Perspektive

Ein Jahr nach der Präsidentschaftswahl im Iran

Vor einem Jahr brach nach den iranischen Präsidentschaftswahlen ein erbitterter Fraktionsstreit innerhalb der herrschenden Elite aus. Dieser fand seinen Ausdruck in der Grünen Oppositionsbewegung. Der unterlegene Kandidat Mirhossein Musawi verkündete mit Unterstützung anderer sogenannter "Reformer" unmittelbar nach der Wiederwahl von Mahmoud Ahmadinedschad, dies sei Wahlbetrug und begann eine gut organisierte Kampagne mit der Forderung nach Annullierung der Wahl und Neuwahlen.

Die Vereinigten Staaten und die internationalen Medien stellten sich sofort hinter die Proteste der Zehntausende in Teheran und anderen Städten. Die Obama-Regierung sah diese "Farben-Revolution" als Gelegenheit an, um im Iran ein Regime zu installieren, das den US-Interessen im Nahen Osten und Zentralasien günstiger gesonnen wäre. Im Verlauf des Wahlkampfs hatte Musawi offen die anti-amerikanische Demagogie Ahmadinedschads kritisiert und ihn für die wirtschaftliche Isolation das Landes verantwortlich gemacht.

Musawi brandmarkte Ahmadinedschads dürftige Subventionen und Sozialprogramme für die Arbeiterklasse und die arme Landbevölkerung als "Verschwendung". Diese Kritik ist Beleg für den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Klassencharakter der Opposition, die sich überwiegend aus den bessergestellten Schichten der städtischen Mittelklasse rekrutierte.

Die diversen linksliberalen und kleinbürgerlichen "linken" Organisationen wie das Magazin The Nation in den USA, die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) in Frankreich oder die Socialist Workers Party in Großbritannien nahmen einen Standpunkt ein, der sich kaum von dem der kapitalistischen Presse unterschied. Alle malten die Protestbewegung in den leuchtendsten "demokratischen" und "revolutionären" Farben und verschleierten den Klassencharakter von deren rechter Führung und die offensichtlichen Interessen ihrer imperialistischen Unterstützer.

Ein Jahr später ist die Grüne Bewegung weitgehend in sich zusammengebrochen. Musawi und sein Mitreformer Mehdi Karroubi sagten die für den Jahrestag geplanten Protestaktionen der Opposition in letzter Minute ab, "weil sie Leben und Eigentum der Menschen schützen" wollten. Sie fügten hinzu, dass der Kampf gegen die "ungesetzliche" Regierung weitergehen werde. Allen Verlautbarungen der iranischen Oppositionellen und der internationalen Presse über die "gestohlene" Wahl zum Trotz, wurden niemals Beweise erbracht, dass Ahmadinedschad die Wahl verloren hätte.

In den internationalen Medien wird verbreitet, der Niedergang der Grünen Bewegung sei ausnahmslos auf die staatliche Unterdrückung zurückzuführen. Nur gelegentlich wird der Klassencharakter der Opposition erwähnt. So titelte zum Beispiel die Financial Times : "Reformisten kämpfen um Neugruppierung" und bemerkte, dass Musawi versucht habe, "seine Unterstützung über die gut ausgebildeten Mittelschichten hinaus auszudehnen, indem er wirtschaftliche Probleme aufgriff," aber "die Arbeiter und die ärmeren Teile der Gesellschaft haben seinen Aufrufen bisher keine Beachtung geschenkt."

Die fehlende Unterstützung der Arbeiterklasse für Musawi war bereits zur Zeit der Wahlen sichtbar. Auch wenn sie Ahmadinedschad kritisch gegenüberstanden, so begegneten die Arbeiter und die arme Landbevölkerung Musawi mit noch tieferem Misstrauen. Bei all seinem Gerede über "Demokratie" war Musawi als Ministerpräsident von 1981 bis 1989 für die Inhaftierung und Ermordung Tausender von Linken verantwortlich. Unterstützt wird er von zwei früheren Präsidenten - Ali Akbar Hashemi Rafsandschani, einem der reichsten Geschäftsleute des Landes und Mohammad Khatami, der eine marktorientierte Agenda durchsetzte, die verheerende Auswirkungen auf den Lebensstandard hatte.

Musawi, Rafsandschani und Khatami repräsentieren eine Fraktion des reaktionären islamischen Regimes, die einen Kompromiss mit den USA herbeiwünscht, um die Wirtschaftssanktionen zu beenden und das Land stärker in die globalisierte Produktion einzugliedern. Bei den Protesten im letzten Jahr wurde deutlich, dass sie von bessergestellten Schichten der Mittelklasse im Iran und der iranischen Diaspora im Ausland unterstützt werden. Diese wünschen eine Lockerung der Beschränkungen des Regimes, um ihren eigenen Lebensstil und ihr persönliches Fortkommen zu erleichtern. Einige ließen offen ihrem Zorn über die Arbeiterklasse und die Armen freien Lauf, weil sie sich von Ahmadinedschad und seinen armseligen Bestechungen hätten hinters Licht führen lassen.

Obwohl die Grüne Bewegung eher amorph und fraktionell zerstritten ist, hat sie sich doch insgesamt weiter nach rechts bewegt. Ihre Demonstrationen im September letzten Jahres hatten eine offen pro-imperialistischen Ausrichtung und ihre Losungen, wie "Nein zu Gaza und Libanon, ich opfere mein Leben für den Iran" signalisierten Unterstützung für die USA und Israel. Andere riefen "Tod für China. Tod für Russland" als Antwort auf die "Tod für Amerika"-Losung der Anhänger Ahmadinedschads.

Musawi reagierte auf Kritik der Regierung und verwandte große Mühe darauf, jegliche Verbindung zu den USA oder jede Absicht zu leugnen, das Regime stürzen zu wollen. Andere Persönlichkeiten der Opposition waren weniger zurückhaltend. Der iranische Regisseur und Sprecher der Opposition Mohsen Makhmalbaf rief in einem Kommentar im Wall Street Journal am 11. Juni mit dem Titel "Wie kann der Westen Irans Grüner Bewegung helfen?" offen nach Unterstützung durch die USA.

Nach der Kritik an Präsident Obama wegen dessen anfänglichem Versuch, ein Abkommen mit Ahmadinedschad über das iranische Atomprogramm zu erreichen, schrieb Makhmalbaf: "Ein erster Schritt wäre, das wichtigste Instrument, das Amerika zur Verfügung hat, den Sender Voice of America, zu reformieren und Leute zu finden, die das iranische Volk aufklären können... Und ich fordere die Europäer auf, EuroNews auf persisch zu senden."

Die Obama-Regierung braucht dazu nicht überredet zu werden. Die USA peitschten am letzten Mittwoch neue Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat, die, so betonte Obama, dazu dienen sollen, der politischen Opposition im Iran zu helfen, bezüglich des Atomprogramms soviel Druck wie möglich auf Teheran auszuüben. Die Sanktionen sind vor allem darauf ausgerichtet, Ahmadinedschad Basis, die Revolutionsgarden, zu unterhöhlen.

Washington rühmt sich, die iranische Opposition mit technischer Hilfe gegen das Blockieren oppositioneller Webseiten und westlicher Rundfunksendungen durch Teheran zu unterstützen. Am Donnerstag berichtete das Wall Street Journal: "Repräsentanten der Grünen Bewegung in den USA und Europa erklären, sie befänden sich in einem verstärkten Dialog mit Vertretern der USA darüber, wie die Demokratie im Iran am besten gefördert werden könne. Die Treffen haben Teilnehmern zufolge in den letzten Monaten in Europa und in Washington in Hotels, Thinktanks und Restaurants stattgefunden. Das Außenministerium bestätigte diese Treffen."

Der Jahrestag der iranischen Wahlen wurde von den ex-radikalen Organisationen, die die Grüne Bewegung vor einem Jahr so enthusiastisch begrüßt hatten, im Großen und Ganzen ignoriert. Eine Ausnahme bildet die International Marxist Tendency (IMT), die am 11. Juni einen langen Appell an ihre Sympathisanten im Iran veröffentlichte, sich nicht entmutigen zu lassen. Darin heißt es, dass die "mächtige Bewegung" und ihr "unglaublicher Heroismus eine gewaltige Quelle der Inspiration für die Arbeiter und die Jugend der Welt" gewesen seien und eine "endgültige Antwort an alle Feiglinge, Skeptiker und Renegaten, die das revolutionäre Potential der Massen bezweifeln."

Nirgendwo wird auf den folgenden Seiten wird eine Klassenanalyse der Grünen Bewegung oder der Politik ihrer Führung gemacht. Leerer "revolutionärer" Bombast kann die Tatsache nicht verdecken, dass die IMT gemeinsam mit anderen ex-radikalen Formationen versucht, die Arbeiterklasse einer offen bürgerlichen Bewegung unterzuordnen, die von einer Fraktion von Dissidenten des islamischen Regimes angeführt wird. Dies findet zu einer Zeit statt, in der es Anzeichen der Unzufriedenheit und der Opposition unter Arbeitern und den Armen über die hohe Arbeitslosigkeit und Armut gibt. Diese wird sich durch die Entscheidung Ahmadinedschads noch verstärken, die Preissubventionen für etliche wichtige Konsumgüter zu streichen.

Zweifellos gibt es junge Menschen und Arbeiter im Iran, die nach Mitteln suchen, um dem gegenwärtigen Unterdrückerregime ein Ende zu bereiten. Die World Socialist Web Site warnte schon während der Proteste im letzten Jahr: " Aber solange sie nur an eine andere Fraktion der herrschenden Elite gekettet bleiben, wird das Resultat zwangsläufig die Konsolidierung der bürgerlichen Herrschaft und eine Neuauflage der politischen Repression sein. Der einzige Ausweg aus dieser Sackgasse besteht in einer politischen Mobilisierung von Arbeitern und den unterdrückten Massen im Kampf um die Machteroberung und den Aufbau eines sozialistischen Irans."

Die politischen Lehren des vergangenen Jahres müssen gezogen werden. Der Kampf für Arbeitermacht und einen sozialistischen Iran erfordert vor allem den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale im Iran und der gesamten Region als revolutionäre Führung der Arbeiterklasse.

aus dem Englischen (12. Juni 2010)

Siehe auch:
UN-Sicherheitsrat verschärft Sanktionen gegen den Iran
(12. Juni 2010)
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