Frankfurt: Brutaler Polizeieinsatz gegen Blockupy-Proteste

Die hessische Landesregierung ging am vergangenen Samstag mit einem groß angelegten Polizeimanöver gegen die Abschlussdemonstration der „Blockupy“-Aktionstage in Frankfurt vor. Teile des Bankenviertels wurden stundenlang komplett abgeriegelt, friedliche Demonstranten bis spät nachts eingekesselt, teilweise verprügelt und mit Pfefferspray attackiert.

Polizeiabsperrung in der Frankfurter City

Blockupy ist eine Wortschöpfung aus Occupy und Blockade; der Name bezeichnet ein europäisches Netzwerk, dem in Frankfurt einige Gewerkschaften, NGOs wie Attac sowie zahlreiche Verbände und Vorfeldorganisationen der Linkspartei angehören. Auch wenn die jährlichen Proteste offiziell gegen die Austeritätspolitik der EZB gerichtet sind, geht es diesen Gruppen eher darum, selbst komfortablere gesellschaftliche Positionen einnehmen zu können.

Mit etwa 10.000 Demonstranten versammelten sich am Samstag auf dem Baseler Platz deutlich weniger Menschen als vor einem Jahr. Kurz nach zwölf Uhr mittags nahm der Marsch unter Trommeln und Musik Kurs auf die Innenstadt und die Europäische Zentralbank. Von Anfang an war die Demonstration beidseitig von einer doppelten Polizeikette begleitet.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich ein riesiges Aufgebot von martialisch ausgerüsteten Polizeibeamten, panzerähnlichen Fahrzeugen und Wasserwerfern in der Bankenmetropole Frankfurt. Die Einsatzhundertschaften waren nicht nur aus ganz Hessen, sondern auch aus Sachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zusammengezogen worden. Hubschrauber kreisten über der Stadt, um die Szenerie zu beobachten. Polizisten filmten die Teilnehmer.

Die Europäische Zentralbank war schon am Freitag weiträumig abgeriegelt worden, und die nahe gelegene U-Bahnstation war geschlossen. Am Vormittag hatte es bereits Proteste gegen die EU-Krisenpolitik vor Großbanken, Geschäften in der Einkaufszone und auf dem Frankfurter Flughafen gegeben.

Obwohl die Route der Hauptdemonstration an der Europäischen Zentralbank vorbei im Vorfeld gegen den Willen der Stadtregierung gerichtlich genehmigt worden war, stoppte die Polizei den Zug auf der Höhe der städtischen Bühnen und verhinderte die Fortsetzung der Demonstration. Polizeieinheiten kesselten etwa tausend Menschen ein, um, wie es hieß, Vermummte aus dem „antikapitalistischen Block“ festzunehmen.

Die Polizei ließ die restlichen Demonstranten weiterziehen und wollte die Personalien sämtlicher festgesetzter Demonstranten aufnehmen. Viele Demonstranten, die nicht in den Polizeikessel geraten waren, solidarisierten sich mit den Festgehaltenen und blieben ebenfalls auf dem Platz.

Die Polizei zerrte Eingesperrte einzeln aus der Menge heraus, um sie erkennungsdienstlich zu behandeln und die Personalien festzustellen. Als es zu Rangeleien kam, griffen Polizisten Jugendliche gezielt mit Pfefferspray und Schlagstöcken an. Die brutale Prozedur zog sich über neun Stunden hin.

Auch die Arbeit von Journalisten wurde behindert. Einige wurden herumgestoßen, beschimpft und überprüft, obwohl sie sich als Journalisten auswiesen.

Nachts um halb elf zog die Polizei endlich ab. Sie hatte 45 Personen festgenommen, und das Blockupy-Bündnis zählte 200 Verletzte. Wütend zogen über dreitausend Menschen in einem gemeinsamen Protestzug zum Hauptbahnhof.

Mit der Großaktion vom Samstag haben die hessische Landesregierung (CDU/FDP) und die Frankfurter Stadtregierung einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Die Demonstration war über mehrere Instanzen gerichtlich genehmigt worden, zuletzt vom hessischen Verwaltungsgericht in Kassel. Dennoch erzwang die Polizei in offener Missachtung des Gerichtsentscheids ihren Abbruch.

Der angebliche Anlass für die Polizeiaktion, das Auftreten „gewaltbereiter Vermummter“ und vereinzelte Feuerwerkskörper und Farbbeutel, die gegen Polizisten geflogen sein sollen, dienten dabei lediglich als Vorwand. Es ist außerdem bekannt, dass der so genannte Schwarze Block ein Tummelfeld für staatliche Provokateure darstellt.

Demonstrationsteilnehmer

Das faktische Verbot der Demonstration durch die Landespolizei Hessen ist der vorläufige Höhepunkt anhaltender Angriffe auf das Demonstrationsrecht in Frankfurt. Im Mai letzten Jahres hatte die schwarz-grüne Stadtregierung bereits sämtliche Aktivitäten der Blockupy-Aktivisten verboten. Gerichte hatten anschließend nur einige wenige Proteste und diese nur unter strengen Auflagen wieder erlaubt. Im August wiesen Grüne und CDU im Frankfurter Magistrat schließlich die Polizei an, das verbliebene Camp der Blockupy-Aktivisten gewaltsam zu räumen, das diese fast 300 Tage lang vor der EZB aufgeschlagen hatten.

Ähnliche Entwicklungen fanden bereits in anderen Städten und Bundesländern statt. Schon 2006 verbot der rot-rote Senat in Berlin Solidaritäts-Demonstrationen für die libanesische Hisbollah, die Angriffen von Seiten Israels ausgesetzt war. Ein Jahr später untersagte das Bundesverfassungsgericht einen Sternmarsch gegen den G8-Gipfel.

Besonders zynisch ist angesichts dieser Historie die Reaktion von Politikern der SPD, der Grünen und der Linkspartei. Auch wenn sie selbst an der Spitze der Angriffe auf demokratische Rechte und insbesondere die Versammlungsfreiheit stehen, bemühten sie sich jetzt um Distanz zu dem Polizeieinsatz. Der Juso-Vorsitzende Christian Heimpel forderte sogar den Rücktritt des hessischen Innenministers Boris Rhein (CDU).

Die Polizeiaktion vom Samstag war ein massiver Angriff auf das demokratische Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit. Der Polizeikessel und das stundenlange Festhalten friedlicher Demonstranten war keine staatliche Reaktion auf „Gewalttäter“, sondern eine von langer Hand vorbereitete Operation.

Sie zielt dabei weniger auf die Organisatoren der Blockupy-Proteste, die wie Linkspartei, Grüne und SPD oft selbst an den Attacken auf demokratische Rechte beteiligt sind, sondern dient der Vorbereitung auf kommende soziale Auseinandersetzungen und soll jede Opposition einschüchtern.

Die Herrschenden sind sich im Klaren darüber, dass ihre anhaltende Verarmungspolitik Widerstand hervorrufen wird. Erst vor wenigen Tagen hat die internationale Arbeitsorganisation (ILO) warnend darauf hingewiesen, dass die globale Wirtschaftskrise verstärkt soziale Unruhen in Europa hervorbringen werde. Besonders in der Europäischen Union sei das Risiko ökonomisch motivierter Aufstände seit Beginn der Krise 2007 deutlich gestiegen.

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