Norwegens neofaschistischer Massenmörder Breivik wurde für geisteskrank erklärt

Die Entscheidung vom Dienstag letzter Woche, den Neonazi Anders Behring Breivik für geisteskrank zu erklären, muss auf die politischen Interessen der norwegischen und europäischen Elite zurückgeführt werden.

Der Mann, der bei einem Doppel-Anschlag in Oslo und einer Massenerschießung von Jugendlichen auf der Insel Utoeya im Juli siebenundsiebzig Personen niedermetzelte, wurde für untauglich befunden, vor Gericht gestellt zu werden. Seine belastenden Aussagen wurden als bloße Hirngespinste eines Verrückten abgetan.

Diese Entscheidung hat nichts mit der Sorge um die psychische Verfassung Breiviks zu tun. Vielmehr ist es die Angst der herrschenden Kreise, dass schon eine beschränkte Untersuchung der Ereignisse, die zum 22. Juli führten, unbequeme Fragen für diejenigen aufwerfen würde, die Verbindungen zu Breivik haben.

Dazu gehören nicht nur die rechtsextremen Parteien in ganz Europa, von denen einige direkte Verbindungen zu dem norwegischen Terroristen hatten, sondern auch das politische Establishment selbst, das die reaktionären Losungen populär hat, auf denen Breivik seine faschistische Ideologie aufbaute.

Aus rechtlicher Sicht ist die Entscheidung, Breivik für geisteskrank zu erklären, offensichtlich absurd. Alle Beweise deuten auf ein Individuum mit einem klaren politischen Programm hin, das Positionen einnimmt, die mit dem Faschismus und der extremen Rechten identifiziert werden. Er versteht sich selbst als “Kreuzritter” gegen Multikulturalismus und Einwanderer. In einigen neueren Berichten ist deutlich geworden, dass er die Führung der norwegischen Labour Party in Visier genommen hatte, die er für “marxistisch” hielt.

Seine terroristischen Gewaltakte waren minutiös geplant und durchgeführt, wie er mit eigenen Worten in seinem langen “Manifest” erklärte, das er im Internet veröffentlicht hat. Diese Handlungen waren auf eine bestimmte politische Agenda ausgerichtet – in seinen eigenen Worten darauf, eine “kulturell-konservative Revolution” in ganz Europa zu schaffen.

Schwächere Formulierungen solcher Ansichten, sogar in privaten Tagebüchern, reichen bei islamistischen Extremisten in den USA und anderswo, um sie vor Gericht zu zerren. Wäre Breiviks erklärte Ideologie der islamische Fundamentalismus, so wäre es keine Frage, dass er vor Gericht gestellt worden wäre, eine umfangreiche Berichterstattung in den Medien stattgefunden hätte und er für Jahre ins Gefängnis gekommen wäre.

Aber es ist klar, dass der “Krieg gegen den Terror” nicht auf Faschisten angewendet wird.

Dadurch, dass es Breiviks Aktionen als Taten eines psychotischen Menschen abtut, hofft das politische Establishment, ihn als “einsamen Wolf” hinstellen zu können, der allein gehandelt hat.

Alle verfügbaren Beweise zeigen das Gegenteil. Seit Breivik in Haft genommen wurde, sind Details aufgetaucht, die ihn mit rechtsextremen Organisationen in Norwegen und auch international in Verbindung bringen. Die Ermittler der Polizei haben bestätigt, dass Breivik behauptet, von 80 “Zellen” in ganz Europa zu wissen, die seine politischen Ansichten und gewalttätigen Ziele teilen.

Breivik war bis zum Jahr 2006 Mitglied der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Fortschrittspartei, in deren Jugendabteilung er fast ein Jahrzehnt zuvor eingetreten war. Seine Verbindungen zu der faschistischen English Defence League (EDL) wurden ebenso bekannt. Breivik hatte an mehreren Gesprächen mit deren führenden Mitgliedern teilgenommen. Auf einer dieser Diskussionen in London im Jahr 2002, so behauptete er, seien einige die an einem Treffen der "Tempelritter" teilnahmen, EDL Führer gewesen, während andere aus paramilitärischen Gruppen auf dem Balkan kamen.

Die Untersuchungen dieser Zusammenhänge sind äußerst beschränkt durchgeführt worden. Es wurde kein Versuch unternommen, einige dieser in Breiviks Manifest erwähnten oder der später mit ihm zusammenarbeitenden Personen aufzuspüren. Sogar, eine Gruppe, die in einer Breivik gehörenden Wohnung in den Tagen nach dem 22. Juli verhaftet worden war, wurde umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt.

Vom politischen Establishment werden ungeachtet anfänglicher entsetzter und empörter Äußerungen keine Ermittlungen geführt, um die Anschläge näher zu untersuchen. Norwegens Untersuchungskommission hatte gar nicht die Absicht, die Leiterin der Geheimdienste PST zu vernehmen. Sie war allerdings gezwungen, deren Anwesenheit vor einem Parlamentsausschuss zu fordern, nachdem Details bekannt geworden waren, dass die PST nichts getan hatte, obwohl Informationen über Breiviks Verbindung zu einem polnischen Geschäftsmann vorlagen, der den Dünger für seine Bombe lieferte.

Auf internationaler Ebene wurde kein Versuch gemacht, um ernsthaft alle diejenigen ausfindig zu machen, mit denen Breivik sich getroffen und über seine politische Agenda diskutiert hatte. Dazu gehören Alan Lake, ein Geschäftsmann, der die EDL finanziert und Paul Ray, ein Blogger, der unter dem Namen Lionheart schreibt und auf den Breivik in dem 1.500-seitigen Manifest Bezug nimmt.

Diese Unterlassungen sind nicht durch Fahrlässigkeit zu erklären: Dahinter stecken eindeutige politische Absichten.

In diesem Zusammenhang sind die Enthüllungen über die enge, mehr als zehn Jahre andauernde Zusammenarbeit einer rechtsextremen Terrorgruppe in Deutschland mit den staatlichen Geheimdiensten von besonderer Bedeutung. Die Gruppe, deren Ansichten denen Breiviks gleichen, ist für mindestens neun Morde an Zuwanderern seit 1998 verantwortlich. Staatliche Geheimdienstler haben gegenüber ihren Aktivitäten nicht nur ein Auge zugedrückt, sondern sich aktiv beteiligt und die Aktionen der Gruppe ermöglicht.

Es gibt keinen Grund zu glauben, dass es zwischen den Rechtsextremen und staatlichen Nachrichtendienste in ganz Europa nicht auch ähnliche Beziehungen gibt. In Großbritannien ist die EDL seit langem als eine Organisation bekannt, die von V-Leuten und Geheimdienstleuten durchsetzt ist, die bei der Planung und Inszenierung von sogenannten “Demonstrationen” halfen, die in Wahrheit nichts anderes darstellten, als organisierte Provokationen gegen Muslime und Einwanderer. Breivik vor Gericht zu stellen, hätte diese Verbindungen wahrscheinlich in den Blickpunk der Öffentlichkeit gerückt.

Das politische Establishment ist sich der Tatsache wohl bewusst, dass Breivik sich seine beunruhigenden ideologischen Perspektiven nicht aus dem luftleeren Raum geholt hat.

Viele der Positionen Breiviks und der Rechtsextremisten allgemein gehören heute zur Grundausstattung der in Europa herrschenden Elite. Breiviks "Manifest" enthält die Namen führender Personen aus Politik und Medien, deren zunehmend einwanderungsfeindliche Rhetorik ihn bei seinen Anschauungen inspirierte.

Seine Feindschaft gegen den “Multikulturalismus” wird von Angela Merkel und dem britischen Premierminister David Cameron unterstützt, die beide das Scheitern von „Multikulti“ verkündet haben. Noch offener hat Thilo Sarrazin, ein prominenter deutscher Sozialdemokrat, Ausländern, besonders Muslimen, vorgeworfen, Deutsche “zu Fremden im eigenen Land” zu machen.

Diese Propagierung von rechtsextremistischen Positionen durch die politische Elite in ganz Europa ist direkt mit der Krise des kapitalistischen Systems verbunden.

In jedem Land ist die Bourgeoisie dabei, ihre traditionellen parlamentarischen Regierungsformen zu verwerfen, weil sie nach neuen Grundlagen gegen die sich entwickelnden Klassenkämpfe sucht.

Deswegen werden rechtsextreme Parteien immer mehr in den politischen Mainstream integriert. Jüngster Ausdruck davon war die Einbeziehung der neo-faschistischen Partei LAOS in die griechische Koalitionsregierung, die von der internationalen Finanz-Elite unter Führung der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds installiert wurde.

In Großbritannien ist dieser Prozess sehr anschaulich geworden. Dort haben eine Reihe bekannter Personen aus der Labour-Partei, die Anhänger der “Blue Labour” Tendenz sind, die Zusammenarbeit mit der EDL gefordert. Maurice Glasman – ein Akademiker, der an der Gründung dieses Projekts beteiligt war, das angeblich für “Flagge, Glaube und Familie“ steht, – erklärte, er habe erreichen wollen, dass “Menschen, die die EDL unterstützen, in unsere Partei eingebunden werden”.

Die arbeitende Bevölkerung muss den Fall Breivik als Warnung verstehen.

Weil die Welt in eine Periode der Wirtschaftskrise eingetreten ist, wie es sie seit den 1930er Jahren nicht mehr gab, werden erneut die Voraussetzungen dafür geschaffen, unter denen den faschistischen Rechtsextremen eine führende Rolle bei der Verteidigung der bürgerlichen Herrschaft zufällt. Der massive Aufbau der Sicherheitsapparate der kapitalistischen Staaten auf der ganzen Welt ist alles andere als ein Garant gegen eine solche Entwicklung. Vielmehr arbeiten diese Institutionen daran, solche Tendenzen zu nähren und zu kultivieren, um sie bei dem Kampf einzusetzen, die Entwicklung einer politischen Bewegung in der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

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