Warum die UAW und die Demokraten Wirtschaftsnationalismus schüren

Es ist kein Geheimnis, dass die Pläne eines Rettungspakets für die amerikanischen Autohersteller nackten Klasseninteressen dienen. Die Krise der Großen Drei wird als günstige Gelegenheit ergriffen, um die Autoarbeiter in Armut und Ausbeutung zurückzutreiben, wie es sie seit der Großen Depression nicht mehr gegeben hat.

Die Kredite aus Washington, die einen unmittelbar drohenden Bankrott von GM und Chrysler abwenden sollen, sind an Bedingungen geknüpft, die Massenentlassungen und massive Lohnsenkungen bedeuten. Die Löhne der Arbeiter sollen auf ein Niveau abgesenkt werden, das real weniger als der Hälfte der Löhne ihrer Väter und Großväter vor vierzig Jahren entspricht. Dahinter stehen ausgerechnet jene Politiker beider Wirtschaftsparteien, die zuvor der Wall Street Billionen Dollars ohne jede Bedingung überreicht haben. An diesem Angriff auf die Autoarbeiter ist auch die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) aktiv beteiligt.

Der Zorn der Autoarbeiter auf die Politiker, die Konzerne und die UAW-Führung wächst von Tag zu Tag. Die Demokratische Partei und die UAW versuchen deshalb gemeinsam, ökonomischen Nationalismus zu schüren. Sie versuchen, Arbeiter in den Fabriken der Großen Drei gegen ihre Kollegen aufzuhetzen, sowohl gegen jene, die bei ausländischen, nicht gewerkschaftlich organisierten Herstellern in den USA arbeiten, als auch gegen Autoarbeiter in aller Welt. Das ist eine reaktionäre Ablenkung. Sie verfolgt das Ziel, die Arbeiter politisch zu entwaffnen, sie hinter "ihren eigenen" Unternehmern zu sammeln und einen effektiven Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und des Lebensstandards zu verhindern.

Vergangene Woche lehnte der Senat das Kreditpaket ab, das von der Bush-Regierung, den Demokraten und der UAW unterstützt wurde. Auch dieses Paket sah schon massiven Arbeitsplatzabbau und die Senkung von Löhnen und Sozialleistungen vor. Daraufhin wütete die Gouverneurin von Michigan, Jennifer Granholm, eine enge Verbündete von Barack Obama, gegen das "unamerikanische" Verhalten der Republikaner im Senat, die den Beschluss blockiert hatten. Jene, die gegen den Gesetzentwurf gestimmt hätten, "schützen ausländische Konzerne in unseren Grenzen" schimpfte sie. "Sie handeln nicht als Amerikaner."

In ähnlicher Weise äußerten sich mehrere Demokratische Politiker und die UAW-Führung. In einem Fernsehinterview auf PBS verurteilte UAW-Präsident Ron Gettelfinger letzte Woche die Republikaner im Senat für ihre Unterstützung "ausländischer Marken" und die "Subventionierung der Konkurrenz" mit Steuergeldern. Er fügte hinzu: "So können wir als Land nicht konkurrieren."

Der Versuch, "Ausländer" für die Krise verantwortlich zu machen, zeigt eine gewisse Wirkung, weil die Großen Drei schon Massenentlassungen angekündigt haben und die Weihnachtsferien in der Produktion auf bis zu vier Wochen ausdehnen, und weil die Arbeitslosigkeit in Michigan auf 9,6 Prozent gestiegen ist. Die Polizei von Woodhaven, einem Vorort von Detroit, berichtete am Freitag über zerstochene Reifen an fünf Autos japanischer und deutscher Hersteller. Auf die Autos wurde "Kauft amerikanisch!" gesprüht. Das Ganze fand auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums neben einem Ford-Werk statt.

Autoarbeiter haben schon lange und bittere Erfahrungen mit dem chauvinistischen Gift nach dem Motto "Amerika Zuerst" gemacht, das von der UAW-Bürokratie und der Demokratischen Partei verbreitet wird. Vor fast dreißig Jahren initiierte die UAW während der Rettungsaktion für Chrysler gemeinsam mit Vorstandschef Lee Iacocca eine Fähnchen schwenkende Kampagne unter dem Slogan "Kauft Amerikanisch!". Es war der Auftakt von Lohn- und Sozialleistungskürzungen, die seit dreißig Jahren nicht abbrechen.

Die Beschimpfung Japans und Deutschlands, die Aufkleber mit dem Spruch, "Vergesst Pearl Harbour nicht", und die Zerstörung von Toyotas und Datsuns mit Vorschlaghämmern auf jedem UAW-Parkplatz gingen mit einer immer engeren Einbindung der Gewerkschaft in die Managementstrukturen einher. Der damalige UAW-Präsident Douglas Fraser wurde sogar in den Aufsichtsrat von Chrysler berufen.

Wirtschaftsnationalismus ging Hand in Hand mit Korporatismus. Die UAW entwickelte den Standpunkt, dass die Arbeiter keine eigenen, von den Autobossen unabhängigen Interessen hätten. Im Namen der "Labor-Mangement-Partnerschaft" unterdrückte die Gewerkschaft alle Kämpfe gegen Betriebsschließungen, Lohnsenkungen und die Beschleunigung des Arbeitstempos. Sich gegen Zugeständnisse zu wehren, unterminiere die "Konkurrenzfähigkeit" amerikanischer Autokonzerne, argumentierte die UAW, und begünstige ausländische Firmen.

Der Chauvinismus und Asien feindliche Rassismus der UAW wird für immer mit einer der schändlichsten Episoden in der Geschichte der amerikanischen Arbeiterbewegung verbunden sein: Im Juni 1982 wurde der junge Amerikaner chinesischer Abstimmung Vincent Chin in Highland Park bei Detroit von einem Chrysler-Vorarbeiter und seinem gerade entlassenen Stiefsohn zu Tode geprügelt.

Der Wirtschaftnationalismus der UAW hat den Autoarbeitern nichts als Katastrophen beschert. Seit 1979 sind mehr als 600.000 Arbeitsplätze bei General Motors, Ford und Chrysler vernichtet worden, und es wird fast nur noch über Zugeständnisse verhandelt.

Für die Gewerkschaftsbürokratie stellt sich die Sache anders da. Sie hat von Sonderfonds der Firmen für die Gewerkschafter und von gemeinsamen Investitionsplänen profitiert. Obwohl die Gewerkschaft Zweidrittel ihrer Mitglieder verloren hat, waren die Funktionäre in der Lage, ihre Einkommen zu erhöhen. Im vergangenen Jahr erhielt sie die Kontrolle über den mit vielen Milliarden Dollar ausgestatteten Gesundheitsfond der Rentner und über eine riesige Menge Firmenaktien. Im Gegenzug stimmte sie der Halbierung der Löhne für neu eingestellte Beschäftigte zu.

Die Autoproduktion ist die weltweit am meisten integrierte Produktion. Sie nutzt die Fähigkeiten von Millionen Menschen in Dutzenden Ländern. Es gibt in Wirklichkeit keinen wirklich "nationalen" Autokonzern mehr. Chrysler produziert in seinen amerikanischen Werken Minivans für Volkswagen; GM baut Autos gemeinsam mit ortsansässigen chinesischen Produzenten; die "schwedische Autofirma" Volvo gehört Ford.

Der Feind der amerikanischen Autoarbeiter ist nicht der Arbeiter in einem andern Land, oder der Arbeiter, der bei einem ausländischen Konzern in Alabama, Mississippi oder Tennessee arbeitet. Überall auf der Welt verlieren Hunderttausende von Autoarbeitern aufgrund des Bankrotts des kapitalistischen Profitsystems ihre Arbeitsplätze. Der Widerstand der Arbeiter wächst international. Gegen Entlassungen protestieren Nissan-Arbeiter in Spanien wie Renault-Arbeiter in Frankreich, und in Deutschland ist ein Autozulieferer besetzt worden.

Alle Errungenschaften der Autoarbeiter wurden nicht auf der Grundlage von Nationalismus erkämpft, sondern durch den Kampf für die Solidarität aller Arbeiter gegen die Konzerne und die Regierungen. Die UAW wurde in den Massenkämpfen der 1930er Jahre als internationale Gewerkschaft gegründet, in der amerikanische und kanadische Arbeiter organisiert waren.

Die klassenbewusstesten Arbeiter, die die Besetzungsstreiks anführten - viele von ihnen Sozialisten - kämpften gegen alle Formen von Rassismus und Nationalismus, mit denen die Konzerne die Arbeiterklasse zu spalten und zu schwächen versuchten. Die Wiederbelebung des Klassenkampfs hängt heute von einem kompromisslosen Kampf gegen Nationalismus und für die internationale Einheit der Arbeiterklasse ab.

Die nationalistische Logik der UAW beinhaltet Militarismus und Krieg. Immer häufiger haben führende Demokraten in den letzten Wochen die Bundeshilfen für die Autoindustrie mit der "nationalen Sicherheit" der USA in Verbindung gebracht, d.h. mit ihrer Fähigkeit, sich schnell für einen Krieg zu bewaffnen. In einer Rede im Senat argumentierte der führende Senator aus Michigan, Carl Levin, vergangene Woche, diese Industrie sei entscheidend für die Entwicklung gepanzerter Fahrzeuge, für die Robotik und für andere kriegswichtige Technologien: "Dies sichert unseren Soldaten die Überlegenheit auf dem Schlachtfeld."

Dieses Thema wurde auch von "linken" Stützen der UAW-Bürokratie aufgegriffen. In einem gemeinsamen Kommentar argumentierten Mark Brenner von der Detroit News und Jane Slaughter von Labor Notes für ein Rettungspaket der Regierung. Sie wiesen darauf hin, dass "Detroit, das Arsenal der Demokratie, 1941 innerhalb weniger Wochen die Produktion von Autos auf Panzer umstellte".

Es ist eine historische Tatsache, dass die letzte globale Wirtschaftsrezession in einen Weltkrieg mit hundert Millionen Toten mündete. Die imperialistischen Mächte kämpften um die Kontrolle über Märkte, Rohstoffe und billige Arbeitskräfte. Hinter der nationalistischen Demagogie der Politiker und ihrer Helfer in der Gewerkschaftsbürokratie bereitet sich heute noch wesentlich Schlimmeres vor.

Die Ereignisse in den USA und überall auf der Welt beweisen, dass die Gesellschaft grundlegend nicht nach Nationalität, Hautfarbe oder Religion, sondern in Klassen gespalten ist. Die Autoarbeiter in den USA haben die gleichen Probleme und sehen sich den gleichen Angriffen gegenüber, wie ihre Kolleginnen und Kollegen in aller Welt. In jedem Land versucht die Wirtschafts- und Finanzelite die volle Last des Scheiterns ihres Wirtschaftssystems der Arbeiterklasse aufzuhalsen.

Die Autoarbeiter sind mit einer globalisierten Wirtschaft konfrontiert, die von global operierenden Konzernen und Banken beherrscht wird. Gemeinsam mit allen andern Arbeiterschichten müssen sie ihre eigene globale Strategie zur Verteidigung ihrer unabhängigen Klasseninteressen entwickeln. Das bedeutet, sie müssen für die internationale Einheit der Arbeiter eintreten. Sie müssen für den Sturz des bestehenden Systems kämpfen, denn dieses ordnet die gesellschaftlichen Bedürfnisse den Profitinteressen der Monopolisten unter, die die Produktionsmittel kontrollieren. Die Schaffung eines egalitären Systems ist notwendig, das sich auf öffentliches Eigentum an der großen Industrie und den Banken unter demokratischer Kontrolle der Arbeiterklasse stützt: Mit andern Worten, notwendig ist der Aufbau des Sozialismus.

Siehe auch:
Autoarbeiter brauchen eine sozialistische Strategie
(18. Dezember 2008)
Lehren aus der Betriebsbesetzung in Chicago
( 13. Dezember 2008)
American Axle Chef Dauch und das "Recht" auf Privateigentum
( 5. April 2008)
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