präsentiert sich die Sozialistische Partei als loyale Verteidigerin der Interessen der Wirtschaft. Das Wahldokument soll beweisen, dass die Interessen des französischen Imperialismus in sicheren Händen sind, falls die Sozialistische Partei den nächsten Präsidenten stellen und die kommende Regierung anführen sollte.

Zwar finden sich in dem Programmentwurf einige Lippenbekenntnisse, "Ungleichheit zu bekämpfen, Reichtum umzuverteilen, das ökologische Gleichgewicht zu wahren, kurz: die Gesellschaft zu verändern". Doch unter diesem dünnen Lack vertritt das Programm eine neokolonialistische und militaristische Außenpolitik als Antwort auf zunehmende internationale Spannungen und fordert eine verstärkte staatliche Repression im Innern als Antwort auf den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse, die sich gegen die Angriffe auf ihre Rechte und Lebensbedingungen wehrt.

Das Dokument wird nun in den Ortsvereinen diskutiert, daran schließt sich eine Abstimmung unter der Mitgliedschaft und auf dem Parteitag am 1. Juli an. Auf dem Parteitag werden ebenfalls die Kandidaten für die Nationalversammlung aufgestellt.

Die Sozialistische Partei hat bislang noch keinen Präsidentschaftskandidaten benannt, aber es gibt eine ganze Reihe von Bewerbern. Der Programmentwurf, der von der Parteispitze vorgestellt wurde, macht jedoch deutlich, dass unabhängig vom Ausgang des Verfahrens der Kandidat oder die Kandidatin auf jeden Fall ein durchgängig rechtes Programm vertritt.

Die Führung füllt die Ränge der Partei derzeit mit neuen, unerfahrenen und vorwiegend aus den Mittelschichten stammenden Mitgliedern. Während die Mitgliedschaft zum Zeitpunkt der letzten Erhebung insgesamt 135.000 Personen umfasste, berichtet die Partei über einen Ansturm auf Mitgliedsanträge zu vergünstigten Konditionen, die über das Internet erhältlich sind. Diese neuen Mitglieder werden bereits über den Programmentwurf abstimmen dürfen.

Nationalismus und Angriffe auf Einwanderer

Das auffälligste Merkmal des Dokuments ist sein uneingeschränkter Nationalismus. So heißt es darin beispielsweise: "Frankreich ist ein großes Land, das auf seine universelle Botschaft stolz ist. [...] Französische Männer und Frauen scheuen nicht Exzellenz noch Wettbewerb."

Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise, die das Land ergriffen hat, wird ausschließlich vom Standpunkt der Wirtschaftselite angegangen. Das Programm betont, Frankreich leide unter "einem dramatischen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und [...] einem besorgniserregendem Niveau öffentlicher Verschuldung". Die Antwort der Sozialistischen Partei auf diese Probleme unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von dem, was auch jede andere große bürgerliche Partei in Europa anzubieten hat: "Wir wollen ein Wirtschaftswachstum, das mit Wohlstand und einer Umverteilung des Reichtums einhergeht, mit einem Verantwortungsbewusstsein gegenüber kommenden Generationen verbinden."

Diese Worte haben eine klare Bedeutung. "Wirtschaftswachstum" und "Wohlstand" sind Stichworte für eine Politik des "freien Marktes" und Angriffe auf Arbeitsbedingungen und Löhne. "Verantwortungsbewusstsein gegenüber kommenden Generationen" ist ein Euphemismus für Kürzungen bei den Sozialausgaben. Die Anspielung auf eine Umverteilung des Reichtums findet sich im Text, um Wähler aus der Arbeiterklasse irrezuführen.

Angesichts der Konzentration auf die "Größe" Frankreichs und der Sorgen um die französische Wirtschaft kann es nicht verwundern, dass das Dokument das Schicksal von Arbeitern in anderen Ländern und Erdteilen nicht einmal erwähnt, die durch die transnationalen Konzerne und unterwürfigen Regierungen in Armut gestoßen und gesellschaftlich benachteiligt werden.

Stattdessen will die Sozialistische Partei mit dem wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten der Gaullisten und jetzigen Innenminister Nicolas Sarkozy mithalten, indem sie eine ideologische Offensive gegen Einwanderer führt. Auch wenn einige Spitzenvertreter der Sozialistischen Partei im vergangenen Frühjahr an Demonstrationen gegen Sarkozys Einwanderungsgesetz teilnahmen, vertritt der Programmentwurf eine Politik, die sich rigoros gegen Einwanderer richtet. "Wir werden eine Politik der Strenge gegen illegale Einwanderung umsetzen", erklärt das Dokument und fordert mehr Ressourcen für die Aufsichtsbehörden und strengere Strafen gegen Arbeitgeber, die Arbeiter ohne Papiere anheuern.

Weiterhin wird die Beibehaltung der derzeitigen Politik versprochen, Herkunftsländer zur Rücknahme der in Frankreich unerwünschten Einwanderer und Transitländer zur Sperrung der Migrationsrouten zu überreden. In der Praxis bedeutet dies den Tod von tausenden Menschen, die Armut und Unterdrückung zu entfliehen versuchen, insbesondere von afrikanischen Bootflüchtlingen.

"Wir werden eine individuell angepasste Politik für die erfolgreiche Integration von Einwanderern betreiben", erklärte Parteichef François Hollande in der Fernsehsendung "Ca se discute". Die Sozialistische Partei werde die Einwanderer nicht en masse legalisieren, fügte er hinzu, sondern vielmehr von Fall zu Fall entscheiden. Dies geht notgedrungen mit einer heftigen Überwachung und Durchleuchtung der Einwanderer durch Polizei und Staatsapparat einher.

Hollande erklärte weiter, dass eine Regierung unter Führung der Sozialistischen Partei "eine Europapolitik initiieren wird, um eine einheitliche gemeinsame Polizeitruppe an den Grenzen der [Europäischen] Union zu schaffen". Mit anderen Worten: Sie würde die Festung Europa weiter ausbauen und sich damit direkt gegen Einwanderer richten.

Unterdrückung der Jugend

Noch vor kurzem hatte die Sozialistische Partei (zumindest in Worten) anerkannt, dass das Problem der Jugendkriminalität auf soziale Wurzeln zurückgeht und nur an diesen gepackt werden kann. Dies ist nicht länger der Fall. Nun gilt es der Partei als kriminelles Verhalten, wenn sich Unruhe unter arbeitslosen, aus verarmten Einwanderervierteln stammenden Jugendlichen breit macht, die jeden Tag mit Polizeibrutalität und -provokationen konfrontiert sind. Die Antwort der Partei auf die "Jugendkriminalität" ist nackte Repression.

"Für die Sozialisten genießen Gesetz und Ordnung Priorität", erklärt der Programmentwurf. Unübersehbar sind die Anleihen beim britischen Premierminister Tony Blair, der mit der Formulierung hervortrat, er werde "hart gegen Kriminalität und hart gegen die Ursachen der Kriminalität" vorgehen. Daran angelehnt verspricht das Dokument: "Wir werden eine Politik der Strenge gegen Kriminalität und ihre Ursachen betreiben".

Es befürwortet eine Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Polizei und Kommunalbehörden und fordert, dass ein Teil der Sozialleistungen für Eltern von straffälligen Kindern von Treuhändern verwaltet wird, die von einem Gericht benannt werden und entscheiden, wofür das Geld verwendet wird. Diese Idee stammt von Ségolène Royal, die als Präsidentschaftskandidatin der Sozialistischen Partei antreten möchte. Sie hat zudem vorgeschlagen, aufsässige Jugendliche ins Militär zu stecken.

Der Programmentwurf weist in die gleiche Richtung, auch wenn er den Vorschlag mit dem Militär nicht direkt aufgreift. Er fordert die Schaffung von mehr "classes-relais" (Internaten für unbändige Schüler) und befürwortet "ein kontinuierliches Handeln durch frühes Eingreifen und Bestrafen".

Das Programm spricht sich für eine umfassendere Zusammenarbeit zwischen Sozialbehörden und Polizei sowie für verschiedene Initiativen aus - "Erziehungszentren", "Ausbildungswerkstätten", "Strafen in Form von gemeinnütziger Arbeit" - um "einer friedlichen Beziehung zwischen Jugend und Polizei" den Weg zu bahnen.

Da sie keine Antwort auf das Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit weiß, schlägt die Sozialistische Partei eine Art Arbeitsdienst für alle Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren vor. Sie will einen sechsmonatigen "Zivildienst" schaffen, den jeder in dieser Altersgruppe ableisten muss.

Seit etwa 20 Jahren hat Frankreich eine Arbeitslosenquote unter Jugendlichen von 20 bis 25 Prozent. Anstatt feste und anständig bezahlte Arbeitsstellen sowie angemessene Wohnungen zur Verfügung zu stellen, so dass junge Arbeiterinnen und Arbeiter ein eigenständiges Leben beginnen und eine Familie ernähren können, will die Sozialistische Partei sie mit Zwangsarbeit versorgen.

Der "Zivildienst" soll "gemeinnützige Dienste für die Nation" umfassen und ein "Gefühl der Zugehörigkeit und Identität schaffen". Dazu gehören könnte auch ein Militärdienst oder, wie es das Programm ausdrückt, "ein Verteidigungselement im obligatorischen Zivildienst für alle Jugendlichen unter 25".

Keine Erwähnung findet bezeichnenderweise das Antiterrorgesetz von Innenminister Sarkozy, und somit fehlen auch Forderungen, es zurückzunehmen. Als die Nationalversammlung am 9. Dezember 2005 das Gesetz annahm, hatten sich die Abgeordneten der Sozialistischen Partei enthalten.

Das Gesetz bedeutet einen umfassenden Angriff auf die Freiheitsrechte. Es ermächtigt den Staat, sämtliche Telefon- und Internetverbindungen zu überwachen, und verpflichtet Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider zur Kooperation mit den staatlichen Behörden. Die Macht der Präfekten, der regionalen Vertreter des Innenministeriums, wurde erweitert, so dass sie die Installation Überwachungskameras an öffentlichen Gebäuden, unter anderem auch Gotteshäusern wie Moscheen, anordnen können.

Diese Polizeistaatsmaßnahmen haben keine Kontroverse innerhalb der Führung der Sozialistischen Partei ausgelöst.

Militarismus

Die Notwendigkeit, der Jugend Nationalismus und Chauvinismus einzuimpfen, ergibt sich aus den außen- und militärpolitischen Zielen, die im Programmentwurf umrissen werden.

Ein Abschnitt mit der Überschrift "Frankreich in Europa und der Welt erfolgreich machen" beginnt mit folgendem Satz: "Frankreich hat in der Welt eine große Rolle zu spielen, aber heute schwindet der französische Einfluss". Das Programm betont "das Auftreten Chinas und Indiens als politische und wirtschaftliche Großmächte in Asien" und spricht von "derzeitigen und zukünftigen Konflikten um Energie", "der Existenz des globalen Terrorismus" und "scharfen Widersprüchen der amerikanischen Hypermacht".

Das Dokument schweigt zu der militärischen und logistischen Unterstützung, die die französische Regierung den Vereinigten Staaten und ihren Alliierten in Afghanistan und im Irak gewährt, und zeigt damit die Zustimmung der Sozialistischen Partei zu dieser Politik.

Die Sozialistische Partei hat eine lange Geschichte der aktiven Unterstützung für den französischen Kolonialismus, die bis zum Algerienkrieg und weiter zurück reicht. Wie schon unter der Präsidentschaft von François Mitterand (1981-1995) ist die Sozialistische Partei nur allzu bereit, die Interessen des französischen Imperialismus in Afrika und der ganzen Welt zu verteidigen. Weil Frankreich allein zu schwach ist, um militärisch mit den Vereinigten Staaten im Kampf um die Ressourcen des Planeten mitzuhalten, setzt die Sozialistische Partei auf die europäischen Verbündeten.

Das Programm drängt auf Unabhängigkeit von der amerikanisch dominierten NATO und erklärt: "Frankreichs Verteidigungspolitik beinhaltet eine entschlossene Teilnahme an einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit starker Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern. [...] Diese Perspektive ist für die Zukunft viel versprechender als die NATO. Sie muss zu einer Normalisierung unserer militärischen Beziehungen zu afrikanischen Ländern führen und dabei zwei Imperative berücksichtigen: europäische Partnerschaft, den Willen der afrikanischen Bevölkerung. " (Betonung im Original)

Der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Laurent Fabius (1984-1986) sprach kürzlich davon, die französische und die deutsche Armee zusammenzuführen. Der Programmentwurf befürwortet "die Einrichtung einer Rüstungsbehörde, [für die] das Dreieck Frankreich / Deutschland / Großbritannien die treibende Kraft sein kann".

" Abrüstung steht außer Frage ", betont das Programm der Sozialistischen Partei und besteht auf den französischen Besitz von Atomwaffen: " Die nukleare Abschreckung muss Teil der Logik bleiben, um Aggression gegen uns und unsere Partner in der EU zu verhindern " (Betonung im Original). Hier zeigt die Sozialistische Partei ihr Bestreben, dem französischen Imperialismus durch die Mitgliedschaft im Club der Atommächte einen Vorteil in Europa zu verschaffen.

Renten, Arbeitslosigkeit und Sozialleistungen

Der verlogene Charakter der mageren und vagen Versprechen sozialer Reformen im Programm zeigt sich exemplarisch an dem Vorschlag, das Recht auf Verrentung mit 60 Jahren beizubehalten, ohne dass auf die Fragen des Rentenniveaus und des Arbeiternehmerbeitrags zu den Renten näher eingegangen wird. Es bleibt lediglich bei der Feststellung, dass hier "breite Verhandlungen" notwendig seien.

Es handelt sich dabei um eine Schlüsselfrage für die Sozialistische Partei. Bei einem Treffen der EU-Staatschefs in Barcelona 2002, kurz vor der letzten Präsidentschaftswahl, unterstützten Präsident Chirac und der damalige sozialistische Ministerpräsident Lionel Jospin in Übereinstimmung mit der Lissabon-Agenda die Politik, Rentenansprüche einzuschränken und das Rentenalter anzuheben. Dieser Angriff auf die Arbeiterklasse war ein wichtiger Faktor, der zu Jospins anschließender Wahlniederlage beitrug.

"Breite Verhandlungen" kann nur bedeuten, dass eine von der Sozialistischen Partei geführte Regierung gemeinsam mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden Maßnahmen ausheckt, um die Zahlungen aus der Rentenkasse zu senken. Die Spitze der Sozialistischen Partei ist sich bewusst, dass sie sich zur Lissabon-Agenda verpflichtet hat, mit der die EU "zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt" werden soll, und dass jedes neue Rentengesetz eine Anhebung des Rentenalters, höhere Rentenabgaben auf die Löhne und Rentenkürzungen bedeuten wird.

Der Programmentwurf schlägt in Einklang mit der EU-Praxis die Einrichtung einer jährlichen Dreiparteienkonferenz vor, an der die Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften teilnehmen und "deren Ziel in der Diskussion von Orientierungsmarken und Vorschlägen bezüglich der Lohnpolitik besteht".

Der Programmentwurf erklärt "das Erreichen von Vollbeschäftigung bis 2012" zum Ziel und führt die üblichen Lösungen wie die Ausweitung des Niedriglohnsektors und Steueranreize für Unternehmen an, die seit mehr als 20 Jahren nicht dazu beitragen, die Arbeitslosenquote deutlich unter 10 Prozent zu drücken.

Nur zwei Tage nach der Vorstellung des Programms erklärte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Hollande einem Interviewer in der Fernsehsendung "Ca se discute", dass das Ziel tatsächlich ein wenig bescheidener sei und die Arbeitslosigkeit nur auf fünf Prozent gesenkt werden solle. Er machte deutlich, dass es keine Gesetzte gegen Entlassungen geben werde, aber dass gesunde Firmen, die Arbeitsplätze vernichten, um ihre Profite zu steigern, eventuell Strafen zu erwarten hätten. Auf die Frage, was einer Regierung der Sozialistischen Partei für einen 56-jährigen Arbeitslosen tun würde, wusste Hollande keine Antwort und äußerte lediglich sein Mitgefühl für den Fragesteller.

Der zynische Charakter der sozialen Reformversprechen im Programm zeigt sich deutlich an der Tatsache, dass die Finanzierung keines einzigen Vorschlags im Detail dargelegt wird.

Lionel Stoleru, ein ehemaliger Staatssekretär in der Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Michel Rocard (1988-1991), erklärte in einem Beitrag für die Tageszeitung Le Monde am 10. Juni, wie "allgemein bekannt" sei, stehe es im Falle einer Regierungsübernahme der Linken "außer Frage", dass sie über die Mittel verfüge, um "ihre Wahlversprechen umzusetzen".

Er fuhr fort: "Die Linke wird wie die Rechte in einer Marktwirtschaft regieren, außer sie verlassen die Europäische Union, schließen die Grenzen, verstaatlichen Unternehmen. [...] Niemand wird das tun. Es ist nicht wahr, dass die Linke [den nationalen Energiekonzern] EDF nach 2007 wieder verstaatlichen wird; es ist nicht wahr, dass sie die Rentengesetze zurücknimmt."

Ein Artikel, der am 16. Juni in der Tageszeitung Le Figaro erschien, macht deutlich, dass die Anwärter für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei sich schnell von den mageren Versprechungen des Dokuments frei machen, dass sie gerade erst abgesegnet haben: "Dominique Strauss-Kahn möchte aus den Vorschlägen ‘eine Auswahl treffen’, Jack Lang hält sie für ‘unzureichend’ und Ségolène Royal erklärt ein weiteres Mal, dass sie sich ihre ‘Redefreiheit’ bewahrt. [...] ‘Das soziale Wohnungsbauprogramm scheint sehr teuer zu sein, wir müssen seine gesellschaftliche Effektivität überprüfen’, sagen beispielsweise die Kreise rund um die Präsidentschaftsanwärter."

Strauss-Kahn erklärt zur erneuten Überführung der EDF in staatlichen Besitz: "Es wird zweifellos wichtigere Vorhaben als dieses geben." Ségolène Royal "hat ihre Idee der Militäraufsicht [von straffälligen Jugendlichen] noch nicht vollständig aufgegeben: Sie betont weiterhin mit Freude, dass wir uns für die uniformierten Berufe nicht zu schämen brauchen."

Bezeichnenderweise hat die Kommunistische Partei, die auf ein Wahlbündnis und eine Regierungskoalition mit der Sozialistischen Partei hofft, keine Kritik am Programmentwurf veröffentlicht. In einem Artikel vom 9. Juni führte die KP-Zeitung l’Humanité lediglich alle "positiven" Elemente auf, ohne auf den verlogenen Charakter der im Programm enthaltenen Versprechen einzugehen.

Rouge, die Zeitung der "linksextremen" Ligue Communiste Révolutionaire (LCR), und Lutte Ouvrière kritisieren zwar einige Unzulänglichkeiten der sozialpolitischen Vorschlägen im Programmentwurf, ignorieren aber die antidemokratischen Dimensionen des Dokuments und die militaristische und ausländerfeindliche Politik, die darin vertreten wird. Olivier Besancenot, der Sprecher der LCR, schließt zwar derzeit ein Wahlbündnis mit der Sozialistischen Partei aus, versicherte aber gegenüber Hollande: "Es gibt eine Menge Dinge, die wir zusammen machen können."

Siehe auch:
Frankreich: Mögliche Präsidentschaftskandidatin der Sozialistischen Partei will aufsässige Jugendliche ins Militär stecken
(17. Juni 2006)
Die Sozialen Bewegungen in Frankreich: Politische Lehren aus zehn Jahren (Teil 1)
( 27. Mai 2006)
Die Sozialen Bewegungen in Frankreich: Politische Lehren aus zehn Jahren (Teil 2)
( 30. Mai 2006)
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