Perspektive

Die Enthüllungen von Edward Snowden

Edward Snowden, ein ehemaliger IT-Angestellter der CIA und Mitarbeiter der National Security Agency (NSA), hat der Bevölkerung der Vereinigten Staaten einen großen Dienst erwiesen, indem er den Schleier gelüftet hat, der über dem Militär- und Geheimdienstapparat hing, der im Verborgenen agiert und die wichtigsten verfassungsmäßigen Rechte verletzt

Die World Socialist Web Site ruft die Arbeiter der Welt dazu auf, Edward Snowden zu verteidigen, der Opfer eines brutalen Angriffs durch den amerikanischen Staatsapparat ist.

Der Whistleblower fürchtet zu Recht um seine Sicherheit. Die Obama-Regierung hat Ermittlungen aufgenommen, führende Politiker der Demokraten und Republikaner haben sein Handeln als „Verrat“ verurteilt und politische Meinungsmacher fordern seine Hinrichtung. Zurzeit ist er das Ziel einer intensiven weltweiten Fahndung. Die amerikanische Regierung ist bestrebt, ihn in ihre Gewalt zu bekommen.

Nachdem sich Snowden gegenüber Glenn Greenwald vom Guardian in einem umfassenden Interview als Verantwortlicher für die Enthüllungen zu erkennen gegeben hatte, floh er aus dem Hotel in Hongkong, in dem er die letzten drei Wochen verbracht hatte. „Ich könnte von der CIA verschleppt werden. Leute könnten auf mich angesetzt werden“, sagte er Greenwald und fügte hinzu, er hoffe, es werde „schwieriger für sie werden, mit schmutzigen Tricks zu arbeiten,“ wenn er sich zu erkennen gebe.

In seinem Interview mit Greenwald sprach Snowden kraftvoll und eloquent von der „Architektur der Unterdrückung“, die noch weit über das hinausgeht, was in den bisher veröffentlichten Dokumenten enthüllt wurde.

In der amerikanischen herrschenden Klasse und ihrem politischen Apparat gibt es keinen Rückhalt für die Verteidigung der Demokratie. Snowdens Äußerungen und Handlungen und die starke Unterstützung, die er von der amerikanischen Bevölkerung erhalten hat, zeigen jedoch, dass es in der amerikanischen Bevölkerung diesen Rückhalt gibt.

Snowden erklärte, seine Motivation für die Enthüllung der Überwachungsprogramme sei gewesen, die amerikanische Bevölkerung darüber aufzuklären, was vor sich geht. „Es ist wichtig, der Regierung klarzumachen, dass sich die Menschen nicht einschüchtern lassen“, erklärte er. „Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die solche Dinge tut. Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, aufgezeichnet wird.“

Die Wut, mit der Politik und Medien auf die Enthüllungen reagieren, zeigt ihre berechtigte Sorge, dass die Legitimität der amerikanischen Regierung und des ganzen Staatsapparates mit jeder neuen Enthüllung weiter untergraben wird – im Inland und in der übrigen Welt. Die herrschende Klasse strebt einen Polizeistaat an, hat aber ihr Ziel noch nicht erreicht. Sie fürchtet um die Stabilität ihrer Herrschaft.

Snowdens Handeln ist mutig und von Prinzipien geleitet, aber die Erfahrung der Geschichte zeigt, dass sich Demokratie nicht durch das Handeln Einzelner verteidigen lässt. Erforderlich ist eine soziale Bewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die Krise der Demokratie ihren Ursprung in der Klassenstruktur des amerikanischen- und des Weltkapitalismus hat.

Auf der einen Seite steht die Finanzaristokratie, deren soziale Instinkte und politische Perspektiven autoritär sind. Sie betrachtet die Bevölkerung insgesamt aus gutem Grund als feindselige Kraft und jeden Bürger als potenziellen Feind. Die Wirtschafts- und Finanzelite ist sich bewusst, dass die Politik, die sie verfolgt, äußerst unpopulär ist.

Das Ziel ist es, eine ganze Gesellschaft einzuschüchtern und zu erpressen. Snowden erklärte, nachdem der Staat ständig von jedermann Daten gesammelt hat, „muss man einfach irgendwann verdächtig werden, wenn auch nur durch einen falschen Anruf von jemandem. Dann können sie das ganze System einsetzen, um dich bis weit in die Vergangenheit zu durchleuchten, und jede Unterhaltung mit einem Freund, die man je geführt hat.“

Solche Methoden werden gegen jeden politischen Widerstand durchgesetzt werden. Wenn die Informationen bereits gesammelt sind, kann die Regierung jederzeit ein detailliertes soziales und politisches Profil von fast jedem Einwohner der Vereinigten Staaten erstellen.

Nicht nur die amerikanische Arbeiterklasse ist im Visier. Laut dem Datensammelprogramm Boundless Informant wurden weltweit allein im März 2013 etwa 97 Milliarden Geheimdienstdaten durch ein Programm der NSA gesammelt. Zu den drei Milliarden Daten aus den USA kamen noch vierzehn Milliarden aus dem Iran, 13,5 Milliarden aus Pakistan, 12,7 Milliarden aus Jordanien, 7,6 Milliarden aus Ägypten, 6,3 Milliarden aus Indien und drei Milliarden aus Europa.

Die Finanzaristokratie kontrolliert das gesamte politische Establishment – von der Obama-Regierung und den beiden Parteien bis zum Kongress und den Gerichten. Bei der Verteidigung der Überwachungsprogramme und anderer undemokratischer Maßnahmen, darunter dem „Recht“, amerikanische Staatsbürger ohne rechtsstaatliches Verfahren zu ermorden, hatte Obama immer betont, dass er nicht alleine handelt und dass der Kongress in Kenntnis gesetzt wurde. Das ist zutreffend.

Was die Mainstreammedien angeht, so machen sie sich zu Werkzeugen des Staates. Es bleibt Einzelpersonen wie Snowden überlassen, zu tun, was notwendig ist, um die Kriminalität der Regierung zu enthüllen, da die Massenmedien sich nicht nur weigern dies zu tun, sondern aktiv daran beteiligt sind, der amerikanischen Bevölkerung diese Informationen vorzuenthalten.

Nach Snowdens Enthüllungen spielten die Medien ihre unnachahmlich schmutzige Rolle. „Verräter oder Held?“ war die Frage, die die Berichterstattung beherrschte, wobei die geistlosen Sprachrohre und CIA-Mitarbeiter, die als Kommentatoren tätig sind, ihn eher für einen Verräter halten.

Der Umgang der Medien mit Snowden erinnert an ihren Umgang mit der Veröffentlichung von WikiLeaks und dessen Gründer Julian Assange, der die Informationen von Bradley Manning erhalten hatte. Manning droht zurzeit eine Verurteilung wegen „Unterstützung des Feindes“, weil er vor der amerikanischen- und der Weltbevölkerung die Verbrechen des US-Militärs im Irak und in Afghanistan enthüllt hatte. Die amerikanischen Medien – darunter auch die New York Times und ihr ehemaliger Chefredakteur Bill Keller reagierten auf die Enthüllungen von WikiLeaks mit einer Mischung aus Verleumdung, Verteufelung und Rufmord.

Als Gegner dieser Finanzaristokratie und ihrer Werkzeuge tritt die Arbeiterklasse mit ihren mächtigen demokratischen Traditionen auf. Die Unruhe über die Angriffe auf demokratische Rechte verbindet sich mit der Wut über die ständigen Kriege im Ausland und die soziale Reaktion innerhalb der USA.

Diese Überwachungsprogramme werden im Geheimen ausgeführt, weil die herrschende Klasse genau weiß, dass sie keinen Rückhalt genießen. Wie Snowden in seinem Interview anmerkt, zeigen die Dokumente, dass „die NSA [und andere] Regierungsvertreter regelmäßig vor Anhörungen des Kongresses über das Ausmaß der Überwachung in Amerika lügen.“ Der oberste Lügner ist Obama selbst.

Eine Regierung der Lügen und Heimlichtuerei ist notwendig, weil die sozialen Interessen, die der Staat repräsentiert, unvereinbar mit denen der großen Mehrheit der Bevölkerung sind. Ein solches Gesellschaftssystem ist nicht mit demokratischen Herrschaftsformen vereinbar.

Die Macht der Finanzaristokratie, des Militär- und Geheimdienstapparates und ihrer politischen Institutionen kann überwältigt werden, aber dies ist nur durch den Kampf der gesellschaftlichen Massen möglich. Die Verteidigung von Snowden und von demokratischen Rechten muss mit der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus verbunden werden.

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