Perspektive

Demagogie zur Verteidigung der Reichen

Das Programm, das US-Präsident Barack Obama am Montag im Weißen Haus vorstellte, ist das Gegenstück zu seiner verlogenen Arbeitsmarktreform. Um Reiche und Konzerne steuerlich zu entlasten, sind Kürzungen in Milliardenhöhe an den Sozialprogrammen Medicare und Medicaid geplant. Das Haushaltsdefizit soll um bis zu vier Milliarden Dollar verringert werden.

Das Weiße Haus veranstaltet PR-Events wie im Wahlkampf, um die Öffentlichkeit für Maßnahmen zu gewinnen, die das genaue Gegenteil dessen bedeuten, was sie dem Namen nach bedeuten sollen. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten.

Arbeiter werden zu Statisten einer großen Show degradiert. Damit sollen Maßnahmen durch den Kongress geschleust werden, welche die staatlichen Rentenkassen plündern und neue Steuerschlupflöcher für Konzerne schaffen werden. Das „Arbeitsbeschaffungsprogramm“, das höchstens eine Handvoll neuer Stellen schaffen wird, besteht aus Vorschlägen, die größtenteils von den Republikanern unterstützt werden. Es soll den Weg für einen Angriff auf das Gesundheitswesen und andere Sozialprogramme ebnen – mit verheerenden Auswirkungen auf Millionen Menschen.

Um die schwerste Krise auf dem Arbeitsmarkt seit der Großen Depression zu lösen, hat Obama keine echten Maßnahmen – wie beispielsweise ein großangelegtes Arbeitsbeschaffungsprogramm – vorgeschlagen. Stattdessen wirbt er jetzt für Sozialkürzungen, welche die Probleme der Arbeitslosen noch weiter vergrößern werden.

Die endgültige Entscheidung über den Inhalt jeder Vereinbarung obliegt einem Haushaltsausschuss, der im August aus Vertretern beider Parteien gegründet wurde. Er sollte damals die inszenierte Krise um die Schuldenobergrenze lösen. Der völlig undemokratische „Superausschuss“ erhielt weitreichende Vollmachten, damit er Maßnahmen gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung durchsetzen kann.

Obama betont, die Finanzierung all seiner Vorschläge zum Arbeitsmarkt werde durch Haushaltskürzungen und andere Maßnahmen gesichert. Er drängt den Ausschuss, der seine Pläne im November vorlegen soll, zu „großen Schritten“, d.h. Kürzungen im großen Stil, welche die ursprünglich geplanten Einsparungen von anderthalb Billionen Dollar über das nächste Jahrzehnt übersteigen werden.

Der Gipfel der Demagogie ist nun Obamas neue „Buffet-Steuer“ (nach dem Milliardär Warren Buffet): Diese geringe Steuererhöhung für Superreiche würde höchstens sicherstellen, dass die Millionäre am Ende nicht weniger Steuern zahlten als ein Durchschnittsverdiener; sie würde die Steuersätze für Reiche nicht einmal auf das Niveau der ersten Reagan-Jahre anheben. Und Obama weiß nur zu gut, dass selbst dieser äußerst bescheidene Vorschlag keine Chance hat, da viele Demokraten und Republikaner ihn ablehnen.

Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnel, schrieb am Samstag, ein ähnlicher Vorschlag im Kongress sei bereits 2009 abgelehnt worden, als die Demokraten noch in beiden Häusern die Mehrheit hielten. McConnel fuhr fort, Demokraten und Republikaner seien sich in manchen Punkten einig, und er fügte außerdem hinzu, er rechne damit, dass der Ausschuss eine „große beidseitige Übereinkunft“ erzielen werde.

Das Ergebnis ist eine weitere Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstands von der Arbeiterklasse hin zu den Reichen.

Nach dem Finanzkrach vor drei Jahren organisierte die herrschende Elite Amerikas den größten Bankenbailout der Geschichte. Dadurch wurde der Aktienmarkt angekurbelt und die Bankkonten der Superreichen gerettet. Die Schuldenkrise, die aus diesem Bailout entstand, wird seither genutzt, um die sozialen Errungenschaften, die die Arbeiterklasse im zwanzig Jahrhundert erkämpft hatte, auszuhöhlen und schließlich abzuschaffen.

Der offizielle Politikbetrieb bringt den wirklichen Zustand der gesellschaftlichen Verhältnisse Amerikas in keiner Weise zum Ausdruck. Millionen von Menschen sind heute von Obdachlosigkeit, Hunger und Verzweiflung bedroht. In den vergangenen drei Jahren ist der Lebensstandard der großen Mehrheit dramatisch gesunken.

Wie der Bericht des amerikanischen statistischen Bundesamtes letzte Woche dokumentierte, sind heute mehr Menschen arm als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1959. Im Jahr 2010 lebten insgesamt 46,2 Millionen Menschen unterhalb der extrem niedrigen Armutsgrenze, das sind 2,6 Millionen Menschen mehr als im Vorjahr.

Der Bericht zeigte außerdem einen starken Niedergang des Durchschnittseinkommens auf ein Niveau, wie es zuletzt 1996 geherrscht hatte. Zum ersten Mal seit der Großen Depression sind die Löhne über einen so langen Zeitraum gesunken.

Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin die treibende Kraft des sozialen Elends. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat ein so hohes Niveau erreicht wie noch nie. Im Jahr 2010 waren 48 Millionen Menschen zwischen achtzehn und 24 Jahren nicht einmal eine Woche lang beschäftigt, das sind drei Millionen mehr als im Vorjahr. Tausende Menschen besuchen die Unternehmensmessen im ganzen Land, weil diese zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer auf einen Arbeitsplatz versprechen.

Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass sich die bereits desaströse Wirtschaftslage noch weiter verschlechtert. Zum einen wurde für letzten Monat ein Nullwachstum gemeldet, zum anderen deuten die neuesten Wirtschaftsdaten auf eine neue Rezession hin. In der Mehrheit der Bundesstaaten ist die Arbeitslosigkeit im letzten Monat gestiegen, die Zahl der Neumeldungen stieg letzte Woche auf den höchsten Stand seit Juni, und das Vermögen der Haushalte fiel im zweiten Quartal zum ersten Mal in diesem Jahr.

Die Konzerne horten derweil Geld. Im Juni befanden sich auf den Firmenbilanzen mehr als zwei Billionen Dollar, einhundert Milliarden mehr als im März. Die Wirtschafts- und Finanzelite befindet sich im Investitionsstreik, um die Arbeitslosigkeit hoch zu halten. Sie nutzt die Massenarbeitslosigkeit als Vorwand, um die Löhne zu kürzen. Gleichzeitig fordert sie drastische Einsparungen als Vorbedingung für die Schaffung neuer Stellen.

Die Vereinigten Staaten sind reif für einen explosionsartigen Ausbruch des Klassenkampfes. Soziale Spannungen bauen sich auf, und das politische System ist unfähig, eine Lösung zu finden. Die Finanzoligarchie dominiert beide Parteien, übt praktisch eine Diktatur aus und lässt nicht zu, dass irgendetwas beschlossen wird, was ihr missfällt.

Über die Konsequenzen macht sich mittlerweile sogar die herrschende Klasse Gedanken. Letzte Woche warnte der milliardenschwere Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, dass die hohe Arbeitslosigkeit zu Unruhen führen könnte, besonders unter Jugendlichen. „So war es in Kairo. Und so war es in Madrid“, fügte er nervös hinzu.

Obama wird mit seiner Demagogie im Namen der Reichen nichts erreichen. Die Bevölkerung kennt diese Methoden.

Ohne Massenkämpfe wird die Krise nicht zu lösen sein. Wenn sich nicht Millionen von Menschen zu gemeinsamen Aktionen zusammenschließen, kann nichts erreicht werden. Der Widerstand muss sich aus den verknöcherten Formen des politischen Establishments befreien und sich von dessen Unterstützern, den Gewerkschaften und pseudolinken Anhängseln der Demokraten loslösen.

Dieser Kampf ist nicht nur notwendig, sondern auch unausweichlich. Große Unzufriedenheit, Frust und Wut baut sich auf und muss ein Ventil finden. Aber wenn dieser Widerstand zum Erfolg führen soll, muss er eine politisch bewusste Form annehmen. Deshalb ist es so wichtig, eine revolutionäre Führung aufzubauen und ein sozialistisches Programm zu entwickeln.

Die arbeitende Bevölkerung muss verstehen, dass als erstes das wirtschaftliche und politische Leben von Grund auf neu organisiert werden müssen. Die Socialist Equality Party ist die einzige Organisation, die sich dafür einsetzt, die Arbeiterklasse unabhängig von der herrschenden Elite und ihren politischen Vertretern zu organisieren und diese Bewegung mit einem revolutionären sozialistischen Programm zu bewaffnen. Die Antwort auf die konterrevolutionäre Politik von Obama und dem ganzen politischen Establishment ist der Aufbau der SEP. Nur so können die Kämpfe für Arbeitermacht und Sozialismus vorbereitet werden.

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