Angriff auf PSG-Versammlung zur Verteidigung von Günter Grass

Eine Gruppe rechter, pro-israelischer Provokateure hat am Freitag erfolglos versucht, eine Veranstaltung der International Students for Social Equality (ISSE) und der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) zur Verteidigung des Schriftstellers Günter Grass zu verhindern.

Die Versammlung in Frankfurt-Bockenheim stand unter dem Titel „Stoppt die Kriegstreiber! Verteidigt Günter Grass!“ und setzte sich mit den Kriegsvorbereitungen der USA und Israels gegen Iran auseinander, die auch von der deutschen Bundesregierung unterstützt werden.

In der Einladung zu der Versammlung hieß es: „Die zentralen Aussagen, die Günter Grass in seinem Gedicht ‚Was gesagt werden muss‘ gemacht hat, sind berechtigt und korrekt: Die israelische Regierung bereitet einen Angriffskrieg auf den Iran vor, der tatsächlich das Potential zu einem dritten Weltkrieg hat.“

Etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Versammlung kam eine Gruppe von etwa 30 bis 40 Leuten aus einem nahegelegenen Park zum Veranstaltungsort, dem Bockenheimer Saalbau. Sie trugen israelische und amerikanische Flaggen sowie einen überdimensionierten Plastikhammer mit aufgedrucktem Davidstern. Sie machten Lärm und rissen ein Veranstaltungsplakat vom Fenster.

Die Störer blockieren das Treppenhaus Die Störer blockieren das Treppenhaus

Die Ordner der PSG entschieden, die Störer nicht in den Veranstaltungsraum zu lassen, da sie offensichtlich die Absicht hatten, das Treffen zu sprengen. Darauf blockierten sie die Treppe, verkündeten, sie würden die Veranstaltung verhindern und pöbelten Veranstaltungsbesucher an.

Eine iranische Frau, die zur Veranstaltung kam, wurde umzingelt und bedroht. Einem Ordner der PSG, der der Frau zu Hilfe eilte, wurde die Kamera gestohlen. Einem Mann, dem es gelungen war, die Sperre zu durchbrechen, wurde die Tasche entwendet.

Die Störer gaben die Treppe erst frei, als der Hausmeister die Polizei rief. Nun stellten sie sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf, entrollten israelische und amerikanische Fahnen und skandierten „Lang lebe Israel“.

Die Veranstaltung war trotz der Störung ein großer Erfolg. Knapp siebzig Besucher ließen sich nicht von den Pöbeleien und Drohungen einschüchtern und nahmen an der Versammlung teil. Sie kamen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten – vom Flughafenmitarbeiter über den Maschinenschlosser und Lehrer bis hin zum Studenten und Professoren. Mehrere stammten aus Nahost-Ländern wie Syrien, Palästina, Israel und dem Iran.

Wolfgang Weber, Mitglied des Vorstands der Partei für Soziale Gleichheit, ging in seinem Beitrag detailliert auf den aktuellen Militäraufmarsch der USA und Israels gegen den Iran und seine politischen und historischen Hintergründe ein.

Er zitierte eine Äußerung von US-Verteidigungsminister Leon Panetta, der der Washington Post schon im Januar gesagt hatte, es sei „sehr wahrscheinlich, dass Israel im April, Mai oder Juni gegen den Iran losschlagen wird“. Obwohl derzeit in Istanbul wieder zwischen dem Iran und den Vetomächten des UN-Sicherheitsrats verhandelt werde, halte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak die Option eines völkerrechtswidrigen Militärschlags gegen den Iran ausdrücklich offen.

„In dieser Situation“, so Weber, „warnte Günter Grass in Form eines Gedichts vor einem Angriff Israels auf den Iran. Er hat ausgesprochen, dass im Nahen Osten ein Krieg droht, und dass Deutschland für diesen Krieg Waffen (zum Beispiel U-Boote) liefert. Was ist an dieser Aussage falsch?“

Weber ging auf den historischen Hintergrund der Kriegsvorbereitungen gegen den Iran ein und machte deutlich, worum es in Wirklichkeit geht: in erster Linie um die Kontrolle der Ölvorräte. Schon 1953 hätten die USA das nationalistische Mossadeq-Regime im Iran gestürzt, nachdem es das Öl verstaatlicht hatte, und Schah Reza Pahlevi als Marionette eingesetzt. Die iranische Revolution von 1978-79 habe dann die direkte Kontrolle der USA über diese Region beendet. Seither habe der US-Imperialismus immer wieder versucht, seinen Einfluss zurückzugewinnen.

Letztlich gehe es den Vereinigten Staaten nicht bloß um die Ausbeutung der Ölvorräte im eigenen Interesse, sondern auch um die Kontrolle der Energiezufuhr ihrer Konkurrenten. Hauptabnehmer des iranischen Öls seien derzeit an erster Stelle China, aber auch Japan, Indien, Pakistan und andere.

Weber erinnert auch daran, dass der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski schon 1998 in seinem Buch „Schachbrett Eurasien“ auf die strategische Bedeutung der Region für den Erhalt der Supermachtstellung der USA hingewiesen habe.

Den Staat Israel bezeichnete Weber „als tragische Falle für all jene, die sich nach dem Holocaust eine Rettung vor Antisemitismus und Vernichtungsgefahr erhofften“. Seit einer Gründung und der Vertreibung der Palästinenser befinde sich der israelische Staat im permanenten Kriegszustand. Früher hätten viele Juden die Antwort auf die Judenverfolgung im Sozialismus gesehen. Erst nach der vom Stalinismus verschuldeten Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung und den dadurch ermöglichten Verbrechen des Nazi-Regimes hätten die Zionisten, die eine nationale Lösung propagierten, Oberhand gewonnen.

Dabei sei Israel nicht gleich Israel. „Das Land ist von tiefen Klassenspaltungen zerrissen. Erst im vorigen Sommer kam es zu den größten sozialen Protesten der israelischen Geschichte. Heute lehnen achtzig Prozent der Israelis Umfragen zufolge einen Angriffskrieg Israels gegen den Iran ab“, so Weber. „Wäre die Definition zutreffend, dass jeder, der Kritik an den Kriegsvorbereitungen Israels übt, zwangsläufig ein ‚Antisemit’ sein muss, dann wären achtzig Prozent der israelischen Bevölkerung selbst ‚Antisemiten’.“

Ausführlich ging Weber auch auf den deutschen Militarismus ein, der seit der Wiedervereinigung wieder international aktiv werde – von der Beteiligung an den Kriegen im Balkan und in Afghanistan über die passive Unterstützung des Irakkriegs bis hin zur heutigen Vorbereitung auf die Angriffe auf Syrien und den Iran.

„Der Kampf gegen Krieg muss sich auf die gemeinsame Mobilisierung der weltweiten Arbeiterklasse gegen die Kriegstreiber in Washington, Berlin und Tel Aviv stützen“, schloss Weber. „Unsere Losung heißt: Vereinigte Sozialistische Staaten des Nahen Ostens! Wie auch Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa!“

Auf den Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion. Viele lobten Webers Ausführungen. Mehrere Teilnehmer brachten ihre Sorge über die Kriegsgefahr, aber auch über die öffentlichen Angriffe auf Günter Grass zum Ausdruck. Andere wollten mehr über Charakter und Perspektive der PSG und der Vierten Internationale wissen.

Zum Schluss der Veranstaltung bedankten sich mehrere Besucher persönlich und wollten dem Redner die Hand schütteln. Eine kurdische Teilnehmerin lobte den „wirklich profunden Beitrag“. Ein älterer Arbeiter aus Syrien, der seit vierzig Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, bedankte sich ausdrücklich, dass die PSG der offiziellen Propaganda über Syrien widerspreche, und erkundigte sich, wie er die PSG wählen könne. Viele Besucher gaben ihre Anschrift, um weiter eingeladen zu werden und mit der PSG in Kontakt zu bleiben.

Störer mit amerikanischer Flagge nach Eintreffen der Polizei Störer mit amerikanischer Flagge nach Eintreffen der Polizei

Der Versuch, die Versammlung in Frankfurt zu sprengen, muss im Zusammenhang mit den Bemühungen gesehen werden, jede Opposition gegen die Kriegsvorbereitungen im Nahen Osten einzuschüchtern oder mundtot zu machen.

Seit Günter Grass sein Gedicht „Was gesagt werden muss“ veröffentlicht hat, ist eine Welle der Verleumdungen über den 84-jährigen Nobelpreisträger hereingebrochen, die an die düstersten Zeiten der deutschen Geschichte erinnert. Grass, der sein literarisches Lebenswerk der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit gewidmet hat, wurde in führenden Presseorganen auf unflätige Weise als Antisemit und Hitleranhänger beschimpft.

Die herrschende Elite in Politik und Medien will offenbar nicht zulassen, dass über die Vorbereitung neuer Kriegsverbrechen im Nahen Osten diskutiert wird, in die sie – wie es Grass in seinem Gedicht anspricht – selbst tief verstrickt ist.

Die Provokateure, die erfolglos versucht haben, die Versammlung in Frankfurt zu sprengen, versuchen ihre Identität zu verschleiern. Ein Flugblatt, das sie verbreitet haben, nennt weder einen Autor noch einen presserechtlich Verantwortlichen. Und ein zustimmender Bericht über die Provokation, der nahezu zeitgleich auf der Internetplattform Indymedia erschien, nennt als Autor „Menschen in Frankfurt“.

Form und Inhalt der Provokation machen aber deutlich, dass die Störer – wenn nicht organisatorisch, dann auf alle Fälle politisch – in enger Verbindung zum israelischen, amerikanischen und deutschen Staat sowie politisch weit rechts stehen. Versammlungen von Kriegsgegnern zu sprengen, war in der Weimarer Republik eine beliebte Methode der Nazis.

Ein Artikel von Axel Feuerherdt aus der Zeitschrift Jungle World, der auf dem Flugblatt reproduziert wird, lässt außerdem darauf schließen, dass sie in Verbindung zum Milieu der sogenannten „Antideutschen“ stehen. Diese politische Strömung denunziert jeden als Antisemit, der auch nur milde Kritik an der Politik der israelischen Regierung übt.

Der Beitrag auf der Plattform Indymedia ruft dazu auf, auch die Versammlungen zur Verteidigung von Günter Grass in Berlin und Leipzig zu stören, die am 23. und 24. April stattfinden werden. Obwohl die PSG Indymedia aufgefordert hat, diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit sofort vom Netz zu nehmen, erfolgte bisher keine Reaktion.

Wir rufen alle Leser der WSWS auf, diesem Angriff entgegenzutreten und zahlreich zu den Versammlungen in Berlin und Leipzig zu kommen.

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