Fünfter Todestag von Ernst Schwarz (1957 - 2001)

Als Sozialist war Ernst Schwarz überzeugter Internationalist

Ernst SchwarzVor fünf Jahren, am 13. Januar 2001, starb Ernst Schwarz, Stahlarbeiter, überzeugter Internationalist und langjähriges Mitglied der Partei für Soziale Gleichheit. Er erlag im Alter von nur 43 Jahren einem Herzinfarkt. Wer ihn kannte, erinnert sich an ihn als einen konsequenten Trotzkisten, der die Verteidigung politischer Prinzipien mit menschlicher Solidarität verband.

Ernst Schwarz hatte sich schon mit 17 Jahren als Schlosserlehrling im Ruhrgebiet der Vierten Internationale angeschlossen. Nachdem er fast fünfzehn Jahre lang als Monteur auf Arbeitsstätten in Südafrika, Saudi-Arabien und Amerika verbracht hatte, setzte er sich während seiner letzten zehn Lebensjahre, von 1991 bis 2001, erneut aktiv für die Vierte Internationale und deren deutsche Sektion, die Partei für Soziale Gleichheit, ein.

Als die Vierte Internationale im November 1991 unmittelbar nach dem ersten Golfkrieg eine Internationale Arbeiterkonferenz in Berlin organisierte, trat Ernst Schwarz als Redner auf. Er sprach über den Klassencharakter des Kriegs und über die Bedeutung eines sozialistischen Programms im Kampf gegen imperialistischen Krieg und Kolonialismus. Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Sowjetunion beteiligte er sich an zahlreichen Diskussionen über den Charakter der stalinistischen Bürokratie, deren Rolle beim Aufstieg des deutschen Faschismus der dreißiger Jahre ihn immer beschäftigt hatte.

Der Kampf für die intentionale Zusammenarbeit der Arbeiter bildete einen Eckpunkt in den politischen Überzeugungen von Ernst Schwarz. 1992 nahm er an einer Wahlkampagne der britischen Sektion der Vierten Internationale teil und besuchte in Sheffield mehrere Fabriken, wo er mit Stahl- und Metallarbeitern über die notwendige internationale Zusammenarbeit der Arbeiterklasse diskutierte.

Julie Hyland, Mitglied im Vorstand der britischen SEP, war damals dabei. Auf einer Gedenkveranstaltung nach Ernsts Tod sprach sie über ihren damaligen Eindruck: "Wir gingen gemeinsam zu zahlreichen Fabriken und Betrieben in Sheffield, auch zu den wenigen verbliebenen Stahlwerken.... Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er mit festen Schritten mitten in die Werkskantinen ging und sich zu den Arbeitern setzte, die dort aßen und sich unterhielten.

Ernst sprach sie ohne weitere Umstände an.... Er betonte, dass Arbeiter rund um die Welt dieselben Probleme hätten und eine internationale Strategie bräuchten. ‚Worin besteht der Unterschied zwischen uns?‘, fragte er seine verblüfften Zuhörer. ‚Ich bin ein deutscher Arbeiter, der von Kapitalisten ausgebeutet wird. Ihr seid britische Arbeiter, die auch von Kapitalisten ausgebeutet werden. Es gibt keinen Unterschied zwischen uns‘."

Heute - fünf Jahre später - nachdem die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer tagtäglich stattfindet und ständig Belegschaften gegeneinander ausgespielt werden, stellt sich diese Notwendigkeit einer internationalen Strategie der Arbeiter mit großer Dringlichkeit.

1998 beteiligte sich Ernst Schwarz an einem Marxismus-Seminar der Vierten Internationale in Sydney, Australien. Auch hier gewann er durch seine offene und prinzipielle Art zahlreiche neue Freunde, die sich noch heute an ihn erinnern.

An seinem Arbeitsplatz in der Sinteranlage der zum Hoesch-Konzern gehörenden Dortmunder Westfalenhütte wurde Ernst Schwarz in den neunziger Jahren mit einer großen Fusionswelle konfrontiert. Nachdem in den siebziger Jahren weltweit - wie z.B. in Lothringen, im Saarland und im US-amerikanischen Pittsburgh - schon ganze Stahlregionen stillgelegt worden waren, kam es in den Neunzigern erneut zu einer weltweiten Stahlkrise, in deren Verlauf in Deutschland die Friedrich Krupp AG erst Hoesch übernahm und danach mit Thyssen fusionierte. Ganze Konzerne, wie Mannesmann, Klöckner-Stahl oder die bayrische Maxhütte, blieben auf der Strecke, ostdeutsche Stahlwerke wurden privatisiert oder geschlossen. Die Stadt Dortmund wurde auf die Liste der sterbenden Stahlstandorte gesetzt.

Ernst kämpfte unter seinen Kollegen sowohl offensiv gegen den grassierenden Arbeitsplatzabbau als auch gegen die Komplizenschaft der Gewerkschaft und des Betriebsrats mit den Unternehmern. Dies führte dazu, dass er nach dem Zusammenschluss von Hoesch und Krupp auf einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz im Werk HSP (Hoesch Spundwand und Profile) versetzt wurde.

Auch bei HSP setzte sich Ernst Schwarz konsequent gegen die wachsende Ausbeutung der Stahlarbeiter und für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz ein, wobei er den Opportunismus der IG Metall-Bürokratie bekämpfte. Mit den gewerkschaftlichen Betriebsräten - auch denen von der MLPD - stand Ernst permanent auf Kriegsfuß, weil er den Kampf für Arbeitsplätze und Arbeiterrechte konsequent mit der Aufklärung über die opportunistische Rolle von Stalinismus und Sozialdemokratie verband.

Er gewann die Unterstützung seiner Arbeitskollegen, als er 1995 auf einer sozialistischen Grundlage in den Betriebsrat gewählt wurde. In seiner unabhängigen Plattform schrieb er: "An erster Stelle steht für mich die kompromisslose Verteidigung aller Arbeitsplätze. (...) Dazu braucht es eine neue Politik in der Arbeiterbewegung, die nicht von der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Stahlindustrie, sondern von den gemeinsamen Interessen der Arbeiter aller Länder ausgeht."

Als Sicherheitsbeauftragter des Betriebsrats wurde Ernst nicht müde, die schweren und tödlichen Arbeitsunfälle in der Stahlindustrie anzuprangern, besonders, nachdem einer seiner Kollegen 1999 in einem grausigen Unfall von einer Ladung Spundbohlen erschlagen worden war.

In einem Artikel für die World Socialist Web Site schrieb er damals: "Dieser Unfall war kein Zufall. Allein 1999 kam es zu 39 meldepflichtigen Unfällen, und im Jahr davor waren es ebenfalls 39, wobei die Zahl der Beinahe-Unfälle im Dunkeln liegt und diese Zahl um ein Vielfaches übertrifft.... Obwohl aus der Belegschaft immer wieder auf die Gefahr hingewiesen wurde, die von Personalmangel ausgeht, billigte und organisierte die Betriebsratsmehrheit ständig weiteren Personalabbau und trug so dazu bei, den Druck auf die Arbeiter zu erhöhen. Alle Abteilungen bei HSP sind personell unterbesetzt.

D. [der verunglückte Kollege] ist kein Einzelschicksal, sondern ein Opfer des Kapitalismus; sein Tod ist Blutzoll, den die Arbeiter zu zahlen haben, um die Profite der Aktionäre und Banken zu erhöhen. Ein Beweis dafür ist, dass der technische Geschäftsführer, als D. noch nicht abtransportiert war, schon überlegte, ob es möglich sei, den Kran, an dem der Unfall passiert war, zur Seite zu fahren, um mit dem andern Kran am nächsten Tag die wartenden LKWs zu beladen. Arbeiter sollten aus D.s Schicksal lernen, dass ihr Leben und ihre Gesundheit dem Profit untergeordnet werden, und dass dies allein schon Grund genug ist, den Kampf zur Abschaffung des Profitsystems aufzunehmen."

Zu den mörderischen Auswirkungen der jahrelangen Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb kam zuletzt die ständige akute Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, als auch sein letzter Betrieb, die Hoesch Spundwand und Profile, verkauft oder geschlossen werden sollte. Diese Bedingungen haben ohne Zweifel zu seinem frühen Tod beigetragen.

Noch vor dem Verkauf seines Betriebs an Salzgitter hatte Ernst in einem Artikel für die WSWS geschrieben: "Ob Verkauf oder nicht, die Belegschaft wird die Zeche zahlen: entweder mit dem Verlust sämtlicher Arbeitsplätze im Falle einer Schließung oder mit Personalabbau, Arbeitshetze und einer drastischen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Ohne einen politischen Kampf gegen die Verteidigung des Profitsystems seitens der Gewerkschaftsbürokratie wird sich die Spirale aus Arbeitsplatzabbau und immer schlimmeren Bedingungen für die verbleibenden Restbelegschaften erbarmungslos weiter drehen."

Das hat sich zweifellos bestätigt. Heute ist die Westfalenhütte geschlossen, HSP - als Teil von Salzgitter - auf die Hälfte reduziert. In einer Studie des Bundes-Wirtschaftsministeriums heißt es über die Stahlindustrie: "Während sich die Beschäftigtenzahl seit 1990 um rund 64.000 verringerte, stieg die Produktivität von 271t je Beschäftigter auf 593t im Jahr 2004." In den Bereichen Kohle und Stahl wurden allein in der Stadt Dortmund in den letzten zwanzig Jahren rund 80.0000 Arbeitsplätze vernichtet.

Und der Arbeitsplatzabbau in den noch verbleibenden Stahlwerken wird fortgesetzt, obwohl sich die Profite aus der deutschen Stahlindustrie in den letzten Jahren infolge neuer internationaler Nachfrage - zum Beispiel aus China - sogar erholt haben und einige Konzerne Rekordgewinne verbuchen. Technologische Neuerungen wie der Einsatz von Computertechnik haben zwar die Profite vorübergehend gesteigert, aber das Leben der Stahlarbeiter nicht erleichtert.

Auch fünf Jahre nach dem Tod von Ernst Schwarz hat sein politischer Kampf noch immer lebendige Bedeutung für die ganze trotzkistische Bewegung und die internationale Arbeiterklasse.

Siehe auch:
13. Januar 2002: Erster Todestag von Ernst Schwarz
(13. Januar 2002)
"Wir werden sein Vermächtnis lebendig erhalten"
( 16. März 2001)
Ernst hatte ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und ein starkes Gefühl für internationale Solidarität
( 16. März 2001)
Kämpfer für sozialistische Perspektiven im Betrieb
( 19. Januar 2001)
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