Griechenland: Was steckt hinter der rechten Abspaltung von Syriza?

Auf dem Parteitag von SYRIZA (Koalition der Radikalen Linken) im Juni zog der Flügel der "Erneuerer" aus dem Parteitag aus und kündigte die Gründung einer neuen Bewegung an.

Die Erneuerer-Fraktion war Teil der Synaspismos-Tendenz (Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie), die in SYRIZA arbeitete. SYRIZA entstand 2004, als Synaspismos, der stärkste Flügel in SYRIZA, sich mit mehreren kleineren, pseudolinken kleinbürgerlichen Organisationen zusammenschloss.

Die Führung des Synaspismos lehnte die Abspaltung der Erneuerer ab. Deren 326 Mitglieder verließen den Parteitag, als der Führer von Synaspismos und Vorsitzende von SYRIZA, Alexis Tsipras, sich ihrem Wunsch widersetzte, die Partei solle die Koalition verlassen und eine eigenständige Organisation bilden. Die Fraktion der Erneuerer stellte etwa 20 Prozent der Parteitagsdelegierten.

Wenig später gaben die vier Abgeordneten der elfköpfigen Parlamentsfraktion SYRIZAs - Fotis Kouvelis, Nikos Tsoukalis, Thanassis Leventis and Grigoris Psarianos - bekannt, dass sie als Unabhängige dem Parlament weiter angehören wollten. Leventis trat außerdem von seinem Amt als stellvertretender Parlamentspräsident zurück. Ein weiteres Mitglied der Erneuerer, Dimitris Papadimoulis, blieb Mitglied von SYRIZA.

Die Spaltung resultiert aus einer Veränderung der politischen Großwetterlage. Im Zuge des Beschlusses eines 750 Milliarden-Rettungsprogramms im Mai hatten sich die herrschenden Klassen Europas auf ein Programm zur Rettung des Euros und der Rückzahlung der Staatsschulden an die Banken durch weitere Sozialkürzungen verständigt. Darin beinhaltet sind gravierende Rentenkürzungen in Griechenland und starke Haushaltskürzungen in Großbritannien und Frankreich.

Die Aussichten, die diese Kürzungen den Mittelschichten, die SYRIZA vertritt, eröffneten, haben die internen Meinungsverschiedenheiten entscheidend verschärft. Synaspismos und SYRIZA, die die Sparmaßnahmen der PASOK-Regierung nicht offen unterstützen wollten, haben durch ihre Unterstützung der von der PASOK dominierten Gewerkschaftsproteste diese Kürzungen verteidigt. Die Proteste haben die Unzufriedenheit der Bevölkerung in ungefährliche Kanäle gelenkt, um die Durchsetzung der Kürzungen sicherzustellen. Die Erneuerer wollen, indem sie die Kürzungen unterstützen und vielleicht auch bei ihrer Durchsetzung gegen die Bevölkerung behilflich sind, von direkteren Beziehungen zur PASOK profitieren

Eine Erklärung der Erneuerer bezichtigte die Mehrheit von Synaspismos der "linkstümelnden" Anbiederung an andere SYRIZA-Fraktionen und warf SYRIZA vor, die unpopulären Kürzungsmaßnahmen der PASOK-Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou nicht eindeutig genug zu unterstützen. Kouvelis sagte: "Wir wollen eine Linke, die es nicht für selbstverständlich hält, alle überkommenen Rechte der Arbeiter zu verteidigen, und die sich nicht um geringfügiger politischer Vorteile willen an die Gewerkschaften und andere Organisationen anbiedert."

Er trat für die Sparmaßnahmen ein und meinte, Griechenland müsse unbedingt weiterhin der Eurozone angehören. "Die Wirtschaftskrise und die Gefahr für den Euro machen ein stärkeres Europa notwendig. Wir brauchen eine Regierung, die sich stärker an der EU und den Interessen der Wirtschaft orientiert."

Die Erneuerer fordern schon seit fünf Jahren, engere Beziehungen zur PASOK zu knüpfen. Als sich gegen die Sparmaßnahmen eine Massenopposition entwickelte, forderten die Erneuerer noch energischer, dass SYRIZA zum Partner der Regierung werden sollte.

In einer ihrer Erklärungen hieß es, der Bruch mit SYRIZA sei "Ausdruck der Bestrebungen vieler fortschrittlicher Bürger, die sich moderne, linke, ökologische Politik und verantwortungsbewusste Antworten wünschen, um die Interessen der Arbeiter, der Arbeitslosen und Rentner mit vereinten demokratischen Kämpfen, die nicht linkslastig und antieuropäisch sind, wirkungsvoll zu unterstützen."

Ohne Zögern sprachen sich die Erneuerer für engere Beziehungen zu PASOK und anderen politischen Kräften aus, die die PASOK unterstützen. Nach der Spaltung erklärten sie: "Wir sollten offen sein für Zusammenarbeit... wenn wir eingehend analysiert haben, mit welchen politischen Kräften wir besondere Beziehungen oder Beziehungen haben können, die von Zusammenarbeit geprägt sind."

Die Erneuerer ließen durchblicken, dass sie für ihre besonderen Beziehungen zu regierenden Parteien auch Sozialprogramme für die Arbeiterklasse ablehnen würden. "Die neue Partei wird eine Sprache sprechen, in der auch das Wort NEIN vorkommen wird. Die neue Linke kann nicht an überkommenen Mustern festhalten, zu allem JA zu sagen, das ihr einen populistischen Anstrich gibt, ohne zu politischen Ergebnissen zu führen. Die Periode seit dem Sturz der Militärjunta bis heute hat das unter Beweis gestellt."

Am 27. Juni fand eine Konferenz der Erneuerer statt, auf der die neue Partei gegründet wurde. Daran nahmen zwei weitere Gruppen teil, die Initiative für eine Demokratische und Erneuerte Linke, und AR SI (Die Linke Heute). Die Initiative für eine Demokratische und Erneuerte Linke unterstützt offen das aus Sparmaßnahmen bestehende Stabilitätsprogramm der PASOK-Regierung.

Auf ihrer Webseite heißt es in einer Erklärung: "Das Stabilitätsprogramm ist wichtig für alle. Jeder muss in der heutigen Zeit seinen Beitrag leisten. Die Linke muss jetzt mit konstruktiven Vorschlägen aufwarten und die gesellschaftliche Solidarität und die Stärkung der Selbständigkeit der Bürger fördern."

Die AR SI vertritt ein nationalistisches Programm. Sie beklagt, dass die EU sich nicht als starkes Gegengewicht zum US-Imperialismus erwiesen hat.

SYRIZA versuchte, die Gründe für die Spaltung zu vernebeln sowie die Bedeutung des Umstandes, dass eine Tendenz, die offen die Sparmaßnahmen unterstützt, innerhalb von SYRIZA so lange Zeit ungehindert arbeiten konnte. Ihre Zeitung Avghi schrieb, dass es in der Koalition Einverständnis darüber gebe, keine öffentlichen Erklärungen zum Programm der Erneuerer abzugeben.

Ungeachtet der taktischen Differenzen innerhalb des Synaspismos darüber, wie offen man sich auf die Seite der PASOK stellen sollte, entspricht die rechte Politik der Erneuerer voll und ganz der des SYRIZA insgesamt. Trotz der höchst unbeliebten und antisozialen Politik der Regierung hat SYRIZA nie die Forderung erhoben, das Papandreou-Regime zu Fall zu bringen.

Bis zur Spaltung hatte der Synaspismos unter seinem Vorsitzenden Tsipras versucht, die engsten Beziehungen mit den Erneuerern aufrechtzuerhalten und jegliche Kritik an ihm zurückgewiesen. Kurz vor der Spaltung sagte das führende SYRIZA-Mitglied Spyros Lykoudis, dass die Organisation die Linie der Erneuerer nicht offen zurückweisen werde. "Wir werden nicht wieder eine monolithische Partei werden", waren seine Worte.

Die Gründung der Demokratischen Linken wurde von der konservativen Tageszeitung Kathemerini begrüßt: "Man kann die Gründung der Demokratischen Linken durch Fotis Kouvelis, den ehemaligen Vize von Synaspismos, nur gutheißen. Das Land braucht dringend eine verantwortungsvolle Opposition links der Mitte, wie wir sie schon einmal hatten."

Die Ursprünge von Synaspismos

Synaspismos entstand Ende der 1980er Jahre zurzeit des Zusammenbruchs des Stalinismus in Osteuropa und später der Sowjetunion. Ihr Führungspersonal kam aus der KKE (Inland), der griechischen "eurokommunistischen" Tendenz. Die KKE (Inland) hatte 1968, nach der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei durch sowjetische Panzer von der KKE, der stalinistischen Kommunistischen Partei Griechenlands gespalten. 1967 war in Griechenland eine Militärjunta an die Macht gekommen.

Die KKE war unter den ersten in der eurokommunistischen Bewegung, die einzelne Aspekte der stalinistischen Unterdrückung und die Politik der KPdSU kritisierte; damit beabsichtigte sie jedoch, zu Teilen der eigenen herrschenden Klasse engere Beziehungen herzustellen. Sie stellte sich als "demokratisch" dar und betonte ihre Abgrenzung von der "monolithischen" KKE; gleichzeitig lehnte sie eine revolutionäre Politik kategorisch ab.

Nach der Spaltung hielt die KKE (Inland) enge organisatorische und politische Beziehungen zu ihrer stalinistischen Mutterpartei KKE aufrecht. 1987 spaltete sich die KKE (Inland) über die Frage, ob die Partei zu einer eindeutig "nicht-kommunistischen" Partei werden sollte, die breiteren Bündnissen gegenüber aufgeschlossen sein würde. Aus dieser Spaltung ging die Griechische Linke hervor, die diese Auffassung vertrat, und die KKE (Inland)-Linke Erneuerung, die sich als Fortsetzung der Tradition des Eurokommunismus sah.

Synaspismos spielte eine gewichtige Rolle dabei, den Stalinismus nach seinem Auseinanderbrechen 1989 am Leben zu erhalten, wobei sie von einer ganzen Reihe kleinbürgerlicher Tendenzen unterstützt wurde. Anstatt die Restauration des Kapitalismus unter Michail Gorbatschow und Boris Jelzin zu nutzen, dem Stalinismus den politischen Todesstoß zu versetzen, betätigte sich die vorgebliche Linke als Helfer in der Not.

Die orthodoxe stalinistische KKE war anfangs Teil des Euro-Flügels im Synaspismos, als dieser 1989 ein Wahlbündnis schuf.

Charilaos Florakis, Zeit seines Lebens Stalinist und von 1972 bis 1989 Generalsekretär der KKE, war der erste Vorsitzende des Synaspismos. Dieses Bündnis trug entscheidend bei, die Herrschaft des Kapitals in Griechenland zu festigen. Im Juli 1989 bildete Synaspismos mit der neu formierten rechten Neuen Demokratie eine Koalitionsregierung. Nach weiteren Wahlen im November 1989 trat Synaspismos, der sich inzwischen in breiten Bevölkerungsschichten unglaubwürdig gemacht hatte, in eine Regierung der nationalen Einheit von PASOK und Neuer Demokratie ein. Es war dies die so genannte Ökumenische Regierung, die von dem achtzigjährigen früheren Chef der Bank von Griechenland geführt wurde.

Der Führer der Erneuerer/Demokratische Linke, Fotis Kouvelis, war Gründungsmitglied der KKE (Inland) und bekleidete in der Koalitionsregierung aus Neue Demokratie/Synaspismos das Amt des Justizministers.

Erst als die KKE 1991 von Synaspismos spaltete und Florakis abtrat, beschloss der Synaspismos im Juni 1992, sich als eigene Partei zu konstituieren. In ihm hatten sich unterschiedliche Gruppierungen zusammengefunden, die darin übereinstimmten, der konterrevolutionären stalinistischen Bürokratie politische Amnestie zu gewähren.

Eine wichtige Rolle dabei spielte das pablistische Vereinigte Sekretariat, dem nun auch eine Reihe von kosmetisch aufpolierten stalinistischen Parteien angehörte. Diese Organisaton erklärte immer wieder, dass der historische Konflikt zwischen Stalinismus und Trotzkismus mit dem Ende der UdSSR bedeutungslos geworden sei.

Formal schloss sich das Vereinigte Sekretariat nicht dem Synaspismos an, da es stärker der stalinistischen KKE zuneigte. In einer Erklärung aus dem Jahre 2001 behauptete die pablistische Gruppe OKDE, dass die griechische "Linke" nur in einem Bündnis mit der KKE Erfolge erzielen könne. "Obwohl ein wirklicher politischer Dialog mit der Führung der KKE über die Neubestimmung der Linken heute unmöglich ist, muss jeder Dialog über die 'Einheit der linken Kräfte' die KKE einbeziehen."

Wie manche anderen Gruppen ergriffen sie auch Partei für SYRIZA und Synaspismos, die für eine "linke Umgruppierung" nützlich sein könnten. Der Rolle der Pablisten ist zuzuschreiben, dass in Griechenland eine für Europa einmalige Situation existiert, die es der KKE erlaubt, Stalin weiterhin als Verteidiger der Oktoberrevolution zu feiern und dabei 7.5 Prozent der Stimmen zu erhalten. Bei der letzten Wahl gewann die KKE 21 Sitze.

SYRIZA und ihre Fraktionen haben die KKE seit jeher nur wegen ihrer "sektiererischen" Haltung kritisiert; sie lehnen es rundweg ab, die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus zu entlarven. Ihre Kritik hilft der KKE, ihr Ansehen bei Teilen der Bevölkerung zu steigern, weil sie sich dadurch als militanter und unabhängiger als der Synaspismos darstellen kann.

Der Werdegang von SYRIZA und Synaspismos weist deutliche Parallelen zu dem von Rifondazione Comunista in Italien auf. Rifondazione ging 1991 aus einem Flügel der Kommunistischen Partei Italiens hervor und sammelte ebenfalls große Teile der kleinbürgerlichen "Linken" in ihren Reihen.

Von 2006 bis 2008 gehörte Rifondazione der Regierung von Romano Prodi an. Ihr gegenwärtiger Vorsitzender, Paolo Ferrero, war Minister für Soziales. Als Regierungspartei unterstützte Rifondazione das militärische Eingreifen Italiens in Afghanistan, stimmte Angriffen auf Renten und Sozialleistungen zu und verteidigte die ersten Ausweisungslisten für Ausländer.

Mit dem Wahlsieg Silvio Berlusconis 2008, zu dem ihre reaktionäre Politik wesentlich beigetragen hatte, verlor Rifondazione alle Parlamentssitze. Dieses Jahr nahm sie unter dem Namen Federazione delle sinistra (Linkes Bündnis) im März an den Regionalwahlen teil, zusammen mit der Demokratischen Partei und der Partei der italienischen Kommunisten. In einigen Regionen unterstützte sie sogar die offen wirtschaftsfreundliche Radikale Partei und die Christlichen Demokraten (UDC).

Eine Erwiderung an die kleinbürgerlichen Verteidiger von SYRIZA

Xekinima, eine Tendenz innerhalb von SYRIZA aus griechischen Unterstützern des Komitees für eine Arbeiterinternationale, hat die Abspaltung der Erneuerer als Beleg dafür genommen, SYRIZA und Synaspismos könnten sich nach links bewegen.

Sie schreiben: "Die Hauptkritik der Xekinima an der linken Mehrheit, die in der Führung des Synaspismos die gesamte vergangene Periode über den Ton angab, war der Umstand, dass sie ihr Programm im Namen der Einheit, d.h., des Kompromisses mit den Erneuerern verwässerten... Synaspismos hat jetzt, da er frei ist von den Fesseln der Vergangenheit, eine historische Gelegenheit, sich entschieden nach links zu bewegen."

Damit soll die Öffentlichkeit getäuscht werden. Die Tatsache, dass eine offen arbeiterfeindliche Fraktion wie die Erneuerer über lange Zeit in SYRIZA existieren konnte, beweist nicht die Fähigkeit von SYRIZA, zu einer linken Partei zu werden, sondern ihre rechte Politik. Und so wie die herrschende Klasse ihre Kürzungspolitik vorantreibt, wird SYRIZA unvermeidlich eine politische Abdeckung für einen neuen und scharfen Rechtsruck abgeben.

Wenn SYRIZA sich weigert, die Abspaltung der Erneuerer offen zu diskutieren, so ist das Teil ihrer allgemeinen politischen Linie, die historischen Fragen im Zusammenhang mit der konterrevolutionären Bilanz des Stalinismus und des Pablismus totzuschweigen. Genau diese Geschichte aber ermöglicht es SYRIZA, den Anschein einer Opposition zu erwecken und gleichzeitig die Politik der griechischen Regierung zu unterstützen. In der heutigen Situation bedeutet das, eintägige, von den PASOK-freundlichen Gewerkschaften gesteuerte, Proteststreiks als Opposition zur PASOK-Regierung darzustellen - während die PASOK ihre Kürzungen weiter durchsetzt.

Xekinima selbst schreibt, dass die Abspaltung der Erneuerer "nicht automatisch bedeutet, dass Synaspismos eine radikalere Partei wird." Dann heißt es: "SYRIZA-Anhänger werden die jüngste Entwicklung mit neuen Hoffnungen und Erwartungen verfolgen..."

Die unaufhörlichen Angriffe auf den Lebensstandard in Griechenland werden klassenbewusste Arbeiter veranlassen, einen völlig anderen Weg einzuschlagen. Die Abspaltung der Erneuerer zeigt, dass in einer der großen "linken" Parteien Griechenlands eine große Fraktion existiert hat, die bewusst von der Verschlechterung der Lage der Arbeiter profitieren wollte - eine Tatsache, die SYRIZA nicht erklären will. Das muss für die Arbeiterklasse der Ausgangspunkt sein, alle ehemaligen kleinbürgerlichen linken Parteien neu zu bewerten und mit ihnen abzurechnen.

Siehe auch:
Griechenland: Antarsya bietet keine Alternative zu PASOK und der offiziellen "Linken"
(9. Juni 2010)
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