Neue Beweise für das amerikanische Verfahren gegen Julian Assange

Die Obama-Administration und ihre Verbündeten leugnen weiterhin die Existenz einer geheimen Anklage gegen Julian Assange durch eine amerikanische Grand Jury. Jetzt sind weitere Informationen über den Umfang der Operation Washingtons gegen den Gründer der WikiLeaks-Webseite ans Licht gekommen.

Assange, der derzeit gegen seine Auslieferung an Schweden wegen zweifelhafter Anschuldigungen der sexuellen Nötigung kämpft, sucht politisches Asyl in Ecuador und hält sich in der Botschaft des Landes in London auf. Falls er nach Schweden ausgeliefert würde, hätte er gute Gründe, ein Eingreifen Washingtons zum Zweck seiner Auslieferung an die USA zu fürchten, wo ihm wegen Spionage der Prozess gemacht werden soll.

Nach Angaben von WikiLeaks wurden Sondereinheiten durch die amerikanischen Geheimdienste gebildet und Zwangsvorladungen ausgefertigt, die WikiLeaks-Mitarbeiter zwingen, vor einer Grand Jury zu erscheinen. Das amerikanische Justizministerium stellte außerdem Zwangsvorladungen für Internetdienstanbieter und Onlinedienste aus, die die Twitter-Konten und andere privaten Daten der WikiLeaks-Mitarbeiter und Unterstützer verwalten.

Weitere Vorbereitungen wurden im Rahmen der Anhörung des Gefreiten Bradley Manning vor seinem Gerichtsverfahren bekannt. Manning wird der Preisgabe geheimer Militärdokumente beschuldigt, die später auf WikiLeaks als Cablegate, Afghan War Diaries, Iraq War Logs und Collateral Murder Videoaufnahmen veröffentlicht wurden. Er ist seit über 760 Tagen ohne Gerichtsverfahren eingesperrt.

Jüngste Aussagen der Staatsanwaltschaft weisen darauf hin, dass der Fall Manning nur ein kleiner Teil einer gewaltigen FBI-Ermittlung ist. Der Chefankläger, Major der US Army Ashden Fein, berichtete während einer Anhörung in diesem Monat, dass die größtenteils geheime Datei des FBI über den Fall insgesamt 42.135 Seiten oder 3.475 Dokumente zählt. Fein sagte: „Manning ist ein Teil der FBI-Datei“ und macht nur „8.741 Seiten oder 636 verschiedene Dokumente“ aus.

Sonderermittler Mark Mander, Mitglied einer Einheit der US-Armee, die für militärisch relevante Internetkriminalität zuständig ist, sagte bei einer Anhörung ebenfalls aus, dass das FBI sieben Zivilisten, darunter „die Gründer, Besitzer oder Manager von WikiLeaks“, wegen krimineller Aktivitäten und Spionage ins Visier genommen habe. Er sagte, dass die Ermittlung des US-Militärs gegen WikiLeaks ein paar Tage nach Mannings Verhaftung Anfang Juni 2010 begonnen hat.

Mander enthüllte bezeichnenderweise, dass die Ermittlungen von Neil McBride, Staatsanwalt für das östliche Virginia, in rechtlichen Fragen unterstützt werden. Laut Alexa O'Brien, Journalistin und Redakteurin in der WikiLeaks-Zentrale, die über den Fall Manning berichtet hat, ist McBride für die Grand Jury in Alexandria, Virginia, zuständig.

Außerdem berichtete WikiLeaks, dass amerikanische Beamte die Beteiligung des diplomatischen Sicherheitsdienstes, des Außenministeriums, der CIA, des Inlandsgeheimdienstes, der Spionageabwehr, sowie des Justizministeriums, des FBI und des Militärs zugegeben haben.

Diese Beweise stellen zusätzlich die australische Regierung bloß, die darauf beharrt, sie habe „keine Anhaltspunkte“ für die amerikanischen Vorbereitungen einer Anklage gegen den australischen Staatsbürger Assange. Ihre Behauptungen, für umfassenden konsularischen Beistand für Assange zu sorgen, sind ebenfalls eine Frechheit. (siehe: „Mutter von WikiLeaks-Gründer Julian Assange spricht mit der WSWS“).

Tatsächlich hat die australische Labor Regierung Washington bei der Hetzkampagne von Anfang an geholfen und dazu angestiftet. Premierministerin Julia Gillard gab den Ton an, als sie im Dezember 2010 ohne jede Rechtfertigung behauptete, die Aktivitäten von WikiLeaks wären „illegal“. Assange hat sich deshalb dazu entschlossen, in Ecuador Zuflucht zu suchen, weil er von der australischen Regierung „im Stich gelassen“ wurde. (siehe: „WikiLeaks-Gründer Assange stellt Asylantrag in Londoner Botschaft von Ecuador“)

Etliche tausend Amerikaner haben jüngst eine Online-Petition unterschrieben, die die ecuadorianische Regierung dazu aufruft, Assange politisches Asyl zu gewähren. Zu den Unterzeichnern gehören Daniel Ellsberg, Whistleblower während des Vietnamkriegs, und die Filmemacher Michael Moore, Danny Glover und Oliver Stone, sowie Anwälte, Journalisten, Autoren, Akademiker und ehemalige Beamte der US-Regierung.

Ein Brief, der den Petitionen beigefügt ist, erklärt, dass Assange der realen Gefahr einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten ausgesetzt. „Sein Verbrechen“, heißt es in dem Brief, bestand in der Enthüllung von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von der amerikanischen Regierung begangen wurden“ und „von wichtigen Fällen in denen amerikanische Beamte mit ihren Handlungen die Demokratie und Menschenrechte auf der ganzen Welt untergraben haben.“

Die breite Unterstützung, die Assange für seinen Einsatz in den USA und international erhält, erregt ohne Zweifel Besorgnis im amerikanischen politischen Establishment. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Obama-Administration versuchen wird, die ecuadorianische Regierung unter Druck zu setzen und zu drängen, Assange kein Asyl zu gewähren. Am 21. Juni erschien in der Washington Post ein Leitartikel, der erahnen lässt, welche Diskussionen derzeit hinter den Kulissen im Weißen Haus und in Kreisen des US-Militärs und der Geheimdienste geführt werden.

Die Zeitung denunzierte den ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa als „unbedeutenden südamerikanischen Autokraten“, der sich zusammen mit Assange in „antiamerikanischen Verleumdungen und Paranoia gesuhlt“ habe. Sie schlug die Anwendung von extremem wirtschaftlichem Druck vor, der durch die Kündigung besonderer Handelsverträge ausgeübt werden soll. Damit soll Correa zur Ablehnung von Assanges Asylantrag erpresst werden.

„Ein Drittel der ecuadorianischen Auslandsumsätze (zehn Milliarden US-Dollar im Jahr 2011) stammen aus dem Export in die Vereinigten Staaten. Dadurch werden etwa 400.000 Arbeitsplätze in einem Land mit 14 Millionen Einwohnern geschaffen“, heißt es in dem Leitartikel. „Diese Handelsverträge sollen im Frühjahr nächsten Jahres vom Kongress erneuert werden. Wenn Correa es darauf anlegt, sich bis dahin zu Amerikas Hauptfeind in Lateinamerika und zu Julian Assanges Beschützer zu machen, ist es nicht schwer, sich die Folgen vorzustellen.“

Eine offensichtliche Frage kommt auf. Wenn Assanges Konflikt ausschließlich ihn und die schwedische Regierung berührt, warum kümmert Washington dann sein Asylantrag? Der Leitartikel bestätigt auf seine ganz eigene Art, dass sich hinter dem Schleier der schwedischen Anschuldigungen etwas ganz anderes verbirgt. Assange ist mit der Aussicht auf eine Abschiebung in die USA konfrontiert, wo er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen könnte.

Wenn diese von den USA geführte Operation Erfolg hätte, würde es den grundlegendsten demokratischen Rechten, einschließlich des Rechts, die kriminellen Machenschaften Washingtons und seiner Verbündeten aufzudecken und zu dokumentieren, einen schweren Schlag versetzen. Arbeiter und Jugendlichen auf der ganzen Welt müssen sich zur Verteidigung Assanges und Mannings mobilisieren. Dabei müssen sie sich bewusst sein, dass ein politischer Kampf notwendig ist, der sich gegen die beteiligten Regierungen und gegen das kapitalistische Profitsystem richtet, das die Wurzel der sich häufenden Angriffe auf demokratische Rechte darstellt.

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